Die Sympathien von Max Verstappen gehören Altstar Fernando Alonso. «Wenn ich selber kein Formel-1-Fahrer wäre», äußerte der niederländische WM-Herausforderer vor dem Großen Preis der Türkei, «dann würde ich wahrscheinlich Fernando unterstützen. Ich mag einfach seinen Fahrstil.»
Verstappens Vorliebe für den zweimaligen Weltmeister aus Spanien passt in das WM-Duell mit Lewis Hamilton, der als Youngster in der Königsklasse des Motorsports ganz besondere Erfahrungen mit Alonso gemacht hat. Aber dazu später.
«Man kann nichts erzwingen»
Verstappen hat in seiner schon siebten Formel-1-Saison endlich die Chance auf den Titel. Dabei ist der Red-Bull-Pilot vor Kurzem gerade mal 24 Jahre alt geworden. Und nur zwei Punkte liegt Verstappen in der WM-Wertung hinter Hamilton. Der Nervenkampf wird an Dynamik noch zulegen. Aber Anspannung bei Verstappen?
«Ich gebe immer mein Bestes und weiß, dass auch das Team sein Bestes gibt. Wenn das am Ende des Jahres der erste Platz ist, dann ist das eine großartige Leistung», sagte Verstappen in Istanbul und ergänzte: «Aber selbst wenn wir Zweiter werden würden, hätten wir immer noch eine großartige Saison, und am Ende des Tages wird das mein Leben nicht wirklich verändern.»
Das könnten die Worte eines gereiften Überehrgeizlings sein – es könnten aber auch die Worte eines Überehrgeizlings sein, der die Bedeutung eines ersten WM-Titels herunterspielen möchte. Denn Zweifel am großen Ziel Verstappens gibt es nicht. Er will diesen Titel. Er will ihn jetzt. «Man kann nichts erzwingen. Man muss einfach gut und hart zusammenarbeiten», sagte Verstappen, der am ersten Trainingstag in der Türkei nicht über Platz fünf hinauskam. «Dann werden wir am Ende der Saison herausfinden, wo wir damit stehen, ob wir Erster oder Zweiter werden.»
«Man braucht dieses gewisse Etwas»
Alonso war auch mal in Verstappens Situation. 2005 war das. Alonsos Hamilton hörte damals auf den Namen Schumacher. Michael Schumacher. Der war wie Hamilton siebenmaliger Weltmeister. Und Herausforderer Alonso sorgte damals für einen Boom in seiner Heimat.
«Wir hatten in Barcelona in Blau gehüllte Tribünen, und jetzt haben wir in Zandvoort in Orange gehüllte Tribünen, es gibt also viele Ähnlichkeiten», bemerkte der mittlerweile 40-Jährige, der damals für Renault und heute für den Nachfolgerennstall Alpine fährt.
«Man braucht dieses gewisse Etwas. Es sind nicht nur die Siege, denn Verstappen ist ja noch kein Weltmeister, aber er kann die Zuschauer hinter sich bringen», befand Alonso, der während seiner zweijährigen Formel-1-Pause in erster Linie bei Verstappen und Williams-Pilot George Russell das TV einschaltete. «Der Charisma-Faktor ist meiner Meinung nach auch wichtig.»
Ausstrahlung hat Hamilton. Wie Schumacher in jener ersten Titelsaison Alonsos ist auch er 36 Jahre alt. Und wie der Deutsche ist Hamilton nun die Messlatte. Wie sieht es mit Druck bei ihm aus? «Ich habe viel Zeit damit verbracht, mit dem Team darüber zu sprechen, wie wir uns weiterentwickeln und verbessern können», sagte Hamilton, der zwischen den Rennen gerne in die Kreativszene abtaucht. «Was für mich funktioniert, wird nicht für jeden funktionieren, aber ich weiß, wie ich ticke, was mich auf Kurs bringt und was mich vom Kurs abbringen kann, und ich halte mich daran.»
Spionage-Affäre und Psychospielchen
Hamilton hat schon so viele WM-Zweikämpfe bestanden – von Beginn seiner Karriere an. Und das führt direkt zu Alonso. 2007 war der Spanier als zweimaliger Weltmeister zu McLaren gewechselt. Das zweite Cockpit bekam damals ein Neuling: Hamilton. Weltmeister wurde Kimi Räikkönen im Ferrari – vor Hamilton. Alonso landete punktgleich mit seinem englischen Stallrivalen nur auf Rang drei.
Da hatte sich der in Psychospielchen versierte Spanier längst mit Hamilton überworfen und dem Automobil-Weltverband Fia in einer Spionage-Affäre auch noch Insider-Informationen zugespielt. Alonso flüchtete zu Renault, Hamilton wurde dann 2008 erstmals Champion.
Was denkt der Alpine-Pilot heute über Anspannung und Verstappen? «Er scheint mit dem Druck besser umgehen zu können als andere», meinte Alonso. Es scheine für Verstappen «keine große Sache zu sein». Das gilt für Hamilton aber genauso.
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