Als Willkommensgeschenk vom Hotel gab es rote Pfingstrosen, die Veranstalter der French Open begrüßten Alexander Zverev dagegen mit einem Hammer-Los: Der Olympiasieger startet in seine Titelmission in Paris gegen keinen Geringeren als Rekordchampion Rafael Nadal. Das ergab die Auslosung am Donnerstagnachmittag.
Für Zverev ist es Chance und Risiko zugleich. Der Hamburger kann mit einem Erstrunden-Sieg dem Spanier nicht nur dessen Abschied vom Lieblingsturnier vermiesen, sondern auch seine eigenen Ambitionen auf den ersten Grand-Slam-Titel seiner Karriere untermauern. Auf der anderen Seite ist ein Auftaktmatch gegen den Sandplatzkönig und Publikumsliebling die denkbar schwerste Aufgabe, die Zverev erwischen konnte.
Beide standen sich im Stade Roland Garros bereits im denkwürdigen Halbfinale vor zwei Jahren gegenüber, als Zverev gegen Ende des zweiten Satzes umgeknickt war und sich eine schwere Knöchelverletzung zugezogen hatte.
Für Nadal ist es sehr wahrscheinlich der letzte Auftritt bei seinem absoluten Lieblingsturnier. Der 37 Jahre alte Spanier plagt sich immer wieder mit Verletzungen herum und hat angekündigt, dass 2024 wohl sein letztes Jahr auf der Tennis-Tour sein wird. Als bestes Sandplatz-Ergebnis hat Nadal, der wegen seiner vielen Verletzungen in Paris dieses Mal nicht gesetzt ist, in diesem Jahr bislang das Achtelfinale beim Masters-1000-Turnier in Madrid zu Buche stehen.
Beim Masters-1000-Event in Rom war die frühere Nummer eins der Welt zuletzt bereits in der zweiten Runde klar in zwei Sätzen am Polen Hubert Hurkacz gescheitert. Zverev hatte das Turnier in der italienischen Hauptstadt gewonnen und damit eine perfekte Generalprobe für Paris gefeiert. Die deutsche Nummer eins strebt in Paris seinen ersten Grand-Slam-Titel an.
Becker und Petkovic sind zuversichtlich
«Die letzten zwei Jahre waren sehr schwierig», sagte Zverev, der nach seiner Fußverletzung lange um den Anschluss an die Weltspitze kämpfte. «Ich wusste nicht, ob ich jemals wieder auf dieser Bühne spielen kann.» Die Antwort gab er sich mit seinem Masters-1000-Triumph vergangenen Sonntag in Rom selbst. In italienischen Zeitungen wurde er als «Alexander der Große» gefeiert. Folgt nun in Paris die Krönung?
«Die Sterne stehen extrem gut» – mit diesen Worten hatte Deutschlands Tennis-Ikone Boris Becker seinem Nachfolger schon vor Monaten ein erfolgreiches Tennisjahr 2024 vorausgesagt. Angesichts von Zverevs Topform und der schwächelnden Konkurrenz sind die Chancen nochmals gestiegen.
«Es ist immer ein bisschen unfair, weil es den Druck auf ihn erhöht, dass er unbedingt gewinnen muss», sagte Ex-Spielerin Andrea Petkovic bei Sky: «Ich würde eher sagen: Er kann.» In bester Barack-Obama-Manier warf Petkovic dem Hamburger vor laufender Kamera auch ein motivierendes «Yes, you can!» zu.
Berechtigte Hoffnungen auf ein Erreichen der zweiten Turnierwoche in Roland Garros macht sich auch Jan-Lennard Struff nach seinem ATP-Sieg in München auf Sand. Bei den Frauen will die frühere Weltranglistenerste Angelique Kerber bei ihrem zweiten Grand-Slam-Turnier nach der Rückkehr aus ihrer Babypause deutlich besser abschneiden als beim Erstrunden-Aus bei den Australian Open. Doch realistische Titelchancen hat aus deutscher Sicht nur Zverev. Auch wenn das Nadal-Los ein Hammer ist.
Zverevs Konkurrenten schwächeln
Dies drückt sich auch in der Weltrangliste aus, in der der 27-Jährige erstmals seit seiner schweren Fußverletzung wieder in die Top-4 vorgerückt ist. Angenehmer Nebeneffekt: Dadurch geht er mindestens bis zum Halbfinale den drei anderen großen Turnierfavoriten Novak Djokovic, Jannik Sinner und Carlos Alcaraz aus dem Weg – sofern überhaupt alle starten.
Alle drei hatten wie Nadal zuletzt mit Verletzungen zu kämpfen. Klar ist: Zverev will seine Chance nutzen und scheut dafür kein Risiko. Er wolle sein «aggressivstes Tennis spielen», betonte er.
Wie macht sich der Prozessbeginn bemerkbar?
Was spricht gegen ihn? Womöglich könnte der während der French Open am 31. Mai angesetzte Beginn des Prozesses wegen des Vorwurfs der Körperverletzung vor dem Amtsgericht Tiergarten in Berlin seine Konzentration beeinflussen. Schon während der Australian Open war das Thema von internationalen Medien aufgegriffen und auch Zverevs Kontrahenten dazu befragt worden. Damals hatte er sich davon nach eigener Aussage nicht abgelenkt gefühlt.
Zverev soll eine Geldstrafe von 450.000 Euro (90 Tagessätze zu je 5000 Euro) wegen Körperverletzung zahlen. Er weist den Vorwurf jedoch zurück und hat Einspruch eingelegt. Ihm wird zur Last gelegt, im Mai 2020 in Berlin bei einem Streit eine Frau körperlich misshandelt zu haben. Die mutmaßlich Geschädigte tritt in dem Verfahren als Nebenklägerin auf. Zverev muss selbst nicht vor Gericht erscheinen. Bis zu einer rechtskräftigen Verurteilung gilt für Zverev die Unschuldsvermutung.
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