25. November 2024

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Bolts Nachfolger über 100 Meter: Jacobs überrascht mit Gold

Dreimal nacheinander hat sich Usain Bolt Olympia-Gold über die 100 und 200 Meter geschnappt. Nach dem Rücktritt des Jamaikaners geht es in Tokio um die Nachfolge. Der Olympiasieger kommt aus Italien.

Ungläubig schlug der Italiener Lamont Marcell Jacobs die Hände über dem Kopf zusammen – dann sprang ihm auch noch sein Landsmann Gianmarco Tamberi in die Arme.

Nach den Triumph-Jahren von Legende Usain Bolt hat der gebürtige US-Amerikaner Jacobs sensationell Gold bei den Olympischen Spielen in Tokio über 100 Meter gewonnen.

Der 26-Jährige verwies mit einem Europarekord über 9,80 Sekunden den US-Amerikaner Fred Kerley und Andre de Grasse aus Kanada auf die Plätze zwei und drei. Jacobs ist der erste europäische Olympiasieger im Sprint seit Linford Christie 1992. «Es war mein Traum als Kind», sagte Jacobs und meinte mit Blick auf die Ehrung: «Ich kann es kaum erwarten, die Hymne zu hören.»

Euphorisiert auf die Ehrenrunde

Mit einer Flagge in den Nationalfarben um die Schultern drehte Jacobs nach seinem irren Sprint euphorisiert eine Ehrenrunde an der Seite von Kerley und de Grasse. Nur Minuten zuvor hatte sein Landsmann Tamberi – zusammen mit Mutaz Essa Barshim aus Katar – Gold im Hochsprung gewonnen. «Wir sind sehr gute Freunde, wir haben heute Nacht noch zusammen Playstation gespielt», sagte der überglückliche Jacobs, der mit angespannten Muckis für die Fotografen posierte, ehe er sich in den Interview-Marathon stürzte.

«Verrückter Jacobs: Legendäres Gold!!! Er ist der schnellste Mann der Welt», titelte «Gazzetta dello Sport». «Corriere dello Sport» schrieb: «Jacobs ist eine Legende: Gold über 100 Meter! Der Athlet lässt Italien explodieren.» Jacobs durfte sich plötzlich wie ein Superstar der Leichtathletik fühlen.

Der Poster-Boy der Olympischen Spiele war über lange Zeit Usain Bolt gewesen. Der Showman aus Jamaika hatte 2008 in Peking, 2012 in London und 2016 in Rio jeweils Gold über die 100 und 200 Meter gewonnen. Nach seinem Karriereende 2017 ging es nun um die Nachfolge. Und erstmals seit dem Jahr 2000 stand sogar gar kein Jamaikaner im Olympia-Finale über die 100 Meter.

Auch der von Bolt als Gold-Favorit auserkorene Trayvon Bromell erlebte diesen irren Showdown in der flirrenden Nacht von Tokio nicht als Teilnehmer. «Bromell ist äußerst vielversprechend», hatte die jahrelange Überfigur der Leichtathletik über den 26-Jährigen gesagt.

Post-Bolt-Ära

Die Post-Bolt-Ära führt der US-Amerikaner aber nicht an. Bromell verpasste das Finale – um eine Tausendstelsekunde. Er wurde in seinem Halbfinale mit 10,00 Sekunden Dritter hinter dem zeitgleichen Nigerianer Enoch Adegoke. Adegoke wurde mit 9,995 Sekunden gestoppt – Bromell mit nur einer Tausendstel mehr. Im Ergebnisprotokoll werden zunächst nur Hundertstelsekunden ausgewiesen – auf dem Zielfilm erkennt man aber auch Tausendstel-Abstände.

Eine riesige Enttäuschung für Bromell, der im Juni in 9,77 Sekunden die siebtschnellste Zeit der Geschichte gesprintet war, aber sich schon durch seinen Vorlauf hatte zittern müssen. Und auch für den Jamaikaner Yohan Blake, früher selber Konkurrent von Bolt, reichte es nicht für die große Bühne. Der Gewinner von Silber über die 100 Meter in London 2012 und frühere Weltmeister schied im Halbfinale aus.

Brite fabriziert Fehlstart

Überraschend als Topmann der Halbfinals hatte sich der Chinese Su Bingtian vor dem zeitgleichen Ronnie Baker aus den USA (beide 9,83 Sekunden) erwiesen. Su Bingtian stellte zugleich einen asiatischen Rekord auf. Jacobs war da in 9,84 Sekunden schon Europarekord gelaufen. Dann kam das Finale – Zeit zum Luftanhalten! Zunächst wurde aber der Brite Zharnel Hughes wegen eines Fehlstarts disqualifiziert. Dann legte der Italiener den Auftritt seines Lebens hin.

Und auch wenn Überraschungs-Mann Jacobs im Sprintfinale nicht einzuholen war, an Entertainer und Ausnahmesportler Bolt reicht er natürlich nicht heran. «Niemand wird auf Anhieb in Bolts Fußstapfen treten», hatte Weltverbandspräsident Sebastian Coe schon zuvor geäußert.

Von Martin Moravec, Andreas Schirmer und Wolfgang Müller, dpa