Thomas Müller stand nach Mitternacht mit einer noch breiter geworden bajuwarischen Brust in der Allianz Arena und formulierte nach dem Münchner «Au revoir» für die wieder torlosen Weltstars Lionel Messi und Kylian Mbappé das ultimative Saisonziel.
10. Juni, Atatürk-Stadion Istanbul: Da will der Ur-Bayer auflaufen und mit seinen Teamkollegen Europas Fußball-Thron besteigen. «Dass wir uns zu den Aspiranten zählen und das Finale ganz klar anpeilen als unser oberstes Ziel, das ist logisch», sagte Müller.
Mit Blick auf die Auslosung am Freitag kommender Woche, wenn am UEFA-Sitz in der Schweiz neben dem Viertelfinal-Gegner auch gleich die möglichen Halbfinal-Kontrahenten gezogen werden, befand der Aushilfskapitän für den am Mittwochabend erst auf der Tribüne mitfiebernden und später in der Kabine mitfeiernden Manuel Neuer. «Ich wüsste keine Mannschaft, die ‚Juhu‘ schreit, wenn sie auf den FC Bayern trifft. Das hat dieses Spiel noch mal gezeigt», sagte Müller. Der FC Chelsea, Benfica Lissabon und AC Mailand haben sich bislang ebenfalls fürs Viertelfinale qualifiziert.
Hainer: «Ich sehe keinen, der stärker ist»
Müllers Ansage war der grundsätzliche Bayern-Tenor nach dem 2:0 im Giganten-Duell mit Paris Saint-Germain. 180 Minuten ohne Gegentor gegen Weltmeister Messi und WM-Torschützenkönig Mbappé bestärkten die Münchner inklusive ihres beim Torjubel explodierenden Trainers Julian Nagelsmann in dem Glauben, dass der vierte Königsklassen-Triumph nach 2001, 2013 und 2020 machbar ist. «Wenn wir unsere Qualität paaren mit der Leidenschaft, wie wir verteidigt haben, ist sehr viel möglich. Dann können wir alles erreichen», verkündete Nagelsmann. «Ich sehe keinen, der stärker ist», tönte Vereinspräsident Herbert Hainer.
Selbst Superstar Mbappé, der PSG nach dem 0:1 im Hinspiel immer noch zum Favoriten erklärt hatte, kapitulierte nach der zweiten Niederlage vor Bayerns bemerkenswerter Defensivstärke. Diese wurde gepaart mit offensiver Entschlossenheit bei den Toren von Eric Maxim Choupo-Moting und Serge Gnabry. Mbappé sprach Klartext. «Notre maximum, c’est ça, c’est la vérité!» Es sei das Maximum gewesen von PSG, das sei die bittere Wahrheit. Neidisch blickte er nach dem nächsten PSG-Aus auf den Kader des FC Bayern, der «dafür geschaffen ist, die Champions League zu gewinnen».
FC Bayern dominiert PSG
Das breit aufgestellte – und übrigens auch sehr teure – Bayern-Ensemble demonstrierte seine Güteklasse. «Wir haben insgesamt eine richtig erwachsene Leistung gezeigt», sagte Nationalspieler Leon Goretzka. Mit Körperlichkeit und galligem Zweikampfverhalten raubten die Münchner Messi und Mbappé die Schaffenslust auf dem Platz. «Es ist ganz wichtig, dass man zeigt, dass man keine Angst hat vor diesen Einzelkönnern», betonte Goretzka.
Ein großer Gewinner des Abends war auch Nagelsmann, der am Spielfeldrand Dampf und Druck abließ. Das 1:0 von Choupo-Moting bejubelte er fast noch wilder als seine Spieler auf dem Rasen. «Wir sind als ‚Wir‘ aufgetreten», sagte der Trainer stolz. Auch für Sportvorstand Hasan Salihamidzic war «die geschlossene Mannschaftsleistung der Schlüssel, ganz klar».
Nagelsmann hatte diesmal als Trainer alles richtig gemacht, anders als beim Viertelfinal-K.o. 2022 gegen Außenseiter FC Villarreal. Die jüngste Achsenbildung um Routinier Müller erwies sich als klug. Ebenso Nagelsmanns Abwehrplan mit einer flexiblen Dreierkette und dem Mut, den unerfahrenen Josip Stanisic (22) als Ersatz für den gesperrten Benjamin Pavard aufzubieten.
Trainer-Lob für Stanisic und De Ligt
Stanisic habe «ein Weltklasse-Spiel gemacht mit den anderen beiden zusammen», sagte Nagelsmann zur Abwehrkette mit Dayot Upamecano und Matthijs de Ligt als Leitfiguren. De Ligt sorgte für einen Schlüsselmoment, als er beim Stand von 0:0 einen groben Fehler von Torwart Yann Sommer mit einer spektakulären Rettungstat auf der Torlinie ausbügelte.
«Matthijs liebt es zu verteidigen oder hasst es, Gegentore zu kriegen», lobte Nagelsmann. «Er kriegt einen Lastwagen voll Schweizer Schokolade von mir», sagte Sommer dankbar. «Never give up», niemals aufgeben sei sein Motto, erzählte de Ligt.
So schwankend die Bayern in dieser Saison im Bundesliga-Alltag auftreten, in der Champions League verteidigen sie von vorne bis hinten als Kollektiv. In sieben der nun acht jeweils gewonnenen Partien stand hinten die Null, darunter zweimal gegen PSG, zweimal gegen den FC Barcelona mit Robert Lewandowski und zweimal auch gegen Inter Mailand. Dazu kam die Qualität von der Bank. Der eingewechselte João Cancelo bereitete das 2:0 des eingewechselten Gnabry vor.
«Alle haben sich auf ein Ziel committed (verpflichtet)», verriet Nationalspieler Goretzka. Alle umfasst auch den Trainer. «Ich bin Teil des Teams. Ich freue mich, im gleichen Boot zu sitzen, das heute schneller gerudert wurde als das aus Paris», veranschaulichte Nagelsmann glücklich.
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