24. November 2024

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Boxverband mit Kremlew und Gazprom in der Klemme

Der Boxweltverband IBA behält seinen russischen Präsidenten und auch Sponsor Gazprom. Einerseits gibt es deutliche Fortschritte im Verband, andererseits das Russland-Problem. Die olympische Zukunft des Boxens steht auf dem Spiel.

Der Boxweltverband IBA steckt in einer bösen Klemme und weiß nicht, ob er eine Zukunft hat. Grund ist die Wiederwahl des russischen Präsidenten Umar Kremlew für die nächsten vier Jahre und das damit verbundene Festhalten an Hauptsponsor Gazprom.

Schon allein der Wahlakt in Istanbul hat Kritiker auf den Plan gerufen. Kremlew wurde als einziger Kandidat per Akklamation in seinem Amt bestätigt. Der einzige Gegenkandidat, der Niederländer Boris van der Vorst, war zwei Tage zuvor von einer unabhängigen Überprüfungskommission als nicht wählbar eingestuft und damit nicht zur Wahl zugelassen worden. Eine Abstimmung per Akklamation ist laut Statuten rechtmäßig, wenn es keinen Gegenkandidaten gibt.

Ungewisse Zukunft

Die Zukunft IBA, die früher mal AIBA hieß, aber das Wort Amateure aus ihrer Verbandsbezeichnung strich und sich stattdessen olympisches Boxen nennt, steht auf dem Spiel. Das Internationale Olympische Komitee (IOC) drohte bereits, Boxen bei den Spielen 2028 in Los Angeles zu streichen, falls es keine Reformen im Verband gebe.

Vor dem Hintergrund des russischen Krieges in der Ukraine verschärft die Wiederwahl Kremlews das IBA-Problem, während im Weltsport Russland isoliert und die Trennung von russischen Oligarchen und Sponsoren vorangetrieben wird. Das werde «Fragen und Zweifel an der Führung der IBA verstärken», ließ das IOC nun mitteilen. 2019 hatte die Weltregierung des Sports die IBA suspendiert. Gründe waren Manipulationen von Kampfurteilen, undurchsichtige Finanzgebaren und zwielichtige Führungspersönlichkeiten wie der Usbeke Gafur Rachimow, dem internationale Drogenschäfte nachgesagt wurden.

Die IBA lechzt nach Rettern. Mit dem Geld von Gazprom sind die auf 16 Millionen Euro taxierten Schulden des Verbandes getilgt worden. Neuerdings werden bei Weltmeisterschaften Prämien gezahlt. 2,4 Millionen Euro erhalten die Medaillengewinnerinnen in zwölf Gewichtsklassen bei der gegenwärtig laufenden Frauen-WM in Istanbul. Die 204 nationalen Boxverbände erhalten finanzielle Unterstützung.

Mit der neuen Satzung unter Mitwirkung international geachteter Rechtswissenschaftler, der Einbeziehung von Chefermittler Richard McLaren und seinem Team zur Aufarbeitung von Rechtsbrüchen einerseits und für die Überprüfung und Nominierung von unbestechlichen Kampfrichtern andererseits sowie der Verpflichtung des weltweit renommierten Wirtschaftsprüfungsunternehmens Pricewaterhouse Cooper für eine transparente Finanzpolitik sind wesentliche Forderungen des IOC erfüllt worden. Ex-Präsident Rachimow ist längst entmachtet, der alte Vorstand mit 28 Funktionären wurde am Samstag beim Wahlkongress abgelöst und durch unbelastete Kandidaten, überprüft von einer internationalen Kommission, ersetzt.

Keine Reaktion vom IOC

«Offiziell hat sich niemand vom IOC zu Kremlew geäußert. Wir wollen endlich klare Aussagen. Hätte das IOC klipp und klar gesagt: Wählt ihr wieder Kremlew, bleibt Boxen suspendiert und wird nicht gefördert, hätte Kremlew keine Stimme gekriegt», sagte Michael Müller, Sportdirektor des Deutschen Boxsport-Verbandes.

An der verfahrenen Situation trägt das IOC Mitschuld. Jahrelang ließ man den im IOC als ehrenwert hofierten Ex-Präsidenten Wu Ching-Kuo schalten und walten. Unter Führung des Taiwaners sollen bis zu 30 Millionen Dollar an Schulden angehäuft worden sein. Die AIBA war pleite, Sponsoreneinnahmen und IOC-Gelder unauffindbar.

Seit drei Jahren ist der Verband suspendiert, muss sich Geldgeber suchen, um überleben zu können. Die Sponsoren stehen nicht Schlange. Das IOC hat rund 30 Millionen Dollar eingefroren, die der IBA aus den vergangenen olympischen Zyklen zustehen. Würde das Geld freigegeben, brauchte der Verband Gazprom nicht. «Wir haben jetzt eine der besten Satzungen der Welt, wir haben überall neue Köpfe, wir haben ein Top-Kampfrichtersystem, wir lassen uns von außen überwachen. Man muss doch die Fortschritte anerkennen», sagte Müller.

Von Franko Koitzsch, dpa