Mächtig stolz zeigte Alexander Zverev immer wieder seine Goldmedaille. Als erster deutscher Olympiasieger im Herren-Einzel hat sich der 24-jährige Hamburger in der Tennis-Historie verewigt.
«Es gibt momentan wenige Menschen, die glücklicher sind als ich. Ich habe so ein goldenes Ding um den Hals rum, und das ist nicht eine von den 50 Ketten, die ich normalerweise trage», sagte Zverev nach seinem 6:3, 6:1 im Finale gegen den Russen Karen Chatschanow. Nach dem Coup von Tokio suchte Zverev nach den richtigen Worten, um seine Gefühlswelt zu beschreiben.
«Das Ding ist schwer, aber sehr angenehm», sagte er über die Medaille als wertvollste Trophäe seiner Sammlung: «Und das nehme ich erst mal nicht ab, bis ich irgendwann zuhause bin.» Mit einer entschlossenen und eindrucksvollen Leistung hatte der beste deutsche Tennisspieler zuvor das kleine Olympia-Wunder vollbracht. Anders als nach dem sensationellen Halbfinal-Erfolg über den Weltranglistenersten Novak Djokovic kamen Zverev nicht die Tränen. Er strahlte und strahlte nach seinem Gold-Triumph, den selbst Boris Becker nie geschafft hatte.
Historischer Erfolg
33 Jahre nach dem Olympiasieg von Steffi Graf gab es für den Deutschen Tennis Bund wieder Einzel-Gold. «Es gibt nichts Besseres, denke ich», sagte Zverev und wollte in diesem Moment des Glücks keine Gedanken an die US Open oder andere Grand-Slam-Turniere verschwenden.
«Ich kann es mit nichts vergleichen. Ich habe die ATP Finals gewonnen», sagte der Weltranglisten-Fünfte. «Aber die Goldmedaille und diese Olympischen Spiele, dieser Wert ist unglaublich. Das ist so viel größer als alles andere im Sport. Die Gefühle, die ich habe, und die Gefühle, die ich wahrscheinlich in ein paar Tagen haben werde, sind nicht vergleichbar mit irgendwas anderem.»
Am Tag zwischen seinem Wahnsinns-Sieg über Djokovic und dem Endspiel hatte Zverev bewusst sein Handy ausgeschaltet, um sich von Nichts und Niemandem ablenken zu lassen. Nicht davon, dass ihn nun alle für den Favoriten auf Gold hielten, nicht von Anrufen. Und dann packte Zverev am finalen Tag des olympischen Tennis-Turniers die Chance, die nach seiner Überraschung gegen den serbischen Weltranglisten-Ersten zum Greifen nahe war. Zverev erwischte einen Start wie erhofft.
«Medaille gehört ganz Deutschland»
Er legte früh vor und ließ sich weder von den Rufen von Olympia-Protesten, die zu Beginn von außen in die Arena schallten, noch vom Weltranglisten-25. Chatschanow aufhalten oder aus der Ruhe bringen. Als er nach 1:19 Stunden seinen Matchball verwandelt hatte, sank Zverev überwältigt auf die Knie und verbarg sein Gesicht in den Händen. Der deutsche Fußballmeister aus München gratulierte mit einem Bild von Zverev im Bayern-Trikot. «Diese Medaille gehört ganz Deutschland, es war die beste Woche meines Lebens», sagte er: «Es gab wenige Momente in meinem Leben, wo ich mich besser gefühlt habe.»
Er habe sich nie vorstellen können, einmal die Goldmedaille um den Hals zu tragen. «Ich habe keine einzige Sekunde für mich selbst gespielt», betonte er immer wieder und geriet ins Schwärmen: «Ich habe für alle Leute hier im Dorf gespielt. Für alle, meine Familie, meine Eltern, meine Tochter, alle, die zuhause mitgefiebert haben.
Zverev will beliebter werden
Sein Auftreten in Japan dürfte seinem Image in der Heimat zugute kommen. Unnahbar, zuweilen ein wenig arrogant – so war die größte sportliche Tennis-Hoffnung seit Beckers Zeiten in der Vergangenheit bei manchen rübergekommen. Mittlerweile zielt er mit seinem Umfeld darauf ab, in Deutschland beliebter zu werden.
Schon lange wird dem 1,98 Meter großen Rechtshänder nachgesagt, das Potenzial für die ganz großen Siege im Tennis zu besitzen. Seine Kritiker hätten immer andere für besser gehalten, räumte er ein. Aber jetzt habe er zu seinen 15 Titeln eben auch noch den Olympiasieg.
Im US-Open-Endspiel im vergangenen Jahr hatte Zverev die Zweifler noch nicht widerlegen können. Obwohl er anfangs klar vorne lag und am Ende nur zwei Punkte vom Grand-Slam-Traum entfernt war, hatte er dem Druck gegen den Österreicher Dominic Thiem nicht standgehalten.
Gegner ohne Chance
In diesem Match nur über zwei Gewinnsätze ließ er seinem Gegner diesmal keine Chance mehr. Zverev dominierte mit seinem Aufschlag, seinem Mut zur Offensive und seiner Wucht von der Grundlinie.
21 Jahre ist es her, dass Tommy Haas als letzter Deutscher im Herren-Einzel Silber holte. Zverevs Medaille war erst die vierte deutsche im Herren-Einzel. Becker war an der Seite von Michael Stich 1992 Olympia-Gold im Doppel gelungen. Angelique Kerber war vor fünf Jahren mit der Silbermedaille dekoriert aus Rio de Janeiro zurückgereist. Für Brasilien hatte Zverev aus gesundheitlichen Gründen abgesagt. Jetzt genoss er die Olympia-Atmosphäre, krönte sich mit Gold – und wusste nur bei der Frage, wie er nun feiert, keine Antwort. «Ich hoffe, das Deutsche Haus hat mehr Ideen als ich. Denn ich bin im Moment relativ ahnungslos», sagte Zverev. Am Montagabend wird er tatsächlich als Olympiasieger in der Heimat landen.
Kerber und Haas gratulieren
Die Olympia-Medaillengewinner Angelique Kerber und Tommy Haas gratulierten Zverev. «Eine historische Leistung und Momente, die für immer bleiben werden. Er kann so was von stolz auf sich sein und hat hochverdient gewonnen», teilte Kerber, Olympia-Zweite von Rio 2016, der Deutschen Presse-Agentur mit. Sie habe aus der Ferne die ganze Woche mit dem 24-jährigen Hamburger mitgefiebert. «Man hat gemerkt, wie viel es ihm bedeutet hat, die Medaille für Deutschland zu holen und welche Kräfte es bei ihm freigesetzt hat», sagte Kerber, die verletzungsbedingt auf die Sommerspiele verzichtet hatte.
2000 hatte Tommy Haas in Sydney Silber geholt. «Was für eine Tennis-Woche du da hingelegt hast, unfassbar geil», gratulierte Haas. «Genieße den Moment. Es ist etwas ganz Besonderes, das du den Rest deines Lebens nicht vergessen wirst.»
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