Die Fußball-EM soll ein Zeichen für ein verbundenes Europa setzen. Die Spielorte trennen teils Hunderte Kilometer, zwischen Glasgow und Baku sind es gut 4300. Die elf Städte haben viel zu bieten, auch wenn die Fans das in diesem Sommer coronabedingt nur eingeschränkt erfahren können.
MÜNCHEN/DEUTSCHLAND: Die deutsche Nationalmannschaft freut sich auf drei Heimspiele mit kurzer Anreise. Die DFB-Auswahl, die ihr Quartier in Herzogenaurach bezieht, spielt in der Münchner Arena gegen Weltmeister Frankreich (15. Juni), Europameister Portugal (19. Juni) und Ungarn (23. Juni). Nach aktuellem Stand sollen bis zu 14.500 Zuschauer im Stadion des deutschen Rekordmeisters FC Bayern erlaubt sein.
An ausufernde Fanfeste in der bayerischen Landeshauptstadt rund um den Marienplatz ist dennoch (noch) nicht zu denken. Immerhin erlaubt sein dürfte die Außengastronomie in den weltweit bekannten Münchner Biergärten. Im Sommer, wenn unter anderem der Englische Garten lockt, reisen unter normalen Umständen Tausende Touristen in die grüne Millionenstadt mit etlichen historischen Sehenswürdigkeiten. «Egal ob Schlösser, Museen, Kirchen, Parks oder Plätze», schreibt die Stadt auf ihrer offiziellen Internetseite.
Am 2. Juli steigt in der Arena, die bei den Bayern-Heimspielen rot leuchtet, ein Viertelfinale, eine Rückkehr der Nationalmannschaft ist dabei nicht gänzlich ausgeschlossen. Die Nationalmannschaft müsste sich als einer der besten Gruppendritten zunächst für das Achtelfinale in Sevilla qualifizieren.
ROM/ITALIEN: Neben Tiber, Vatikan und Kolosseum steigt am 11. Juni das EM-Eröffnungsspiel zwischen Gastgeber Italien und der Türkei. Mindestens ein Viertel der Plätze im ehrwürdigen Stadio Olimpico soll dann besetzt sein, das wären 16.000 Tifosi in dem weitläufigen Leichtathletik- und Fußball-Stadion. Der Begeisterung der Italiener über ihre Nationalmannschaft, die mit zehn Siegen in zehn Spielen souverän das EM-Ticket löste, dürfte das aber keinen Abbruch tun.
Die drei Vorrundenspiele der Azzurri gegen die Türkei, die Schweiz und Wales finden in Rom statt, dazu kommt ein Viertelfinale. Eröffnet wurde das Olimpico, Heim-Spielstätte der beiden Hauptstadtclubs AS Rom und Lazio, bereits 1932 und seitdem immer wieder umgebaut. Zahlreiche große Fußball-Abende gab es hier seitdem, unter anderem wurde die deutsche Nationalmannschaft 1990 in Rom Weltmeister.
Doch auch abseits des Fußballs hat die italienische Hauptstadt, in der es im Juni meist schon um die 30 Grad heiß wird, einiges zu bieten. Die Ewige Stadt ist vor allem bekannt für ihre historischen Sehenswürdigkeiten und Kunstschätze, die in den engen Gassen an jeder Ecke zu entdecken sind. Und auch kulinarisch können Besucher hier bei Pizza, Pasta, Gelato und Co. voll auf ihre Kosten kommen.
LONDON/ENGLAND: Alle Mannschaften wollen nach London. Denn dort steigt im Wembley-Stadion am 11. Juli das EM-Finale. Wie viele Zuschauer dann in die prächtige Arena dürfen, ist noch unklar. Während der drei Gruppenspiele und beim Achtelfinale soll mindestens ein Viertel der Plätze besetzt werden, das wären 25.000 Fans.
Und wer nicht ins Stadion kann, der wird die Spiele wohl in einem der zahlreichen Pubs der englischen Hauptstadt verfolgen können. Im Vergleich zu Deutschland kam die Impfkampagne der Engländer relativ schnell in Gang, viele Restaurants und Bars sind längst unter Corona-Bedingungen wieder geöffnet. So könnten während der EM auch wieder zahlreiche Touristen in der Stadt unterwegs sein.
Denn London bietet schließlich nicht nur Fußball. Für kulinarische Höhepunkte sind die Briten zwar nicht bekannt. Doch darüber hinaus gibt es in London unglaublich viel zu sehen. Auch wenn kulturelle Einrichtungen im Juni noch geschlossen sein könnten, lohnt etwa ein Spaziergang entlang der Themse. Und außerdem kann man sich einige der historischen Gebäude auch so anschauen: Buckingham Palace, Westminster Abbey oder St Paul’s Cathedral sehen schließlich nicht nur von innen beeindruckend aus.
SEVILLA/SPANIEN: Es sollte eigentlich Bilbao sein, die baskische Metropole mit dem berühmten Guggenheim-Museum. Als Spielort war das San Mamés vorgesehen, der Fußball-Tempel von Athletic Bilbao im Norden Spaniens. Weil die Region aber keine Garantien über Zuschauer abgeben konnte und wollte, musste sich Bilbao aus dem Kreis der EM-Gastgeberstädte verabschieden. Ohne das Land des dreimaligen Europameisters sollte der Kontinental-Titelkampf aber auch nicht stattfinden.
Also wird in Sevilla gespielt. Die drei Gruppenspiele und ein Achtelfinale wurden nach Andalusien verlegt. Das Estadio La Cartuja wurde 1999 eröffnet. Keiner der beiden Top-Clubs, Real Betis und der FC, spielt aber in dem Stadion, das einst als Teil der Bewerbung von Sevilla für die Olympischen Spiele 2004 am Fluss Guadalquivir gebaut wurde. Dafür wurden die Endspiel des spanischen Pokals bis einschließlich 2023 an Sevilla und das Estadio La Cartuja vergeben. Es bietet knapp 60.000 Zuschauern Platz, die Behörden wollen bei den EM-Spielen eine 30-prozentige Auslastung ermöglichen.
Sevilla gilt als eine der schönsten Städte Spaniens. Bis Cadiz an der Küste sind es rund 120 Kilometer, Spaniens Hauptstadt Madrid ist gut 530 Kilometer entfernt. Sevilla ist reich an touristischen Sehenswürdigkeiten, «kulturelle Reizüberflutung par excellence», heißt es auf der Tourismus-Homepage der Stadt.
ST. PETERSBURG/RUSSLAND: Wer zu den Spielen nach St. Petersburg reist, kann täglich die sogenannten «Weißen Nächte» erleben, in denen es gar nicht richtig dunkel wird. Die 1703 von Zar Peter I. gegründete Stadt ist die nördlichste Millionenmetropole der Welt und heute die zweitgrößte Stadt Russlands nach Moskau. Mit großen Fußballspielen haben sie in Petersburg Erfahrung, schließlich fanden dort 2018 insgesamt sieben WM-Begegnungen statt.
Das weitläufige historische Zentrum ist Unesco-Welterbe und wird wegen seiner malerischen Flüsse und Kanäle auch als «Venedig des Nordens» bezeichnet. Vor den Toren Petersburgs bieten die Zarenschlösser Peterhof und Zarskoje Selo einen Einblick in das Leben bei Hof. Auch an Bars und Restaurants mangelt es nicht.
Doch dafür haben die Fußballfans kaum Zeit, denn St. Petersburg ist die einzige Stadt, in der gleich sechs Vorrundenspiele stattfinden. Die Metropole übernahm kurzfristig die Partien von Dublin. Die großen Highlights dürften zwei Spiele der russischen Nationalmannschaft werden. Das Team von Trainer Stanislaw Tschertschessow bekommt es in der 68.000 Plätze fassenden Gazprom-Arena, die zur Hälfte gefüllt werden soll, nicht nur mit Mitfavorit Belgien, sondern auch mit Nachbarland und EM-Debütant Finnland zu tun.
GLASGOW/SCHOTTLAND: Schottland freut sich nicht nur über die lange vermisste Qualifikation der Nationalmannschaft, sondern ist auch stolz auf seine Rolle als Ausrichter. In der schottischen Hafenstadt Glasgow werden drei Gruppenspiele und ein Achtelfinale ausgetragen. Glasgow liegt rund 70 Kilometer von der Hauptstadt Edinburgh entfernt und gilt im Gegensatz zu dieser als Arbeiterstadt. Glasgow befindet sich am Fluss Clyde, der in einen Meeresarm des Atlantik mündet.
Glasgow ist die größte Stadt in Schottland und die drittgrößte in Großbritannien. In der Fußball-Historie hat Glasgow einen besonderen Platz, denn hier fand das erste Länderspiel überhaupt statt. Im Jahr 1872 trennten sich Schottland und England 0:0.
Gespielt bei der EM wird im traditionsreichen Hampden Park, das Anfang des vergangenen Jahrhunderts über Jahrzehnte das größte Stadion der Welt war. Laut UEFA waren im Jahr 1937 bei einem Spiel zwischen Schottland gegen England 149.415 Zuschauer dabei. Die Stadtclubs Celtic und Rangers haben beide ihre eigenen Stadien, der Hampden Park ist die Heimstätte der schottischen Nationalmannschaft und der Amateurmannschaft Queens Park.
Abseits des Fußballs bietet Glasgow viele Kunstgalerien eine spannende Musikszene und gilt als Einkaufszentrum Schottlands.
BUKAREST/RUMÄNIEN: In der rumänischen Hauptstadt sind vier Spiele vorgesehen: Drei Vorrunden-Partien und ein Achtelfinale. Die «Arena Nationala» hätte bei der EM theoretisch Platz für 56.000 Zuschauer bieten können. Zuletzt zugesagt wurde aber coronabedingt nur eine Auslastung von 25 Prozent. Theoretisch möglich seien auch 50 Prozent, sofern dies die Lage gestatte.
Das Stadion wurde von einer deutschen Firma gebaut und war 2012 Schauplatz des Europa-League-Endspiels. Bitter für Bukarest: Die Rumänen qualifizierten sich nicht für die EM-Endrunde.
Die rumänische Hauptstadt mit rund 1,8 Millionen Einwohnern ist die siebtgrößte Stadt in der EU. Wegen der Einflüsse der französischen Architektur wird die Stadt auch «Paris des Ostens» genannt. Die Stadt liegt in einer besonders von Erdbeben gefährdeten Region.
Angesichts der sinkenden Coronafallzahlen traten zuletzt einige Lockerungen in Kraft. Unter anderem wurden die nächtlichen Ausgangssperren aufgehoben. Bars, Clubs und Diskotheken sind aber weiter geschlossen.
BUDAPEST/UNGARN: Drei Vorrundenspiele der deutschen Gruppe F und ein Achtelfinale werden in der Budapester Puskas-Arena über die Bühne gehen. Als einziges Veranstalterland hat Ungarn trotz Corona-Pandemie potenziell volles Haus zugesagt. Ministerpräsident Viktor Orban, der in seinem Land alles entscheidet und ein Fußballnarr ist, will es so. Tatsächlich läuft die Impfkampagne in Ungarn sehr gut, auch dank der massiven Verwendung chinesischer und russischer Vakzine, die in der EU nicht zugelassen sind.
Zu den Matches dürfen nur Fans, die entweder geimpft oder nachweislich genesen sind. Für ausländische Besucher gilt nach gegenwärtigem Stand eine Ausnahme: sie brauchen einen PCR-Test für die Einreise ins Land und einen für den Match-Besuch. Deutsche Impfzertifikate werden in Ungarn nicht anerkannt. Das Ticket muss vor der Fahrt nach Ungarn erworben sein, denn touristische Reisen ins Land an der Donau sind sonst wegen Corona nicht möglich.
Die Puskas-Arena ist ein neuer, 2017 errichteter Fußball-Tempel mit 67.000 Sitzplätzen. Benannt ist sie nach der ungarischen Fußball-Legende Ferenc Puskas (1927-2006).
Budapest hat einiges an Sehenswürdigkeiten zu bieten. Die Budaer Burg bietet einen schönen Blick auf die Donau, die mitten durch die Stadt fließt. Berühmt sind auch die Bäder. Sie stehen allerdings nur Geimpften und Genesenen offen – und auch hier werden deutsche Impfbescheinigungen nicht anerkannt. Für kulinarische Genüsse gilt: die Außenbereiche der Gaststätten können alle frequentieren, drinnen dürfen sich aber nur Gäste mit ungarischer Impfbescheinigung aufhalten.
KOPENHAGEN/DÄNEMARK: Die Dänen waren eines der ersten Länder, das der UEFA trotz der Coronavirus-Pandemie den Einlass von 12.000 Zuschauern garantierte. Da die dänischen Fans zu den stimmungsvollsten der Welt gehören («We are red, we are white, we are Danish Dynamite»), ist für ihr Team selbst ein nur spärlich gefülltes Stadion sicher ein Wettbewerbsvorteil.
Nicht nur deshalb hat sich Finnlands Nationaltorwart Lukas Hradecky von Bayer Leverkusen schon einmal geärgert: Denn gespielt wird in der dänischen Hauptstadt im Parken-Stadion des FC Kopenhagen und nicht in der Arena seines Ex-Clubs und Lokalrivalen Bröndby IF.
Die 600.000-Einwohner-Stadt zählt zu den schönsten Hauptstädten Europas und ist bei Touristen sehr beliebt. Die Lage am Meer, ein beispielhaftes Fahrradwege-Netz und die vielen kleinen bunten Häuser am Hafen machen sie so attraktiv. Mit dem Vergnügungspark Tivoli und dem Königsschloss Amalienborg liegen zwei der Hauptsehenswürdigkeiten zudem mitten in der Stadt.
Die Kopenhagener haben mit dem sensationellen Titelgewinn 1992 und dem spektakulären Halbfinal-Einzug 1984 zwar schon mehrere EM-Partys feiern können. Spiele einer Fußball-EM oder -WM finden in diesem Jahr aber zum ersten Mal in Dänemark statt.
AMSTERDAM/NIEDERLANDE: Heimspiele des Oranje-Teams sind in den Niederlanden Festtage. Schon Stunden vor den Partien ziehen die Fans normalerweise ganz in orange gekleidet durch die Straßen, begleitet von viel Musik und bester Laune. Dass Corona dies auch ein Jahr nach der Verlegung der EM noch unmöglich macht, trifft die Niederlande sicher ganz besonder hart. Immerhin hat die Regierung die Beschränkungen soweit gelockert, dass 12.000 Zuschauer in die Amsterdam Arena dürfen.
In dem nach der niederländischen Fußball-Legende Johan Cruyff benannten Stadion bestreitet die Elftal ihre drei Vorrundenspiele. Zudem findet hier ein Achtelfinale statt. Normalerweise absolviert in der 55.500 Zuschauer fassenden Arena der niederländische Rekordmeister Ajax Amsterdam seine Heimspiele, der gerade erst seine nächste Meisterschaft unter Dach und Fach brachte.
Die rund 870.000 Einwohner große Stadt ist bekannt für ihre Grachten und Kanäle. Der historischen Stadtkern lockt normalerweise jährlich Millionen Touristen nach Amsterdam, die die lockere und internationale Atmosphäre genießen. Als das Oranje-Team 2010 in Südafrika Vize-Weltmeister wurde, empfingen Tausende Fans die Elftal mit einer begeisternden Grachten-Tour. Kommt das Team auch bei dieser EM weit, könnte es zumindest eine abgespeckte Version geben.
BAKU/ASERBAIDSCHAN: Mehr als 3000 Kilometer östlich des deutschen EM-Spielorts München gilt die aserbaidschanische Metropole Baku als wohl exotischste Gastgeberstadt des Turniers. Das 2015 eröffnete Nationalstadion in dem Ort am Kaspischen Meer ist Heimstätte der Nationalmannschaft der Kaukasusrepublik. In der EM-Vorrunde spielen in der Arena die Türkei, die Schweiz und Wales gegeneinander, dazu kommt ein Viertelfinale. 2019 besiegte der FC Chelsea den Londoner Stadtrivalen FC Arsenal im Europa-League-Finale in Baku mit 4:1.
Zu den EM-Spielen soll das Stadion mit jeweils bis zu 35.000 Fans halbvoll sein. Ex-Bundestrainer Berti Vogts arbeitete von 2008 bis 2014 übrigens als Coach der Nationalmannschaft in Baku. Das historische Zentrum der Stadt mit rund 2,2 Millionen Einwohnern hat seit 2000 den Status eines Unesco-Welterbes. Paläste, Moscheen und Festungsbauten stehen neben den Glitzerfassaden der Neuzeit.
Politisch passt die EM-Gastgeberrolle ins Konzept der autoritären Führung von Aserbaidschan. Seit Jahren nutzt die Ex-Sowjetrepublik die Einnahmen aus dem Öl- und Gasgeschäft, um mit Großereignissen Imagepflege zu betreiben. Vor dem EM sorgten bereits der Eurovision Song Contest (ESC) und die Formel 1 für schöne Bilder aus Baku. Kritiker wie die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) beklagen aber das Fehlen demokratischer Prinzipien.
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