Vor dem wohl schwersten Gang seiner bisherigen Trainerkarriere wirkt Marco Rose erstaunlich gelassen. Auch die vielen Fragen nach seiner brisanten Rückkehr an die alte Wirkungsstätte in Mönchengladbach locken den Dortmunder Fußball-Lehrer nicht aus der Reserve.
«Ich versuche, die Geschichten, die drum herum entstehen, für mich nicht aufkommen zu lassen. Damit fahre ich ganz gut. Ich konzentriere mich auf das Wesentliche», kommentierte Rose vor dem Duell am Samstag (18.30 Uhr/Sky) betont gelassen.
Doch bei aller Professionalität dürfte Rose die Partie mit einem mulmigen Gefühl angehen. Auf einen mehr als ungemütlichen Empfang bereitete ihn am Donnerstag auch sein bisheriger Weggefährte Max Eberl vor. «Der Fußballjargon ist manchmal auch unterste Schublade. Das wird man nicht gänzlich verhindern können», sagte der Sportchef der niederrheinischen Borussia. «Das Spiel Gladbach gegen Dortmund ist immer brisant. Jetzt hat es noch mehr Brisanz. Ich verstehe auch die Fans, die wahrscheinlich ihren Unmut zeigen wollen.»
Eberl hielt an Rose fest
Größere Sicherheitsvorkehrungen als sonst soll es nicht geben. Eberl sieht auch keinen Anlass, im Vorfeld auf Fan-Vertretungen einzuwirken. «Es herrscht Meinungsfreiheit. Die werden wir auch nicht verbieten», sagte Eberl, der im Frühjahr an Rose festhielt, obwohl die Gladbacher nach dessen Ankündigung, zum BVB zu wechseln, sportlich abstürzten und den Europapokal verpassten.
«Ich gehe von einem gellenden Pfeifkonzert und Schmährufen gegen ihn aus», sagte Michael Weigand von der Gladbacher Fanvertretung «Supporters Club» in der «Sport Bild». Mit deutlichen Worten verwies er auf die anhaltende Wut: «Wir Fans haben gemerkt, dass wir von ihm hinters Licht geführt und von ihm verarscht wurden.»
Anders als in der vergangenen Saison mit dem coronabedingten Zuschauerausschluss bietet sich den Fans nun Gelegenheit, dem Ärger im Stadion Luft zu verschaffen. Nach ihrer Einschätzung trug Roses Entscheidung, von seiner Ausstiegsklausel Gebrauch zu machen und Mitte Februar seinen Wechsel zum Saisonende Richtung Dortmund bekannt zu geben, maßgeblich zur sportlichen Talfahrt bei.
Rose gibt sich cool
Besonders übel nahmen es die Fans, dass Rose stets erklärt hatte, in Gladbach langfristig etwas aufbauen zu wollen. Erste Ansätze waren vielversprechend. In seinem Debüt-Jahr führte der einstige Salzburger Coach Gladbach in die Champions League und später gar in das Achtelfinale des lukrativen Wettbewerbs. Die famosen Auftritte schürten den Traum vom ersten Titel seit dem DFB-Pokalsieg 1995.
Rose sieht die Trennung weniger emotional: «Wie es im Fußball ist. Das hat man oft, dass man gegen einen Ex-Verein spielt. Dann geht es vor allem darum, dass man für seinen neuen Verein das Bestmögliche rausholt. Das sind für uns drei Punkte.»
Der schwache Start der Gladbacher in die neue Saison unter der Regie von Rose-Nachfolger Adi Hütter mit nur vier Zählern aus fünf Spielen trug auch nach Monaten nicht zu einem milderen Urteil der Fans über den ehemaligen Coach bei. Genauso wenig wie die Tatsache, dass Rose mit einem Schnitt von 1,68 Punkten nur von den beiden Club-Legenden Hennes Weisweiler und Udo Lattek überboten wurde.
Unterstützung durch Hofmann
Mehr Verständnis für die damalige Entscheidung des Trainers äußerte dagegen Jonas Hofmann. Via «Bild» startete der Nationalspieler einen Versuch, die Wogen zu glätten: «Ich finde, Marco Rose hat keine Pfiffe verdient!» Eberl appellierte zudem an die Fans, sich nicht in einem «Kleinkrieg» zu verlieren. Angesichts des Saison-Fehlstarts benötigt seine Borussia dringend die Wende. Gladbach-Coach Hütter ist daher auch mehr mit sich und dem Team als der Rose-Rückkehr beschäftigt. «Es spielt Borussia Mönchengladbach gegen Borussia Dortmund. Ich brauche keine zusätzliche Motivation über Marco. Das macht doch keinen Sinn», sagte Hütter.
Die wachsende Zuneigung in Dortmund nach vier Siegen in den ersten fünf Ligapartien tröstet Rose ein wenig über die kritische Haltung des Gladbacher Anhangs hinweg. Beim ersten öffentlichen Training des BVB am Mittwoch seit Beginn der Corona-Krise wurde er von den 550 Besuchern mit warmen Applaus und «Marco»-Rufen empfangen.
Der schwache Saisonstart der Gladbacher kann den Respekt des Trainers vor seinem ehemaligen Team nicht schmälern: «Diese Mannschaft ist an guten Tagen in der Lage, jeden in der Bundesliga zu schlagen.»
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