23. November 2024

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Dänen halten zusammen: «Wir werden für Christian spielen»

Ein erster dänischer Spieler hat den bei der Fußball-EM zusammengebrochenen Christian Eriksen im Krankenhaus besucht. Das hilft bei der Verarbeitung der traumatischen Erlebnisse.

Wie schöpft man nach dem bislang größten Drama dieser Fußball-EM die nötige Kraft für noch mindestens zwei schwere Spiele?

Das ist eine der Herausforderungen, vor der die dänische Mannschaft kurz nach der Wiederbelebung ihres wichtigsten Spielers Christian Eriksen und kurz vor dem Heimspiel gegen den Gruppenfavoriten Belgien (Donnerstag, 18.00 Uhr/ZDF und MagentaTV) steht. Am Montag klangen zumindest drei Spieler dabei sehr entschlossen: «Wir werden für Christian spielen und für alle, die uns unterstützt haben», sagte der ehemalige Bayern-Profi Pierre-Emile Höjbjerg im EM-Quartier in Helsingör bei Kopenhagen.

Schmeichel besucht Eriksen

Es war das erste Mal seit Eriksens Zusammenbruch, dass in den Führungsspielern Kasper Schmeichel (Leicester City), Martin Braithwaite (FC Barcelona) und eben Höjbjerg (Tottenham Hotspur) nicht mehr nur der Trainer oder der Mannschaftsarzt vor die Kameras traten. Torwart Schmeichel bestätigte dabei, seinen kollabierten Teamkollegen bereits am Sonntag im Krankenhaus besucht zu haben. «Ich fühle mich jetzt deutlich besser als am Samstag. Es war toll, Christian zu sehen», sagte der 34-Jährige dem Sender TV2.

Dass Eriksens Zustand weiter «stabil und gut» (Medienchef Jakob Höyer) ist, dass seine Mitspieler regelmäßig Kontakt mit ihm haben und dass der 29 Jahre alte Spielmacher von Inter Mailand bei solchen Gelegenheiten auch schon wieder Witze macht und «guter Stimmung ist», wie sein Berater Martin Schoots der «Gazzetta dello Sport» verriet: All das hilft den Dänen bei der Verarbeitung ihrer traumatischen Erlebnisse am Samstagabend bei ihrem EM-Auftakt gegen Finnland (0:1).

«Für Christian Fußball zu spielen»

«Ich weiß, dass Dänemark dafür steht, dass wir in Widrigkeiten zusammenstehen. Und ich habe keine Zweifel, dass die Menschen am Donnerstag im Parken Stadion etwas Besonderes sehen werden», sagte Stürmer Braithwaite mit Blick auf das schwierige Belgien-Spiel. «Darauf freue ich mich und werde es auf jeden Fall als Motivation nutzen, um für Christian Fußball zu spielen.»

Die Dänen halten zusammen: Das war schon die Botschaft, als sie am Samstag auf dem Spielfeld einen Sichtschutz um ihren regungslos am Boden liegenden Teamkollegen bildeten. Und das tun sie auch jetzt, wenn es um die Aufarbeitung dieses Abends geht. Alle drei Spieler bedankten sich bei den Fußballern und Fans weltweit, die nach dem Zusammenbruch von Eriksen ihre Anteilnahme in den Sozialen Medien ausdrückten. Und alle drei Spieler übten auch deutliche Kritik an dem europäischen Verband UEFA, weil das Spiel gegen Finnland (0:1) trotz des Schocks noch am selben Abend fortgesetzt wurde.

Schmeichel hinterfragt Fairness

«Wir Spieler wurden in eine Position gebracht, die ich nicht für fair halte», sagte Schmeichel. Nachdem klar war, dass Eriksen seinen Herzstillstand überlebt hat und bei Bewusstsein in ein Krankenhaus gebracht wurde, habe die UEFA beide Teams vor die Wahl gestellt: Entweder das Spiel wird sofort oder am Sonntagmittag fortgesetzt. «Man hätte warten sollen, um eine Entscheidung zu treffen», sagte der Torwart. Braithwaite sieht das genauso: «Keine der beiden Möglichkeiten war gut. Wir haben die am wenigsten schlechte gewählt. Viele Spieler waren nicht in der Lage, zu spielen», sagte er.

Die UEFA betonte, sicher zu sein, die Angelegenheit «mit größtem Respekt» vor der Situation und den Spielern behandelt zu haben. Es sei erst beschlossen worden, das Spiel am selben Abend fortzusetzen, nachdem dies von beiden Team beantragt worden sei. Die Tatsache, dass die Spieler 48 Stunden Pause zwischen zwei Partien benötigen, habe andere Optionen für eine Verlegung ausgeschlossen.

Vor den Spielern hatten am Wochenende bereits Trainer Kasper Hjulmand und mehrere dänische Fußball-Legenden wie Schmeichels Vater Peter die UEFA attackiert. Verstärkt wird der Unmut auf den europäischen Verband noch dadurch, dass er es am Samstagabend so darstellte, als sei es der Wunsch beider Mannschaften, weiterzuspielen. «Ich hoffe, dass die UEFA daraus etwas lernt», sagte Schmeichel.

Von Sebastian Stiekel, dpa