Lächelnd schoss Rekordjäger Harry Kane mit dem Spielball als obligatorischer Drei-Tore-Trophäe in der Hand am Spielfeldrand ein Selfie. Das Münchner Tor-Phänomen greift nicht nur nach der Bestmarke des ehemaligen Weltfußballers Robert Lewandowski, sondern geht nach dem imposanten Neustart des FC Bayern mit zwei befreienden Siegen auch mit neu entfachter Titellust auf die weitere Saisonjagd.
«Wir wollen Pokale gewinnen, die Bundesliga und die Champions League gewinnen. Aber es ist noch ein weiter Weg zu gehen», sagte der 30-jährige Engländer nach der 8:1-Torparty gegen den FSV Mainz 05. Im Gegensatz zu dem nach einem Zehenbruch weiter humpelnden Trainer Thomas Tuchel legten Kane & Co. alles andere als den Schongang ein.
Goretzka mit Ansage
Für die Meisterschale sind gleich mehrere Patzer des enteilten Spitzenreiters Bayer Leverkusen nötig. Für die Champions-League-Ambitionen wäre am kommenden Freitag bei der Viertelfinal-Auslosung auch eine Portion Losglück hilfreich. «Es war sehr wichtig für uns, dass wir diese Saison am Leben halten», sagte Doppelpacker Leon Goretzka nach dem 3:0 gegen Lazio Rom und dem Schützenfest gegen den Abstiegskandidaten Mainz. «Sollte Leverkusen doch noch ein bisschen Angst vorm Gewinnen bekommen, ist es unsere Aufgabe, da zu sein», ergänzte der Nationalspieler.
Die Bosse jubelten befreit auf der Tribüne, auf der die Club-Granden Uli Hoeneß und Karl-Heinz Rummenigge nach dem Bayern-liken Auftritt gestenreich über die schönen Tore fachsimpelten. Trotz atemberaubender Dribblings von Jamal Musiala oder dem Tor-Kunstwerk von Rückkehrer Serge Gnabry ragte Kane wieder heraus.
«Geschenk» Kane jagt die 41-Tore-Rekordmarke
«Es ist ein Geschenk, ihn trainieren zu dürfen», sagte Tuchel. 30 Liga-Treffer hat Kane auf dem Konto. Neun Spiele bleiben beim Angriff auf Lewandowskis 41-Tore-Rekord. «Ich traue Harry alles zu. Er tut, was er immer tut in seiner ganzen Karriere. Er trifft, er ist Vorbild, er ist eine große Persönlichkeit», sagte Tuchel.
Auf Tuchels Abschiedstournee kommt das Starensemble wieder auf Touren. Warum nicht gleich so? «Das ist die Frage der Saison», sagte der schmunzelnde Tuchel. Nachdem er sich bei seiner emotionalen Ansprache vor dem Rom-Spiel verletzt hatte, ging es diesmal ohne folgenschweren Tritt an eine Türe.
Mehrfach-Experte Kane war niemals besser
«Ich habe Mitte der Woche gesagt, dass wir das hoffentlich als Initialzündung nutzen können. Das ist jetzt das Ziel, das in den restlichen Spielen fortzusetzen», sagte 100-Millionen-Mann Kane. Zweimal glückten ihm 30 Liga-Saisontore mit Tottenham in der Premier League – mehr hatte er nie. «30 Tore sind ein schöner Meilenstein zu diesem Zeitpunkt der Saison», sagte Kane. Als erstem Spieler der Bundesliga-Geschichte gelangen dem englischen Fußball-Nationalspieler acht Mehrfachpacks in seiner ersten Saison.
In die Euphorie nach dem Sieg durch Tore von Kane (3), Goretzka (2), Musiala, Müller und Gnabry mischte sich auch der Gedanke, was ein früherer Trainerbeschluss möglicherweise geändert hätte. Nach drei Pflichtspielniederlagen am Stück hatten der Club und Tuchel die Trennung zum Saisonende verkündet – seitdem gab es drei Siege und ein Remis bei 15:4 Toren.
Neuer und der «Flow»
«Wir standen ganz anders auf dem Platz und waren selbstsicherer. Es lief fast von alleine», sagte Kapitän Manuel Neuer nach dem Schub aus der Königsklasse. «Wenn wir diesen Flow mitnehmen können, wäre es natürlich schön.» Ein guter Viertelfinal-Gegner in der Königsklasse, der nach Münchner Wünschen nicht unbedingt Rekordsieger Real Madrid oder Titelverteidiger Manchester City heißen muss, könnte im Kampf gegen die erste titellose Saison seit 2012 die Stimmung weiter heben.
Ruhe für die wegweisenden Personalfragen bringen Siege wie gegen Rom und Mainz allemal. «Wenn wir Spiele gewinnen und solche Leistungen zeigen, macht es natürlich vieles leichter», sagte Sportdirektor Christoph Freund. Zusammen mit Sportvorstand Max Eberl treibt der Österreicher Trainersuche und Kaderplanung voran.
Eberl: Noch keine konkreten Trainergespräche
«Wir haben eine Prioritätenliste, die wollen wir jetzt abarbeiten», kündigte Eberl an. Nach eigenen Angaben hat er noch keine konkreten Trainer-Gespräche geführt. Natürlich wolle man die Entscheidung «nicht zu lange herausschieben», ergänzte Freund. Das Wichtigste sei aber, «das Richtige zu tun». Der designierte Leverkusener Meistermacher Xabi Alonso bleibt ein heißer Kandidat.
«Wenn ich ehrlich bin, beschäftige ich mich damit überhaupt nicht, das ist die Aufgabe des Vereins», sagte Goretzka, der von Tuchel zum «Spieler des Spiels» gekürt wurde und für eine Nationalmannschaftsnominierung warb. Auch der zum zweiten Mal in dieser Saison länger verletzte Gnabry hofft nach seinem Liga-Comeback mit Traumtor, doch noch ein schönes EM-Jahr erleben zu dürfen. «Super Laufweg, super Pass, sehr intuitives und unkonventionelles Finish – großartig», schwärmte Tuchel über Gnabrys Treffer.
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