22. November 2024

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Slalomkanutin Andrea Herzog holt Canadier-Bronze

Einst wurde Andrea Herzog belächelt und für zu leicht befunden. Nun holte sie nach ihrem Überraschungscoup bei der WM 2019 auch bei der Olympia-Premiere im Canadier eine Medaille.

Nach dem Bronze-Coup bei der Olympia-Premiere herzte Slalomkanutin Andrea Herzog ihren Trainer, ehe sie ihrem Freund Philipp Reichenbach in die Arme fiel. «Ich bin gerade überglücklich, ich kann es nicht fassen. Die anderen sind super gefahren», sagte die 21-jährige Leipzigerin.

Die Anderen, das waren die mehrmaligen Weltmeisterinnen Jessica Fox (27) aus Australien und Mallory Franklin (27) aus Großbritannien, die im Einer-Canadier im Kasai Canoe Slalom Centre in Tokio Gold und Silber holten. Auch Herzog zeigte am Donnerstag ein enormes Gefühl beim Tanz um die Stangen und fuhr beim ersten Olympia-Rennen in dieser Disziplin solide zu Bronze.

Dritte Medaille für Deutschen Verband

Für das deutsche Kanuslalom-Team ist es nach Gold durch Ricarda Funk und Bronze durch Sideris Tasiadis bereits die dritte Medaille nach dem dritten Wettbewerb bei den Sommerspielen in Tokio. Dies gelang zuletzt bei Olympia 1996 in Atlanta. «Das gibt uns Zuversicht», sagte Kanu-Verbands-Präsident Thomas Konietzko.

Sportsoldatin Herzog hatte auf der anspruchsvollen Strecke im 25-Stangen-Labyrinth einen Rückstand von 6,09 Sekunden auf die Olympiasiegerin. Herzog leistete sich genau wie Franklin einen Fehler, Fox blieb bei ihrem Lauf dagegen fehlerfrei. Die junge Deutsche wollte angreifen, fand aber die perfekte Linie nicht.

«Ich wusste, dass der Lauf nicht perfekt ist. Es waren einige kleine Ecken drin, unter anderem habe ich eine Rückwärtsdrehung an Tor neun gemacht, die nicht unbedingt geplant war», sagte sie selbstkritisch und fügte an: «Auch die blöde Berührung war total bescheuert, aber sie ist nun mal passiert und ich bin froh, dass es trotzdem noch gereicht hat. Ich hätte mich schon sehr über den vierten Platz geärgert.»

«Ich ziehe den Hut»

Ihr Trainer Felix Michel war happy. «Sie ist erst 21, ich ziehe den Hut, mit so viel Kaltschnäuzigkeit da oben am Start zu stehen und es runterzureißen und die Medaille zu holen, das machen nicht viele», sagte der Bundestrainer Canadier. «Gegen eine Franklin, gegen eine Fox am Ende auf Platz drei rauszukommen, ist aller Ehren wert.»

Die im sächsischen Meißen geborene Herzog reiste mit dem Selbstbewusstsein eines Weltcupsieges nach Tokio. Bei der Olympia-Generalprobe auf der Heimstrecke in Markkleeberg bei Leipzig bezwang sie mit einem fast perfekten Lauf die komplett versammelte Weltelite. «Den Sieg hake ich gleich wieder ab, in Tokio geht es bei Null los», sagte sie. Sie liebt es ohnehin lieber defensiv und ruhig.

Herzog kann mit Druck umgehen

Doch Drucksituationen sind ihr nicht fremd: Nach ihrem Überraschungssieg bei der WM 2019 – da war sie selbst erst 19 Jahre – wurde es spannend. «Ich habe erstmal etwas gebraucht, um mit der Verantwortung und der Drucksituation klar zu kommen», sagt sie offen und ehrlich. Daher war sie auch über die Olympia-Verschiebung um ein Jahr nicht traurig. «Da hatte ich mehr Zeit, um mich mit der Situation anzufreunden.»

Das kannte sie auch aus ihrer Kindheit: Bei ihren ersten Paddelversuchen wurde sie für zu leicht befunden – und belächelt. In jungen Jahren, wo sie viel mit der Familie im Kanu unterwegs war, machte sie mit ihrem Bruder Robert einen Ausflug in Slowenien zum wilden Fluss Soča. Beim Anblick der damals noch jungen Schülerin war der verantwortliche Instrukteur pessimistisch. Zu zierlich, zu klein und zu kraftlos gegen das wilde Wasser – so sein Urteil. Herzog belehrte ihn eines besseren und bezwang die Strömungen und Wasserwalzen beeindruckend – so wie bei Olympia in Tokio.

Nun steht für Herzog erstmal eine ausgelassene Feier daheim mit der Familie an – und Urlaub. Dann gibt es neue Ziele. «Die gehen nicht aus. Blöd gesprochen war es jetzt nur die Bronzemedaille in Anführungsstrichen. Ich habe noch Luft nach oben, man kann sich immer verbessern», sagte sie. Der Kanusport mache ihr «unglaublich Spaß, man muss nicht alles an Medaillen messen. Ich habe Bock drauf, noch ein paar Jahre weiter zu machen».

Von Frank Kastner, dpa