Am liebsten würde Vanessa Voigt verschwinden. Weg aus der WM-Arena in Nove Mesto ins über 2100 Kilometer entfernte Östersund. Denn in Mittelschweden lief das deutsche Biathlon-Team beim besten Saisonauftakt der Geschichte zu zwei Siegen und acht weiteren Podestplätzen – zudem gab es Gelbe Trikots für Roman Rees, Philipp Nawrath und Franziska Preuß.
Zehn Wochen später herrscht bei der WM in Tschechien nach Teil eins Tristesse. «Natürlich würden wir gerne nach Östersund fliegen und da die zweite WM-Woche austragen», sagte die sichtlich angefressene Voigt, die beim Weltcupstart zweimal Dritte geworden war.
Denn in Schweden funktionierte eines ganz besonders gut: das Material. Doch da war es sehr kalt, in Tschechien hingegen herrschen deutliche Plusgrade und es regnet oft. Und dafür haben die Techniker trotz großen Einsatzes noch nicht das probate Mittel gefunden. «Wir müssen alles auf links drehen», sagte Sportdirektor Felix Bitterling, der aber betonte, dass man die bisherige Medaillenflaute nicht nur auf das Material schieben könne. Gerade im Verfolgungsrennen der Herren wurden am Sonntag zu viele Fehler geschossen. «Die aktuelle Komplexleistung ist nicht akzeptabel», gab Routinier Benedikt Doll zu.
Datenbanken wertlos
Im Fokus steht aber die immens wichtige Aufgabe des Technik-Teams, dessen Arbeit sich seit dieser Saison massiv verändert hat. Der Weltverband IBU setzte eine EU-Richtlinie zum Verbot bestimmter Fluorverbindungen um. Sie gelten als umwelt- und gesundheitsschädlich, machen aber die Ski wasser- sowie schmutzabweisend und dadurch schnell und länger gleitfähig.
Seit dem Fluorwachs-Verbot kann das Techniker-Team nicht mehr auf die jahrzehntelangen Erfahrungen der Vergangenheit zurückgreifen. Die gefüllten Datenbanken mit den Erkenntnissen zu jedem Weltcup-Ort sind wertlos, alles wurde auf null gestellt. Der deutsche Cheftechniker Sebastian Hopf (39) sprach bereits vor dem Debakel im Männer-Sprint am Samstag, wodurch auch der Verfolger am Sonntag ohne Wert war, von «ziemlich extremen Verhältnissen».
Wachs-Haltbarkeit ein Problem
Zu den sehr seltenen, nassen Bedingungen kommen noch die milden Temperaturen, der Dreck auf der Strecke, der fehlende Frost über Nacht und die große Menge «übersommerten Schnees, der fast schon zu einer Eisschicht komprimiert» ist. Vor allem die «Haltbarkeit» des Wachses sei ein Problem, so Hopf. Und Bitterling ergänzte: «Es ist jede Woche wieder ein Tanz auf der Rasierklinge und so eine Klinge ist schmal.»
In Nove Mesto sind sechs Techniker in zwei Wachstrucks vor Ort, für die WM sind noch drei Kollegen aus dem Oberhofer Technologiezentrum mit einer mobilen Schleifmaschine dabei. Das Schwierige dennoch: Aus rund 200 Wachsmischungen und bis zu 70 sogenannten Handstrukturen muss man die Kombination finden, die für die jeweiligen Verhältnisse am besten ist. Dazu kommt noch der Ski-Schliff, welcher das Wasser am stärksten verdrängt.
Nach intensivem und konstruktivem Austausch im gesamten Team sei man nun zu der Erkenntnis gekommen, dass wohl die Struktur das Problem sei. Fluorfrei könne der Unterschied da «von grandios bis zu einem kleinen Waterloo sein», erklärte Bitterling am Montag. Die Techniker würden «Tag und Nacht» an einer Lösung arbeiten, weder die Fähigkeiten noch ihr Einsatz würden angezweifelt. «Ich bin mir definitiv sicher, dass wir in Woche zwei besseres Material haben werden», betonte der Sportdirektor.
Noch sieben Entscheidungen
Bereits am Dienstag im Einzel der Frauen (17.10 Uhr/ARD und Eurosport) hoffen Franziska Preuß und ihre Kolleginnen auf Besserung. «Wichtig ist, dass jeder den Reset-Knopf drückt und jeder gegenseitig Vertrauen hat. Das ist der einzige Weg, wie wir zweite Woche bestreiten können», sagte Bitterling.
Noch sieben Medaillenentscheidungen gibt es bis Sonntag, trotz der bisherigen Misserfolge könne es noch eine gute WM werden. «Ich glaube, dass wir sehr gefestigt sind als Team, gerade durch den positiven Saisonverlauf und dass wir ab Dienstag ein anderes Gesicht sehen und die Ergebnisse, die die Athleten drauf haben», sagte Bitterling.
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