23. November 2024

Sport Express

Express-Sport direkt aus der Arena

Wembley-Helden von 1996 feiern mit Edelfan Becker und Löw

Es ist ein großes Wiedersehen mit Anekdoten und Erinnerungen. Die Europameister von 1996 treffen sich im Europapark. Berti Vogts ist gerührt. Kapitän Klinsmann witzelt über Golden-Goal-Schütze Bierhoff.

Bis weit in die Nacht schwelgten die Wembley-Helden um Kapitän Jürgen Klinsmann und den einstigen Feuerkopf Matthias Sammer in EM-Erinnerungen – und über die Leinwand flimmerte natürlich auch nochmal das entscheidende Golden Goal von Oliver Bierhoff.

«Der Chef hat eine geniale Idee gehabt, dass er den Oliver einwechselt, was wir alle nicht verstanden haben», witzelte Klinsmann über die Joker-Rolle des Doppeltorschützen und Matchwinners beim finalen 2:1-Sieg gegen Tschechien in Richtung des damaligen Bundestrainer Berti Vogts.

Der 74-Jährige war der Initiator des 25-Jahre-Treffens der letzten deutschen Fußball-Europameister und bewegte sich glücklich im Kreise seiner Mannschaft, die für ihn wie damals in London «der Star» war.

Viele Widerstände

Beim Turnier in England musste das DFB-Team große Widerstände wie Verletzungen, Sperren und Rückstände überwinden, wie Klinsmann bei der Gala im Europapark Rust erinnerte. In Jens Todt war sogar ein Spieler nachnominiert worden. Für die Ersatztorhüter Oliver Kahn und Oliver Reck wurden Feldspielertrikots mit ihren Nummern vorbereitet. «Das war die Europameisterschaft der Kameradschaft, des brutalen Willens und des Teams hinter dem Team», rühmte Klinsmann, dessen Finaleinsatz wenige Tage nach einem Muskelfaserriss ein Wunder war.

In Rust erklärte sie Teamarzt Hans-Wilhelm Müller-Wohlfahrt (79) nun auch mit «Heilerde» eines kroatischen Masseurs, mit der er die Wade des Stürmers behandelte. Abends ging’s vom Teamhotel heimlich in den nahen Regent Park, wo Klinsmann erste vorsichtige Läufe unternahm.

Zu den Ehrengästen zählte auch Boris Becker. Die spezielle Rolle des Tennishelden beim Titelgewinn und in der durchfeierten Endspielnacht, nach der er «in den Armen» von Andreas Möller aufgewacht sei, wurde intensiv besprochen. «Mit Boris zu feiern, war eine pefekte Nacht», bemerkte der im Endspiel wie Stefan Reuter gesperrte Möller.

Becker als Edelfan

Becker war nach seinem verletzungsbedingten Wmbledon-Aus ständig zur Behandlung im Teamhotel. Vogts erlaubte Becker am Ende sogar, im Mannschaftsbus mit ins Wembleystadion zu fahren. «Ein unglaubliches Erlebnis», wie Edelfan Becker noch 25 Jahre später schwärmt.

Auch Joachim Löw schaute beim «Klassentreffen» der letzten deutschen Europameister nahe seinem Wohnort Freiburg vorbei. Gut drei Monate nach seinem persönlichen EM-Aus gegen England und dem Abschied als Bundestrainer genoss der 61-Jährige am ersten der zwei Abende ein paar geselligen Stunden im Kreise alter Weggefährten wie Ex-Chef Klinsmann oder seinem langjährigen Torwarttrainer Andreas Köpke. Es gehe ihm gut, sagte Löw beim Gläschen Rotwein in vertrauter Runde. Er tastet sich nach 15 Bundestrainer-Jahren noch vor ins Leben nach dem DFB. Wo er das Finale 1996 gesehen hatte, wusste Löw gar nicht mehr.

Im «Saal Berlin» lebten dann am Montagabend nochmal die Bilder vom Turnier auf. Vogts schilderte, wie er Klinsmanns Wunsch nach einem Teamhotel direkt in Manchester auf seine Weise gelöst hatte. Er wählte das gediegene Landhotel «Mottram Hall» aus. «Für mich als Trainer war es in der Stadt, für euch als Spieler war es am Arsch der Welt.» Bis zum Endspiel am 30. Juni 1996 im Londoner Wembleystadion kämpfte und biss sich das verletzungsgeplagte DFB-Team durch.

Joker Bierhoff

0:1 lag Deutschland zurück, als Vogts in der 68. Minute Bierhoff einwechselte. Der Joker stach, köpfte vor 73 611 Zuschauern schnell das 1:1. Und in der fünften Minute der Verlängerung schoss der Angreifer von Udinese Calcio mit seinem Golden Goal Deutschland zum dritten EM-Titel, riss sich das Trikot vom Leib und jubelte. «Ich bin dem Torwart immer noch dankbar», sagte Bierhoff: «Ich behaupte immer noch, dass der Ball schneller war, als es im Fernsehen aussah.»

Acht Europameister fehlten in Rust, darunter der am Montag in Istanbul als neuer türkischer Nationaltrainer vorgestellte Stefan Kuntz. Immerhin kam der Stürmer im Turnierfilm vor und erklärte launig seinen Diener beim Handshake mit Queen Elizabeth vorm Finale. Seine Mutter habe ihm am Telefon befohlen: «Wenn die Frau dir die Hand gibt, machst du eine ganz tiefe Verbeugung.»

Von Klaus Bergmann, dpa