Die Paralympics in Tokio werden wegen der alarmierenden Corona-Lage ohne Zuschauer abgehalten. Das beschlossen die Organisatoren erwartungsgemäß bei einem Treffen mit dem Internationalen Paralympischen Komitee (IPC), der Regierung Tokios und der Zentralregierung.
Auch von den kürzlich beendeten Olympischen Spielen waren Zuschauer aus demselben Grund weitgehend ausgeschlossen worden.
Eine Ausnahme bei den am 24. August beginnenden Paralympics soll für Schülerinnen und Schüler im Rahmen eines Erziehungsprogramms der Regierung gemacht werden: Sie dürfen sich Wettkämpfe anschauen, wenn die lokalen Schulbehörden dies in Absprache mit den Eltern wünschen. Während der Paralympics werden rund 4400 Athletinnen und Athleten aus rund 160 Ländern um die Medaillen wetteifern. Das Team aus Afghanistan sagte wegen der politischen Lage im Land die Teilnahme ab.
Wegen der zugespitzten Corona-Infektionslage will Japan den in Tokio und fünf anderen Regionen geltenden Notstand abermals verlängern und auf sieben weitere Präfekturen ausweiten. Die japanische Regierung von Ministerpräsident Yoishihide Suga will den Notstand bis zum 12. September und damit bis nach Ende der Paralympics ansetzen. Offiziell soll das am Dienstag entschieden werden. «Der Anstieg an Infektionen erreicht alarmierende Höchststande», sagte Suga am Montag. Bislang ist erst gut ein Drittel der Bevölkerung Japans vollständig geimpft.
Die Zahl der Neuinfektionen in Tokio hat sich seit Beginn der Olympischen Spiele nahezu verdreifacht und bewegte sich in der vergangenen Woche um 5000 Fälle. Am Montag erreichte die Zahl der schwer erkrankten Patienten in Tokio am siebten Tag in Folge einen Höchststand von nun 268 Fällen. Experten sprechen von einer Katastrophe. Die Gesundheitsämter seien inzwischen am Anschlag. Bei dem in Tokio und anderen Präfekturen «Notstand» geht es vor allem darum, dass Restaurants keinen Alkohol anbieten und früher schließen.
Bei einem Treffen der Paralympics-Veranstalter sagte IPC-Präsident Andrew Parsons, die Olympischen Spiele hätten gezeigt, dass die Spiele trotz der Pandemie sicher abgehalten werden können. Trotzdem dürfe man mit Blick auf die Paralympics nicht nachlässig werden. Alle müssten «wachsam» bleiben und sich an die Regeln halten, mahnte Parsons. Eine Absage der Paralympics sei bei dem Treffen nicht diskutiert worden, sagte Japans Organisationschefin Seiko Hashimoto.
Dass ungeimpfte Kinder als Zuschauer im Rahmen eines Erziehungsprogramms bei den Paralympics erlaubt sind, rechtfertigten Japans Organisatoren mit einer entsprechenden Bitte der Gouverneure der austragenden Präfekturen. Die Paralympics könnten ein wichtiger Impuls für den von Japan angestrebten Wandel zu einer Gesellschaft sein, in der Menschen mit Behinderung gleichberechtigt sind. Man werde strikte Maßnahmen ergreifen, damit sich Schulkinder falls von den Behörden gewünscht die Paralympics sicher anschauen können.
Niko Kappel, in Rio Paralympicssieger im Kugelstoßen, findet es «absolut nachvollziehbar, dass die Spiele ohne Zuschauer stattfinden, wenn Japan das so vorgibt. Es gibt dort viele Ballungsgebiete, und bei uns kommt die ganze Welt zusammen und nicht nur ein Kontinent», sagte der Stuttgarter, der wegen seiner Funktion als Athletensprecher und seinem Sitz im Rat seiner Heimatgemeinde Welzheim auch den Beinamen «Außenminister des DBS» trägt. «Die Spiele verlieren dadurch nicht an Wertschätzung», sagte Kappel der Deutschen Presse-Agentur: «Eher im Gegenteil.» Nämlich, weil sie überhaupt stattfinden.
Auch Staffel-Paralympicssieger David Behre zeigte Verständnis. «Es ist superschade. Aber diese Entscheidung war leider abzusehen», sagte der doppelamputierte Sprinter aus Leverkusen. «Natürlich haben wir alle gehofft, dass es doch noch mit ein paar Zuschauern stattfinden kann. Aber die Inzidenzzahl hat sich leider in die falsche Richtung entwickelt. Wir müssen das jetzt ausblenden und das Beste aus dieser Situation machen.»
Leichtathletik-Bundestrainerin Marion Peters findet es «sehr schade für die Athleten und den Veranstalter. Wettkampfsport lebt auch von Zuschauern. Vor allem für die japanische Bevölkerung ist es mega bedauerlich. Das haben sie nicht verdient. Aber ich verstehe das auch. Wenn das die Erfordernisse sind, müssen wir das akzeptieren.»
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