Die Olympischen Spiele drohen nach Ansicht eines Experten indirekt zu einem Anstieg der Corona-Infektionszahlen zu führen.
Nicht die Olympia-Teilnehmer seien das Hauptproblem, sagte der Politikprofessor Koichi Nakano von der Sophia University in Tokio der Deutschen Presse-Agentur. Vielmehr sei es der Umstand, dass die Spiele überhaupt stattfinden zu einem Zeitpunkt, da die Bevölkerung über den immer wieder verlängerten Corona-Notstand zunehmend «frustriert» sei. «Die Leute werden ungeduldig und hören nicht mehr auf die Regierung», sagte Nakano und führte als Beispiel die Radrennen am Vortag an. Zahlreiche Zuschauer waren am Straßenrand zu sehen, mitunter standen sie in mehreren Reihen an der Strecke.
Olympia-Dauerberieselung
Im Vorfeld der Spiele hatte sich eine Mehrheit der Bevölkerung noch gegen die Spiele ausgesprochen. Doch jetzt, da die Spiele begonnen haben, würden manche denken, «es mache keinen Sinn, zu protestieren. Jetzt könne man die Spiele auch unterstützen», sagte Nakano. «Das ist ein sehr typisch japanisches Denken», so der Politikwissenschaftler. Hinzu komme, dass praktisch sämtliche Fernsehstationen in Folge des massiven Einflusses der japanischen Werbeagentur Dentsu, die als exklusiver Marketingpartner der Spiele auch die Werbe-Slots vergebe, von den Olympischen Spiele vereinnahmt worden seien. Es sei in ihrem Interesse, die Bürger durch Dauerberieselung für Olympia zu gewinnen.
Das dadurch geschürte Interesse an den Spielen führe dazu, dass viele Bürger ungeachtet aller Appelle der Regierung nicht zu Hause blieben, sondern wie bei den Radrennen so nah wie möglich etwas von Olympia mitbekommen wollten. So hatten sich auch zur Eröffnungsfeier Hunderte dicht gedrängt vor dem Stadion eingefunden und sich das Feuerwerk angeschaut, obwohl sie nicht ins Stadion hinein durften. Nakano befürchtet in den nächsten Tagen einen drastischen Infektionsanstieg.
Am Sonntag meldete Tokio 1763 Neuinfektionen innerhalb von 24 Stunden, nach 1128 am Vortag. Damit liegt die Zahl der Neuinfektionen seit sechs Tagen in Folge über 1000 Fällen. Dass die Zahlen im Moment relativ niedrig seien, läge daran, dass über die Feiertage und das Wochenende kaum getestet worden sei, erklärte Nakano. Mit dem Appell des Staates, zu Hause zu bleiben, sei es wie mit einem starken Raucher, «der seinen Kindern erklärt, sie sollten nicht rauchen».
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