Niclas Füllkrug ignorierte einfach die Absperrung in der Interview-Zone des Stadions in Hartford, schob die Metall-Barriere beiseite und plauderte ausführlich über den Startsieg der Fußball-Nationalmannschaft unter Bundestrainer Julian Nagelsmann. Ilkay Gündogan hingegen verabschiedete sich nach dem Mutmacher und ein paar Worten mit einem freundlichen Lächeln auf direktem Weg Richtung Mannschaftsbus.
Das war eine Szene mit Symbolkraft. Der eine ein smarter Entertainer, der andere ein stiller Antreiber. In Unterschiedlichkeit sind die neue Nummer 9 von Borussia Dortmund und der Mittelfeld-Stratege vom FC Barcelona vereint – als Hoffnungsträger für einen dauerhaften Aufschwung Richtung Heim-Europameisterschaft 2024, der mit dem 3:1 gegen die USA seinen Anfang genommen haben soll.
Gündogan, den ersten Torschützen seiner Amtszeit, erklärte Nagelsmann gleich mal zum Fußball-Genie. Füllkrug, Torschütze Nummer zwei, bekam das fällige Lob von Sportdirektor Rudi Völler, der mit den Befindlichkeiten eines Mittelstürmers natürlich bestens vertraut ist. Spielintelligenz, Beharrlichkeit, Vollstrecker-Eigenschaft. Das waren die Attribute, mit denen Gündogan und Füllkrug das DFB-Team im Pratt & Whitney Stadium in die richtige Richtung lenkten.
Lob für den Kapitän
«Ilkay hat ein überragendes Spiel gemacht. Er hat jeden Ball gewollt auch defensiv, sehr, sehr gut», sagte Nagelsmann über seinen Kapitän. «Ilkay spielt seit Jahren auf einem top, top Niveau. Warum soll das in der Nationalmannschaft nicht so sein?», formulierte Nagelsmann die Frage, die sich viele Fußball-Fans schon lange gestellt haben. In seinem Länderspiel Nummer 70 strahlte Gündogan eine natürliche Autorität aus – ein Fußball-Anführer eben. Für Völler liegt die Entwicklung auch in der Ernennung zum DFB-Kapitän begründet, die Hansi Flick noch traf und Nagelsmann noch vor seinem offiziellen Amtsantritt bestätigte.
Füllkrug hat erst zehnmal für Deutschland gespielt, ist aber durch seine offene Art längst eine Führungsfigur. Und zwar mit einer Topquote. Acht Tore in den ersten zehn DFB-Partien hat in den letzten 45 Jahren sonst nur der in den USA wegen eines Unterarmbruchs fehlende Bayern-Profi Serge Gnabry geschafft, teilte der Datenanbieter Opta rasch mit. Füllkrug hat eine andere Rechnung, die ihn als Teamplayer zeigt. «Zehn Scorer in zehn Spielen. Scorer ist für mich immer wichtig», sagte er. Mit der Vorlage für Jamal Musialas Tor zum 3:1-Endstand gelang ihm sein zweiter DFB-Assist.
Unkritisch war Füllkrug ob seines Auftritts nicht. Es dauerte diesmal ein bisschen bis zum Jubel. «Heute habe ich die eine oder andere Chance zu viel gebraucht, um das Tor zu schießen», sagte der 30-Jährige. Dabei musste der langjährige Bremer im System Nagelsmann oft auf den Flügel ausweichen, um Platz für Musiala und Florian Wirtz zu lassen. «Ich habe schon sehr viel flexibler gespielt als sonst. Man hat mich auch mal in anderen Räumen gefunden, damit wir die gegnerische Kette tief halten», erklärte er.
Leichte Anpassungsprobleme
Auch Nagelsmann waren die leichten Anpassungsprobleme nicht entgangen. «Niclas hat einen schweren Start gehabt. Er hat ein zwei Bälle verloren, die er nicht verlieren muss, da hat man gemerkt, dass er ein bisschen überlegt», sagte der Bundestrainer. Völler beeindruckte die Beharrlichkeit. «Was wichtig war für ihn, dass er dran geglaubt hat. Er hat gute Chancen vergeben. Da denkst du, heute macht er keins. Und dann trifft er doch, das tut gut», sagte der Weltmeister von 1990.
Gündogan brauchte keine Anlaufzeit, war gleich präsent und beeindruckte Nagelsmann. «Er muss kein Lautsprecher sein, Ilkay ist ein Beobachter, der sehr viel wahrnimmt und kanalisiert, keiner, der vor der Mannschaft spricht oder dauernd in der Kabine rumschreit. Er macht das sehr subtil, intelligent. Er ist ein Anführer als Fußballer», sagte der neue Bundestrainer. «Er ist zu Recht der Kapitän der Mannschaft.»
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