Wenigstens auf die deutsche Giro-Hoffnung Lennard Kämna ist Verlass. Mit seinem Etappensieg bei der Tour of the Alps hat der hochbegabte Radprofi aus dem Norden den Härtetest für die in zwei Wochen beginnende Italien-Rundfahrt bestanden. Kämna zählt – mal wieder – zu den immer weniger werdenden Lichtblicken aus deutscher Sicht in dieser Saison.
Wenn am Sonntag die Serie der Frühjahrsklassiker mit der 109. Auflage von Lüttich-Bastogne-Lüttich zu Ende geht, steht das Duell der Jahrhundert-Talente Tadej Pogacar und Remco Evenepoel im Blickpunkt. Beim Aufeinandertreffen des zweimaligen Tour-de-France-Siegers aus Slowenien und des belgischen Straßen-Weltmeisters bleibt für den Rest wohl nur die Statistenrolle, auch für die kleine deutsche Fraktion um Maximilian Schachmann.
Schachmann kämpft um Anschluss
Noch vor vier Jahren war der gebürtige Berliner bei La Doyenne, dem ältesten Eintagesrennen der Welt, auf das Podest gefahren. Doch daran ist dieses Mal nicht zu denken. Schachmann kam auch in diesem Frühjahr nach diversen Infekten nicht auf Touren und kämpft weiter um den Anschluss. Das passt ins Bild, das die deutschen Radprofis derzeit abgeben: Krankheiten, Formschwäche oder Sturzpech wie bei Altstar John Degenkolb zuletzt beim Kopfsteinpflaster-Klassiker Paris-Roubaix. Ganze vier deutsche Siege wurden in diesem Jahr gezählt. Zum Vergleich: Pogacar feierte am Mittwoch beim Flèche Wallonne schon seinen zwölften Erfolg in 2023.
«Ich weiß nicht, ob es eine deutsche Mentalitätssache ist. Jeder hat seine eigene Geschichte, aber Fakt ist, dass die Deutschen schon einmal besser waren», sagte Teamchef Ralph Denk vom deutschen Bora-hansgrohe-Rennstall der Deutschen Presse-Agentur. Der Bayer ist alles andere als zufrieden mit dem derzeitigen Abschneiden. «Wenn die teuren Leistungsträger nicht performen, weil sie krank sind, tut es uns doppelt weh. Dann kommt noch hinzu, dass wir uns erhofft haben, dass von einem Nils Politt oder einem Emanuel Buchmann ein Stück weit mehr Performance da ist.» Politt, einst Zweiter bei Paris-Roubaix, und der frühere Tour-de-France-Vierte Buchmann fahren ihrer Bestform hinterher.
Denk: «Es ist einfach ein Radrennen-Sterben da»
Der Negativtrend deutet sich schon seit geraumer Zeit an. Schon 2022 war mit 29 deutschen Erfolgen das schlechteste Jahr seit der Jahrtausendwende. Vorbei sind die Zeiten, als Marcel Kittel, André Greipel oder Tony Martin die deutschen Fans mit Siegen am Fließband verwöhnten. Bereits im vergangenen Sommer bei der Tour de France hatte Routinier Simon Geschke, der damals neun Tage im Bergtrikot unterwegs war, Alarm geschlagen. «Das ist keine schöne Entwicklung», sagte der inzwischen 37-Jährige. «Nach den großen Skandalen sind die Nachwuchsrennen in Deutschland alle weggefallen. Als deutscher Nachwuchsfahrer ist es superschwer, den Sprung ins Profigeschäft zu schaffen.»
Dem pflichtet Denk bei: «Es ist einfach ein Radrennen-Sterben da. Da kämpft auch der BDR (Bund Deutscher Radfahrer) gegen die Politik. Die Genehmigungsverfahren sind massiv komplex. Schlussendlich muss die Politik selbst in den Spiegel schauen und sich fragen: Wollen wir Radsport-Medaillen?» Der Teamchef ist nicht nur erfolgreicher Unternehmer, sondern auch ehrenamtlich als Organisator von Nachwuchs- und Amateurrennen tätig und kennt die alltäglichen Probleme.
Während in Ländern wie Belgien fast an jedem Wochenende zahlreiche Renntage sind, ist es in Deutschland überschaubar geworden. Die Corona-Pandemie hat die Entwicklung noch verschärft. Auch im Profibereich sind viele Rennen im Vergleich zu Zeiten von Jan Ullrich wie die Bayern- oder die Niedersachsen-Rundfahrt eingestellt worden. Die Deutschland Tour wurde erst vor einigen Jahren auf kleinerem Niveau wiederbelebt.
Für Denk ist es ein Hoffnungsschimmer, wenn Erfolge wie der Junioren-Weltmeistertitel von Emil Herzog im vergangenen Jahr in Australien herausspringen. So hat übrigens Kämna vor ein paar Jahren auch mal angefangen.
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