22. November 2024

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«Außerirdisch gut»: Herrmann-Wick besiegt Hochfilzen-Fluch

Denise Herrmann-Wick beschert dem deutschen Biathlon-Team den ersten Saisonsieg. Sie trifft im Sprint alle zehn Scheiben und setzt den guten Start der Skijägerinnen fort.

Der Jubel der deutschen Anhänger gab Denise Herrmann-Wick den letzten Kick, um ihren Hochfilzen-Fluch endlich zu besiegen. «Es war richtig schön mit den Fans, da war es schon leichter, die Lockerheit zu behalten», sagte die Biathlon-Olympiasiegerin nach ihrem ersten Saisonsieg.

Beim Sprint in Österreich ließ die Sächsin der Konkurrenz keine Chance und setzte sich überlegen durch. «Dass ich heute mein Drama überwunden habe, freut mich natürlich besonders. Jetzt rutscht Hochfilzen ganz weit hoch in meiner Lieblingsliste», sagte die 33-Jährige im sonnigen Zielraum im Pillerseetal.

Bisher waren die WM-Strecken von 2017 kurz hinter der deutschen Grenze im Sprint eher ein negativer Ort. Nie unter den Top Ten, einmal sogar nur 60., 2019 als 41. war sie beste Deutsche beim bisher schlechtesten Damen-Ergebnis der Geschichte. Und nun zauberte Herrmann-Wick zwei perfekte Schießeinlagen hin und bescherte mit ihrem neunten Weltcup-Erfolg dem deutschen Team den ersten Sieg in diesem Winter. «Eine Siegleistung ist erst mal außerirdisch gut. Das muss man erst mal schaffen in diesem Feld», lobte Bundestrainer Mark Kirchner: «Das gibt dem Team weiterhin guten Rückenwind. Das ist für alle richtig positiv.»

«Fast wie ein olympischer Sieg»

Herrmann-Wick rückte exakt zwei Monate vor dem Start der Heim-WM im thüringischen Oberhof (8. bis 19. Februar 2023) sogar ganz nah an das Gelbe Trikot der Gesamtweltcup-Führenden. Als Dritte der Gesamtwertung liegt sie nur 25 Punkte hinter Spitzenreiterin Julia Simon aus Frankreich. Mit einem weiteren Coup am Samstag (11.30 Uhr/ZDF und Eurosport) kann sich die Ex-Weltmeisterin erstmals in ihrer Karriere das begehrte Leibchen sichern.

Ihr erster Erfolg seit Einzel-Gold im Februar in Peking war aber auch so ein ganz besonderer. «Null, Null im Schießen ist fast wie ein olympischer Sieg, weil Hochfilzen ist so die Horrorstrecke, der Horrorschießstand für mich die letzten Jahre gewesen», sagte die ehemalige Langläuferin. Nur eine Millisekunde zögerte sie vor dem letzten Schuss, zog dann durch und ging nach dem zehnten Treffer mit Vollgas in die Schlussrunde. «Dieser Schießstand wirkt immer leicht, aber da musst du voll auf der Hut sein», sagte Herrmann-Wick: «Du musst da langsam hinlaufen und gut atmen. Das ist mir endlich voll gelungen.»

Andere deutsche Starterinnen nicht in Top 20

Nach 7,5 Kilometern verwies Herrmann-Wick die mit einer Strafrunde belastete Tschechin Marketa Davidova mit 18,1 Sekunden Vorsprung auf Rang zwei. Dritte wurde Simon (1 Fehler/+ 20,1 Sekunden). «Es ist eine geile Kulisse hier», sagte Herrmann-Wick. Die Party-Musik im Stadion habe sie neben den vielen deutschen Fans zusätzlich angetrieben: «Hier ist alles gegeben, damit man die gewisse Lockerheit hat. Wenn es so weitergeht, wäre es cool. Wir sind ein starkes Team hier. Für die Zukunft heißt das: Da geht richtig was.»

Die anderen fünf deutschen Starterinnen Anna Weidel (22.), Sophia Schneider (23.), Franziska Preuß (25.), Vanessa Voigt (30.) und Juliane Frühwirt (40.) schafften es zwar nicht in die Top 20, auch sie wollen im anstehenden Jagdrennen aber weiter vorn angreifen.

Viele Top-Athletinnen nicht fehlerfrei

Bei guten Windbedingungen kamen viele der Top-Athletinnen derweil nicht fehlerfrei durch. Herrmann-Wick – wie alle Deutschen von vielen Fans euphorisch angefeuert – aber schon. Und das auch noch mit schnellen Zeiten. So konnte sie in Tirol erstmals ein Top-Ergebnis im Sprint abliefern, auch wenn sie in der Loipe 49,6 Sekunden Rückstand auf die frühere Langläuferin Anamarija Lampic hatte. Die Slowenin verbaute sich bei ihrem ersten Weltcuprennen durch drei Fehler stehend einen möglichen Podestplatz – dennoch wurde sie Fünfte. Sie hatte nur 35,8 Sekunden Rückstand auf Herrmann-Wick.

Weil in Hochfilzen nicht so viel Schnee liegt, waren einige Eisplatten auf der Strecke, die schnell sehr rutschig und schwer beherrschbar wurde. «Gestern im Training hatte ich schon richtig Schiss, weil bei solchen Bedingungen kriege ich immer Schienbeinprobleme. Aber ich hatte gute Ski», sagte Herrmann-Wick, die glücklich bilanzierte: «Jetzt habe ich meinen Frieden mit Hochfilzen geschlossen.»

Thomas Wolfer und Sandra Degenhardt, dpa