Wie es so weit kommen konnte, weiß der SC Freiburg manchmal selbst nicht. Die Saison in der Fußball-Bundesliga ist nun schon zehn Spieltage alt, und der vergleichsweise kleine Sport-Club aus dem Breisgau ist der einzige noch ungeschlagene Verein.
Der SC steht auf Platz drei, hat 22 Punkte sowie gerade mal sieben Gegentore und damit die mit Abstand wenigsten aller Teams kassiert. Und jetzt darf die Mannschaft von Trainer Christian Streich ausnahmsweise auch noch ein echtes Topspiel am Samstag (15.30 Uhr/Sky) beim großen FC Bayern bestreiten.
«Wir haben eine Ausgangssituation, mit der niemand rechnen konnte», sagte Freiburgs Kapitän Christian Günter der Deutschen Presse-Agentur. «Man kann vielleicht mal nach dem dritten Spieltag als SC Freiburg zum Spitzenspiel nach München fahren. Aber nach zehn Spieltagen war das so, glaube ich, noch nie der Fall.» Tatsächlich ist diese Konstellation einzigartig: Dass sich beide Mannschaften vor einem direkten Duell in den Top drei befinden, das hat es noch nie zuvor gegeben. Kaum zu glauben für die Freiburger.
SC Freiburg bislang ohne Niederlage
«Manchmal sagen wir: Wie krass, wir haben seit August nicht mehr verloren! Das kennt so keiner von uns», sagte Verteidiger Lukas Kübler im «Kicker»-Interview. Während solche Topspiele bei den Bayern zur Vereinssatzung gehören, ist die Ausgangslage in Freiburg das Ergebnis der konstanten Arbeit eines außergewöhnlichen Trainers sowie einer exzellenten Kaderplanung. Fast zehn Jahre arbeitet Streich nun schon für seinen Herzensclub als Proficoach, nie stand ein Rauswurf des 56-Jährigen auch nur ansatzweise zur Debatte. Und noch nie durfte der gebürtige Badener eine derart starke Mannschaft trainieren.
«Wir haben in diesem Sommer fast niemanden verloren und haben viele Junge dazubekommen. Wir haben uns in der Qualität einfach extrem verbessert, in den letzten Jahren schon. Dieses Jahr scheint es noch mal ein Extraschritt zu sein», sagte Kapitän Günter. «Und die Mannschaft ist hungrig, jeder gibt alles für den Erfolg.»
Im Sommer 2020 hatte der SC noch Luca Waldschmidt, Robin Koch und Torwart Alexander Schwolow und damit drei Leistungsträger abgeben müssen, ein Jahr später gingen nur die Stammkräfte Florian Müller und Baptiste Santamaria, die mehr als gleichwertig ersetzt wurden. Anstelle von Müller steht nun der zuvor lange verletzte Mark Flekken im Tor, der jüngst sogar den Sprung in die niederländische Nationalmannschaft schaffte. Für Santamaria kam Maximilian Eggestein von Werder Bremen, ein Spieler, der vor nicht allzu langer Zeit noch mit einem Topclub wie dem BVB in Verbindung gebracht wurde.
Strukturen im Breisgau wachsen
Nun stehen Profis wie Eggestein, Vincenzo Grifo, Nationalspieler Nico Schlotterbeck oder Nils Petersen beim SC unter Vertrag. «Freiburg ist schon lange nicht mehr das kleine gallische Dorf irgendwo im Breisgau», sagte Hertha-Geschäftsführer Fredi Bobic auch deshalb vor einigen Wochen. Der Club ist gewachsen und mit ihm seine Strukturen. Erst vor kurzem ist der SC ins neue Stadion umgezogen, wo künftig sogar die Champions-League-Hymne ertönen könnte.
Günter lacht, als er darauf angesprochen wird. «Wir wissen, dass wir ein extremes Potenzial haben. Aber wenn wir jetzt anfangen, uns groß zu reden, und hinterher bringen wir es nicht mehr auf den Platz, dann sind wir die Deppen der Nation», meinte der 28-Jährige. Darum werden sie auch nicht mit großen Kampfansagen nach München reisen. «Demut» bleibt auch vor dem Topspiel eines der Lieblingswörter von Streich und seinen Spielern. Alles andere würde ja auch nicht zum Sport-Club passen. Obwohl es längst nicht mehr der kleine SC ist, der er vor Jahren einmal war.
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