Fast wie in Zeitlupe reckte Steffen Baumgart beim Schlusspfiff die Arme in den Himmel und lächelte.
Nach über 90 Minuten purer Anspannung feierte der neue Trainer des 1. FC Köln das Ende des Debüt-Fluchs seiner Vorgänger inmitten der 16.500 euphorischen Fans leise und nahm sich sogar Zeit für Selfies mit einigen FC-Anhängern.
Zuvor war Baumgart beim 3:1 (1:1) gegen Hertha BSC zum Abschluss des ersten Spieltages in der Fußball-Bundesliga unentwegt an der Seitenlinie entlang getigert, hatte ständig auf den Fingern gepfiffen und einmal sogar seine Schirmmütze auf den Boden gefeuert. Baumgart war voll dabei – und seine Mannschaft folgte ihm.
Baumgart: «Mehr geht nicht»
«Da ich noch nie so ein Auftaktspiel gewonnen habe, bin ich froh, dass wir gewonnen haben», sagte er beim Streamingdienst DAZN. Er sei schon beim Eröffnungsspiel in Gladbach gegen den FC Bayern dabei gewesen. «Ich habe am Freitag ein geiles Spiel gesehen, ich habe heute ein geiles Spiel gesehen. Mehr geht nicht.»
Den gelungenen Auftakt hatte er Anthony Modeste und Doppeltorschütze Florian Kainz zu verdanken. Nach dem 0:1 durch Herthas Neuzugang Stevan Jovetic (6.) gelang Modeste, der die Kölner 2017 mit 25 Toren in die Europa League geschossen hatte, sein erster Liga-Treffer seit 14 Monaten (41.). Das 2:1 von Kainz bereitete er vor (52.), dann traf der Österreicher erneut (55.).
«Die Jungs können Gas geben. Das haben sie gemacht. Sie sind am Plan geblieben auch nach dem Rückstand», lobte Baumgart, der der erste Trainer seit Volker Finke ist, der seine Bundesliga-Premiere mit dem 1. FC Köln gewonnen hat. Hertha-Rückkehrer Kevin-Prince Boateng war hingegen unglücklich. «Wir hatten uns viel vorgenommen», sagte er. «Nach dem 1:1 brechen wir ein und kommen nicht mehr zurück ins Spiel.»
Köln mutig in der Offensive
Das lag vor allem an den Kölnern. Sie beherzigten Baumgarts Ideen von Beginn an, kämpften und rannten an. Die fatale Standard-Schwäche aus der Vorsaison hat aber auch der neue Trainer in der Vorbereitung noch nicht abstellen können. Nach einem Freistoß von Marvin Plattenhardt hielt Kölns Keeper Timo Horn den Kopfball von Matheus Cunha. Der brasilianische Olympiasieger leitete den Ball aber gedankenschnell zu Jovetic weiter, der nun in allen fünf großen Ligen in Europa getroffen hat.
Nach kurzer Schockphase spielten die Kölner, die sich in der Vorsaison erst durch die erfolgreiche Relegation vor dem Abstieg gerettet hatten, weiter nach vorne. Glück hatte der FC, als Schiedsrichter Robert Hartmann nach einem vermeintlichen Handspiel von Rafael Czichos im Strafraum die TV-Bilder ansah, aber keinen Strafstoß gab. Im Vorjahr hätte es ihn gegeben, nach neuer Regelauslegung, in der die Absicht im Vordergrund steht, war die Entscheidung okay. Auch Modestes Ausgleich wurde geprüft, VAR Patrick Alt sah aber kein klares Foul beim Zweikampf mit Trainer-Sohn Marton Dardai. «Für mich war das kein Foul», sagte auch Boateng.
Nach dem Wechsel überrumpelten die Kölner die Gäste. Kainz traf innerhalb von drei Minuten doppelt. Obwohl die Hertha danach nur bedingt Druck machte, ging Baumgart an der Seitenlinie jede Sekunde engagiert mit, lief die Seitenlinie auf und ab. In der Schlussphase war sein Team dem 4:1 sogar näher als die Berliner dem Anschluss.
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