Im Olympischen Park in Barra da Tijuca, den im August 2016 Tausende Sportler, Trainer und Zuschauer bevölkerten, ist es still an diesem Tag. Palmen säumen den breiten Weg durch das ehemalige Herz der Spiele von Rio.
Bäume und Sträucher wurden gepflanzt und Bänke aufgestellt, die zum Verweilen einladen. Lange kann man auch bei der Wall of Champions stehenbleiben und Medaillengewinner wie die brasilianische Judoka Rafaela Silva oder das Beachvolleyball-Duo Laura Ludwig/Kira Walkenhorst suchen.
«Vorhaben gescheitert»
Dennoch sind nur ein paar Besucher unterwegs, gehen spazieren, fahren Fahrrad oder Skateboard. Es gibt keinen Schatten, keine öffentlichen Toiletten, keine Wasserspender oder Essensbuden. Der Olympia-Park Rios ist ein Beispiel dafür, wie Tokios Vorgänger als Gastgeber mit der Erfüllung des Versprechens vom olympischen Erbe für die Stadt und die Bevölkerung ringt. «Die Umsetzung lässt zu wünschen übrig», schreibt das Nachrichtenportal «G1». «Bauten sind unvollendet, Vorhaben gescheitert und Projekte auf dem Papier geblieben.»
So wie die Arena do Futuro, in der während der Spiele die Handballer um Medaillen kämpften und die danach in vier Schulen verwandelt werden sollte. Sie wird seit fünf Jahren nicht benutzt. Ab September soll die Arena wie vorgesehen abgebaut und in vier Schulen verwandelt werden, wie Bürgermeister Eduardo Paes am Donnerstag ankündigte. «Es gibt keinen weißen Elefanten hier», sagte der Olympia-Bürgermeister, der seit 1. Januar wieder im Amt ist, bei einer Pressekonferenz zur Wiederaufnahme des olympischen Erbes im Olympiapark am Donnerstag.
Die einzige der Hallen, die sich mit kostenlosen Aktivitäten wie Gymnastik, Handball oder Kampfsport für Hunderte Kinder und Jugendliche regelmäßig in Betrieb befindet, ist jedoch die Arena Carioca 3. Jahrelang haben sich Rio und Brasília die Verantwortung für die Hallen zugeschoben.
«Es hat Planung gefehlt»
In den von der Regierung verwalteten Hallen finden gelegentlich Wettkämpfe statt wie die Panamerikanischen Meisterschaften im Turnen oder die brasilianischen Schulspiele im Oktober. Felipe Michel schmerzt es, den Olympia-Park so zu sehen. «Es hat Planung gefehlt», sagt der Stadtrat. «Die Stadtverwaltung Rios hat an die Olympischen Spiele gedacht, an die großen Bauten, vergaß aber, einen Plan für ein olympisches Erbe für unsere Kinder, Jugendlichen und Athleten zu hinterlassen.» Ein großes Trainingszentrum etwa, Partnerschaften mit der Privatwirtschaft, nachhaltiges Management.
Im Parque Radical in Deodoro herrscht mehr Leben. Hunderte Jogger, Skateboarder, Hundebesitzer und Familien zum Picknick kommen fast jeden Tag hierher. Während Sportstätten wie die BMX-Strecke hier wegen fehlender Instandhaltung bereits heruntergekommen sind, wurden städtische Infrastrukturprojekte anderswo immer noch nicht beendet.
Die Metrolinie 4 zwischen der Südzone und Barra, die beinahe nicht fertig geworden wäre, erleichtert zwar das Fortkommen; für Strecken, für die man früher zwei Stunden kalkuliert hat, braucht man nur noch eine halbe Stunde. Aber die Arbeiten an der Station Gávea sind seit 2015 gestoppt, in der Station steht das Wasser.
Im April, auf dem Höhepunkt der Corona-Pandemie, waren weniger als die Hälfte der fast 300 Schnellbusse im Einsatz und ein Drittel der mehr als 130 Stationen gesperrt. Die Stadtverwaltung wollte damit die Mobilität einschränken, wurde jedoch für überfüllte öffentliche Transportmittel kritisiert. Rückschritt statt Erneuerung wie in Barcelona zu den Spielen 1992, wovon die Olympia-Bewerbung der Stadt mit den unzähligen Postkartenmotiven inspiriert war.
Spiele waren mit großen Hoffnungen verbunden
So erlebte auch die Hafengegend eine Wiederbelebung. Der olympische Boulevard hauchte einer zuvor verlassenen Gegend neues Leben ein. Die Zona Portuária ist heute Touristenattraktion und Freizeitort – auch wenn sie bisher nicht einen Zuzug auslöste oder Unternehmen anlockte.
Die Olympischen Spiele waren überhaupt mit großen Hoffnungen verbunden. Das Sportevent sollte Rio de Janeiro, dessen Niedergang mit der Verlegung der Hauptstadt nach Brasília in den 1960er Jahren begonnen hatte, Aufschwung und dem unter dem linken Präsidenten Luiz Inácio Lula da Silva aufstrebenden Brasilien eine internationale Vormachtstellung bringen. Doch das Bild vom Giganten, der – der Christusstatue auf dem Cover des «Economist» gleich – abhebt wie eine Rakete, hatte schon vor den Olympischen Spielen 2016 und auch vor der Fußball-Weltmeisterschaft 2014 Schäden bekommen. Die Freude über die ersten Sommerspiele Südamerikas in Rio wich bald der Ernüchterung.
Einmal mehr handelte es sich um einen «voo de galinha», den Flug eines Huhns, eine kurze Phase des Booms. Dem Hühnerflug folgte der Absturz. Die Lula-Regierung gab mit vollen Händen Geld aus, die Kosten für die Spiele stiegen, die Korruption rund um die neuen Bauten blühte. Der Bundesstaat Rio de Janeiro ging pleite, nach den Spielen fehlte Geld für Schulen, Universitäten und Krankenhäuser.
Während der Corona-Pandemie ist es besonders traurig gewesen, durch das Zentrum zu fahren. Geschäfte sind geschlossen, Türen verriegelt, die Straßen fast leer. Unter Vordächern drängen sich Obdachlose. Nun soll das Zentrum revitalisiert und das olympische Erbe fortgeführt werden. «Wir werden das Vermächtnis umsetzen, das zum Zeitpunkt der Planung der Spiele von Rio 2016 vorgesehen war», sagte Bürgermeister Eduardo Paes im Olympiapark. Am Abend, zu Ehren der Spiele in Tokio und zur Erinnerung an Rio 2016, entzündete Paes die olympische Flamme im Zentrum wieder. Nur wenige Stunden später erlosch das Feuer, angeblich wegen eines technischen Problems.
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