24. November 2024

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Bronze-Party mit Sekttrinker Nowitzki: DBB-Team krönt EM

Das Medaillenziel ist erfüllt: Deutschlands Basketballer gewinnen bei der Heim-EM Bronze und beenden eine lange Durststrecke. Ex-Kapitän Benzing ist als Fan dabei und wird nach Spielende gefeiert.

Superstar Dirk Nowitzki gönnte sich nach dem vollbrachten Bronze-Coup ein Glas Sekt, Anführer Dennis Schröder zog es direkt zu seinem ausgemusterten Vorgänger Robin Benzing: Die deutschen Basketballer haben bei der Heim-EM eine Medaille erobert und damit eine 17 Jahre lange Flaute beendet.

Direkt nach dem 82:69 (36:23)-Erfolg über Außenseiter Polen begann in der gut besuchten Arena in Berlin die Party. «Das ist richtig geil. Ich glaube, es ist schön, dass wir uns belohnt haben für tolle sechs, sieben Wochen. Es hat richtig Spaß gemacht», sagte NBA-Jungstar Franz Wagner zum Coup.

Mit 26 Punkten führte Schröder den Gastgeber zu Bronze und damit zum ersten Podiumsplatz seit 2005, als Nowitzki und Co. in Serbien Silber gewannen. Der 29 Jahre alte Spielmacher stand im Zentrum der überschwänglichen Feierlichkeiten, richtete aber direkt Worte des Dankes an Vorgänger Benzing.

Schröder will Benzing Medaille schenken

«Er ist der wirkliche Kapitän. Eigentlich müsste er diese Medaille bekommen», sagte Schröder. «Wahrscheinlich werde ich ihm meine geben.» Der im August aussortierte Routinier war zum kleinen Finale in die Arena gekommen und wirkte nach Spielschluss wie ein fester Teil des Teams.

«Ich bin sehr, sehr stolz auf die Jungs. Sie sind alle gewachsen und gereift. Wie meine Kinder, sehr stolz bin ich auf sie», lobte Benzing. Ihre Medaillen erhielten die Deutschen unmittelbar und noch vor dem Finale. Schröder drehte im Anschluss eine Ehrenrunde auf der Pressetribüne, warf seine Socken ins Publikum, unterschrieb Trikots und Schals von kreischenden Fans. «Keiner hätte das gedacht. Was wir da geliefert haben, das hätte keiner gedacht», sagte Schröder nach seinem größten Erfolg im Nationaltrikot. Bronze fühle sich im ersten Moment noch «ziemlich schwer» an.

EM-Gold durften sich wieder einmal die Spanier um den Hals hängen.  Angeführt von Juancho Hernangomez (27 Punkte) gewann der Weltmeister das Endspiel am Abend mit 88:76 gegen den Olympia-Zweiten Frankreich, es war der vierte Titel nach 2009, 2011 und 2015. Als Trost, nicht im Endspiel gestanden zu haben, blieb den Deutschen die Gratulation von Bundeskanzler Olaf Scholz. ««Glückwunsch, Team @DBB_Basketball – Ihr seid die Größten», schrieb der SPD-Politiker am Sonntagabend bei Twitter. Es sei «ein tolles Turnier» für Deutschland gewesen.

Franz Wagner: «The sky is the limit»

Schröders Teamkollege und Freund Daniel Theis hatte den Coup auf dem Parkett mit seinen Kids und dem offiziellen Maskottchen gefeiert. Auf dem Podium kam das gesamte Team für ein Jubelfoto zusammen, bevor sich die Bronze-Helden mit ihren Medaillen um den Hals euphorisch in die Kabine verabschiedeten. «Wir hatten auf ein bisschen mehr gehofft, aber ich denke, wir können super zufrieden und super stolz sein. Die Medaille gehört ein bisschen auch Robin», sagte Andreas Obst mit Bezug auf Ex-Kapitän Benzing. Wagner meinte frech: «The sky is the limit.» Die WM 2023 in Japan, Indonesien und auf den Philippinen wird das nächste große Ziel für das Bronze-Team.

Das neunte deutsche EM-Spiel in 18 Tagen war über weite Strecken von Kampf und Krampf geprägt, doch das war am Ende egal. Vor offiziell 12.913 Zuschauern wirkten vor allem die Polen ausgezehrt und überspielt. Deutschland hatte anfangs trotzdem Mühe und kam erst kurz vor der Halbzeit richtig in Schwung.

Anders als bei den Basketball-Festabenden gegen Griechenland (107:96) im Viertelfinale und Spanien (91:96) im Halbfinale wirkte die Stimmung in der Arena während des Spiels etwas gedämpfter. Dabei war in den vergangenen Tagen ein Stück Basketball-Euphorie in Deutschland aufgekommen – auch, weil RTL ab dem Viertelfinale alle drei deutschen Spiele im Free-TV übertrug.

Gordon Herbert mit großem Anteil am Medaillencoup

Der Medaillencoup in seinem ersten Turnier ist Bundestrainer Gordon Herbert hoch anzurechnen. «Ich trinke vielleicht ein Bier», sagte der 63-Jährige, der seit dem Amtsantritt vor einem Jahr mit vielen Widrigkeiten zu kämpfen hatte. Die WM-Quali bestritt er mit einem B-Team, auch für die Heim-EM fehlten feste Bestandteile wie Maxi Kleber, Moritz Wagner oder Isaiah Hartenstein. Doch Schröder trug das funktionierende Kollektiv bis ins Halbfinale und damit weiter als die NBA-Stars Nikola Jokic (Serbien), Luka Doncic (Slowenien) und Giannis Antetokounmpo (Griechenland) ihre zu Beginn deutlich höher gehandelten Teams.

Um fröhlich und stolz aus der EM zu gehen, musste aber auch das kleine Finale gewonnen werden. Chefcoach Herbert setzte wieder auf das gleiche Personal, das am Freitagabend noch knapp gegen Spanien verloren hatte. «Wichtig war nicht nur die physische Erholung, sondern auch die mentale», sagte Herbert. Die Niederlage im Halbfinale hatte er sich auch selbst angelastet.

Benzing: «Da kam Pipi in meine Augen»

Das Spiel gegen Polen war zunächst von vielen Unkonzentriertheiten und Fehlern geprägt. Sinnbildlich stand ein freier Dunk von NBA-Profi Theis, der den Ball nicht in den Korb, sondern leichtfertig auf den Ring setzte. Auch der zuvor im Turnier so starke Kapitän Schröder brauchte etwas Anlaufzeit, war aber mit zwölf Zählern zur Halbzeit schon wieder Deutschlands Top-Werfer – und am Ende überragend.

Sein Vorgänger Benzing saß in Reihe eins und klatschte bei guten Aktionen immer wieder. «Die Jungs haben mich alle begrüßt vor dem Spiel, da kam Pipi in meine Augen», sagte der 33-Jährige in der Halbzeit bei Magentasport. Die im August vorgenommene Aussortierung verlief nicht friedlich, doch pünktlich zum Medaillenspiel war Benzing wieder da – zumindest als Zuschauer und Fan. Er sei natürlich enttäuscht gewesen, habe aber alle Spiele geguckt, fügte Benzing an.

Nun konnte er jubeln. «Wir haben es irgendwie hingekriegt, dass wir eine Einheit waren, egal, was passiert ist. Das kann der Anfang sein für größere Sachen, aber die bronzene schmeckt sehr, sehr gut», sagte Co-Kapitän Johannes Voigtmann. Einen Schreck im letzten Viertel, als es nochmal 59:59 stand, überstanden die Deutschen, dann konnte die Party beginnen. «Das hätte ich mir selber so nie erträumen lassen, dass ich mit Medaille dastehe», sagte Dreierspezialist Obst.

Von Patrick Reichardt und Lars Reinefeld, dpa