Volltreffer aus 70 Metern! Es musste die Zehn für die Olympia-Medaille sein und Bogenschützin Lisa Unruh lieferte sie in Perfektion ab.
Nach dem entscheidenden Schuss sprang die Berlinerin mit dem weißen Fischerhut ihren Teamkolleginnen Michelle Kroppen, Charline Schwarz und der Damen-Bundestrainerin Natalia Butuzova jubelnd in die Arme. Nach 21 Jahren gewannen die deutschen Bogenschützinnen bei den Olympischen Spielen in Tokio Bronze und sorgten damit für die erste Team-Medaille seit Sydney 2000.
«Überwältigend! Arschbacken zusammen, Bäääm! Es war geil», schwärmte Unruh nach dem klaren 5:1 (55:48, 53:51, 55:55)-Sieg gegen Belarus im kleinen Finale bei fast 35 Grad Celsius Hitze im Yumenoshima Park. «Ich habe mir die Team-Medaille so gewünscht. Es ist so schön, zusammen zu siegen und sich zu freuen. Es ist genau das, was ich mir erträumt habe», sagte Unruh, die bereits bei ihrer Olympia-Premiere in Rio 2016 Silber im Einzel geholt hatte.
Zur Feier des Tages Karten spielen
«Wir gönnen es uns heute richtig und spielen Karten», scherzte die 33-Jährige auf die Frage nach den folgenden Feierlichkeiten. Ihre Teamkollegin Michelle Kroppen wollte sich lieber spontan überraschen lassen. «Mal sehen was passiert, wenn wir nachher ins Dorf kommen. Vielleicht werden wir noch von jemanden gut empfangen. Aber wir haben nichts Großes vor, wir sind ja noch im laufenden Wettbewerb», sagte die 25-Jährige aus Jena.
Charline Schwarz, mit 20 Jahren die jüngste Bogenschützin des Teams freute sich besonders über das Vertrauen ihrer erfahrenen Kolleginnen: «Ich wusste, das ich Teamschießen kann und die anderen wussten das auch», sagte die Athletin aus Feucht.
Alle drei Bogenschützinnen waren glänzend aufgelegt. Nach einem 6:2 (55:54, 47:54 52:49, 55:50) gegen Taiwan sorgten Unruh und Co. mit einem deutlichen 6:2 (52:48, 51:48, 49:54, 55:49) gegen die favorisierten Mexikanerinnen im Viertelfinale für eine Überraschung. Beim 1:5 (54:54, 48:51, 52:57) gegen die russischen Bogenschützinnen im Halbfinale war es aber ausgerechnet Unruh, die im vorentscheidenden zweiten Satz patzte. Statt der erhofften Zehn landete ihr Pfeil nur in der Zwei. Sonst wäre womöglich sogar das Finale drin gewesen. «Ich war schuld. Ich konnte meine Technik nicht richtig ausüben und habe dann die Spannung verloren.»
Unruh mit der Zehn
Im kleinen Finale gegen Belarus dominierte das deutsche Team dagegen zwei Sätze lang das Geschehen, ehe die Osteuropäerinnen aufdrehten. So brauchte Unruh im dritten Satz im letzten Schuss eine Zehn. Die beste deutsche Athletin feuerte mit ihrem Bogen einen Paradeschuss ab und sicherte so für ihr Team die Bronzemedaille. Olympisches Gold holten die Favoritinnen aus Südkorea mit einem überlegenen 6:0-Finalerfolg gegen das russische Team.
Bundestrainer Oliver Haidn war nach dem nervenaufreibenden und schweißtreibenden Wettkampftag völlig erleichtert. Er freute sich nicht nur für seine Mädels, sondern auch für die Familien und Freunde der Athletinnen, die so lange auf das Trio verzichten mussten. «Wir sind einfach nur glücklich, dass wir endlich mit dieser Medaille etwas zurückgeben konnten», sagte Haidn. Einen Plan für die nächsten Stunden hatte er nicht. «Keine Ahnung. Wir legen uns in die Arme und lachen den ganzen Abend.»
Aufwärtstrend der Sportart
Durch den dritten Platz wurde der Aufwärtstrend der Sportart weiter bestätigt. Haidn erhofft sich durch den Erfolg einen Push für den Bogenschießsport in Deutschland. Vor allem fordert er bessere Bedingungen. «Damit wir im Konzert der Großen auf Dauer mithalten können, benötigen wir ein Zentrum mit einer 70-Meter-Schießhalle sowie einem Bogenschießplatz im Freien direkt daneben.» Nur so kann man ganzjährig trainieren. Denn im Vergleich zu Südkorea hinkt Deutschland noch weit zurück. Bei den Asiatinnen herrschen Bedingungen wie im deutschen Profi-Fußball – auch finanziell.
Star des deutschen Teams ist Unruh. Die Polizeimeisterin hat den Bogensport in Deutschland populär gemacht. Endlich ist sie aber nicht mehr nur Einzelkämpferin, nun hat es auch im Team funktioniert. In Tokio hat Unruh auch ihren Mann Florian an der Seite, der bei den Männern dabei ist. Das Paar hatte im September 2020 geheiratet.
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