Für einen Moment musste Alexander Zverev bei aller Enttäuschung sogar lachen nach dem neuerlich geplatzten Traum von einem Grand-Slam-Titel.
Mit was man es vergleichen könne, ein Halbfinale der US Open zu spielen und dann zu verlieren, wurde der Olympiasieger nach der Fünf-Satz-Niederlage gegen Novak Djokovic in New York gefragt. Deutschlands bester Tennis-Spieler vergrub das Gesicht kurz hinter seinen Händen, dachte nach und antwortete nach dem Glucksen: «Wenn die Freundin, die du seit Jahren liebst, mit dir Schluss macht. Sowas ungefähr.»
Es schmerzte Zverev also sehr, dieses 6:4, 2:6, 4:6, 6:4, 2:6 nach 3:33 Stunden gegen die Nummer eins der Weltrangliste. Aber wie im Beziehungsleben kommt nach einem Ende oft auch ein Anfang und daran schien Zverev fester zu glauben als je zuvor. Er wirkte gefasst, gratulierte Djokovic lange und fair und ließ sich von keiner Frage im Nachgang aus der Ruhe bringen.
Star der nächsten Generation
Die knappe Finalniederlage im Jahr zuvor, als ihm nur zwei Punkte zum Sieg gegen Dominic Thiem aus Österreich fehlten, nagte lange an ihm. Inzwischen aber hat der Weltranglistenvierte nicht nur die Goldmedaille bei den Olympischen Spielen in Tokio gewonnen, sondern ist «ein sogenannter Star der nächsten Generation, der im vergangenen Jahr herausgefunden hat, wie er in den größten Momenten cool bleibt», wie es die «New York Times» formulierte.
Die von ihm bestritten Vorwürfe häuslicher Gewalt seiner Ex-Freundin schienen ihn äußerlich ebenso wenig zu beunruhigen wie der neuerliche Rückschlag bei der Jagd nach dem ersten Grand-Slam-Titel.
Natürlich hätte Zverev das Match gegen seinen Kumpel Djokovic lieber gewonnen, so wie sechs Wochen zuvor im Halbfinale von Tokio auf dem Weg zu Gold. Oder so wie sein Halbfinale beim ATP-Turnier in Cincinnati, als er gegen den Weltranglistendritten Stefanos Tsitsipas nahezu aussichtslos zurücklag und trotzdem noch gewann.
«Mental ist er der beste Spieler»
Doch er wusste, in welchen Momenten Djokovic die Partie entschieden hatte – und dass es in dieser Form einzig eine Frage der Zeit ist, bis er selbst seinen ersten Grand-Slam-Titel holt. «Er spielt das beste Tennis dann, wenn er muss. Viele Spieler tun das nicht», sagte Zverev.
Am offensichtlichsten wurde das im entscheidenden fünften Satz: Djokovic steigerte sich, Zverev spielte erst eher durchschnittlich und machte leichte Fehler. «Mental ist er der beste Spieler, der dieses Spiel jemals gespielt hat. In diesen Momenten würde ich lieber gegen jeden anderen spielen als gegen ihn», sagte Zverev. Ein 0:3-Rückstand setzte Zverev sofort enorm unter Druck. «Das zweite Break, wie ich das bekomme: unglücklicher kann es echt nicht laufen», sagte Zverev zu seinem misslungenen Schmetterball, auf den sogar das 0:5 folgte. Selbst dann aber schenkte der Hamburger die Partie nicht ab, sondern holte noch ein Break und ein eigenes Aufschlagsspiel.
Mindestens vier weitere Monate muss er nun warten auf seinen ersten Sieg bei einem Grand Slam. Frühestens bei den Australian Open im Januar bietet sich die nächste Chance. Mit seinen dann immer noch erst 24 Jahren, so scheint es, ist Zverev langsam aber sicher reif dafür.
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