Thomas Müller zeigte, was er kann. Ausnahmsweise nicht am Ball, sondern mit dem Küchenmesser bei der Zubereitung eines mediterranen Nudelsalats zur Präsentation seines Kochbuchs über gesundes Essen für «kleine und große Champions» in München.
Ob in der kommenden Woche in den USA wieder die fußballerischen Fähigkeiten des 34-Jährigen bei der Nationalmannschaft gefordert sind, ist eine der Kernfragen, die Julian Nagelsmann am Freitag beantworten muss.
Wenn der neue Bundestrainer seinen Kader für die mitten in die Bundesliga-Saison platzierte Amerika-Reise mit den Testländerspielen am 14. Oktober in Hartford gegen die USA und drei Tage später in Philadelphia gegen Mexiko benennt, werden natürlich EM-Signale gesendet. Auf welche Zutaten setzt Nagelsmann, welche Rezepte hat der 36-Jährige gegen die große Krise des vierfachen Weltmeisters? Kann er der Rolle als «Glücksfall», wie Sportdirektor Rudi Völler ihn präsentierte, gerecht werden?
Mit Weltmeistern Mülle und Hummels?
Mit Müller, ohne Müller, und wenn ja in welcher Rolle? Dieses Thema hatte nicht nur Nagelsmanns Vorgänger Joachim Löw und Hansi Flick schon intensiv beschäftigt, sondern auch den neuen DFB-Chefcoach in seiner Münchner Zeit selbst – kontroverse Debatten inklusive. Die Entscheidung erscheint diesmal leicht, denn Müller zeigte im DFB-Trikot gegen Frankreich (2:1) und im Bayern-Dress beim FC Kopenhagen (2:1), wie wertvoll er auch als betagter Profi sein kann. Nagelsmann dürfte sich daran kaum die Finger verbrennen.
Womöglich bahnt sich sogar eine Überraschung an. Laut «Bild»-Zeitung plant Nagelsmann offenbar, Ex-Weltmeister Mats Hummels in die Nationalmannschaft zurückzuholen. Der 34-Jährige hatte zuletzt beim EM-Aus im Achtelfinale gegen England im Sommer 2021 für das DFB-Team gespielt. Unter Hansi Flick kam der Verteidiger gar nicht mehr zum Zug. Dagegen sollen seine Dortmunder Kollegen Nico Schlotterbeck, Kapitän Emre Can und Karim Adeyemi für die kommenden beiden Länderspiele nicht berücksichtigt werden.
Eine weitere Überraschung könnte die Nominierung des Stuttgarters Chris Führich sein. Wie der TV-Sender Sky berichtet, soll der Offensivspieler des Überraschungszweiten der Bundesliga erstmals eine Einladung für die Nationalmannschaft erhalten.
Beobachter Nagelsmann
Fast zwei Wochen hat sich Nagelsmann nach seiner DFB-Präsentation zurückgenommen. Hat abseits von Kameras und Scheinwerfern beobachtet, hat gesichtet und hat geplant. Dem Vorwurf, als Frontmann egozentrisch die Fußball-Bühne zu rocken, wird er sich auch in den kommenden Wochen nicht aussetzen wollen. «Wir gehen sie an mit viel Enthusiasmus, großer Vorfreude und großem Verantwortungsbewusstsein», sagte der Flick-Nachfolger über seine Motivation Richtung Heim-Turnier in schon acht Monaten.
Seine Aufgabe geht dabei weit über den richtigen Umgang mit Teamsenior Müller hinaus. Dem gänzlich verunsicherten DFB-Gebilde muss der im März beim FC Bayern unsanft geschasste Nagelsmann wieder eine Struktur geben. Die Defensive lechzt nach einer klaren Aufgabenverteilung. Leon Goretzka dürfte als Mittelfeldoption zurückkehren. Gilt das auch für Timo Werner im Sturm, Nagelsmanns einstigem Lieblingsschüler aus Leipziger Tagen? Beide hatten zuletzt von Flick eine unfreiwillige Auszeit bekommen.
Schwieriges Verhältnis zu Bayern-Spielern?
Ilkay Gündogan als Kapitän zu bestätigen und nicht den Münchner Buddy Joshua Kimmich wieder ins Amt zu schieben, war ein erster diplomatischer Schritt. Der Umgang mit dem Langzeit-Verletzten Torwart Manuel Neuer ist bisher nicht akut, wird aber eine größere Aufgabe, wenn sich die langjährige Nummer eins wieder einsatzbereit meldet. Über ein schwieriges Binnenverhältnis aus Münchner Tagen wurde debattiert. Eine vermeintliche Annäherung wurde kürzlich über anonym verbleibende Kontaktpersonen kolportiert.
Nagelsmann wird als Pragmatiker gefragt sein, wie auch bei seinem Debüt-Aufgebot. Denn fürchterlich viele personelle Alternativen drängen sich nicht auf. Hoffenheims Maximilian Beier wurde hier und dort als Angriffsoption genannt. Der Kern wird aber aus dem Flick-Personal bestehen – allerdings diesmal ohne die verletzten Serge Gnabry (Armbruch) und Kevin Schade (Muskelverletzung).
Der Bundestrainer dürfte auf eine größere Reisegruppe setzen, also mehr als die bei der EM dann obligatorischen 23 Spieler bauen. Auch das kann einem diplomatischen Schachzug geschuldet sein. Die Belastung muss gesteuert werden. Borussia Dortmund spielt keine 36 Stunden nach der Rückkehr aus Philadelphia wieder in der Bundesliga gegen Werder Bremen. «Wir werden auch darauf gucken, dass die Spieler gesund bleiben», versprach Nagelsmann.
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