25. November 2024

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Pingpong am Küchentisch: Olympia-Kinder und Sportler-Eltern

Tausende Olympioniken müssen in Tokio ohne ihre Fans und Familie auskommen. Manche Eltern sind trotzdem dabei: als Trainer. Die jüngste deutsche Olympia-Starterin ist erst 14 - und auf ihren Vater hätte Lilly Stoephasius in Japan keinesfalls verzichtet.

Mit Pingpong am Küchentisch und einem Cartoon-Trick ging für Dimitrij Ovtcharov einst alles los – und bis heute kann sich der Weltklasse-Tischtennisspieler auf seinen Vater voll und ganz verlassen.

«Da war er sechs Jahre alt», erzählt Papa Michail lachend über den ersten Schlagabtausch mit seinem Filius. Seither sind Spielersohn und Trainervater ein starkes Team. «Er hört schon auf mich, auch wenn er es nicht immer zugibt», sagt der Senior der Deutschen Presse-Agentur.

Vater und Sohn sind ein starkes Team

Mit zweieinhalb Jahren kam Dimitrij aus der Ukraine nach Deutschland, drei Jahrzehnte später ist er ein Fahnenträger-Kandidat für die am 23. Juli startenden Olympischen Spiele in Tokio. Drei Olympia-
Medaillen hat der 32 Jahre alte Schmetterkünstler in seiner bemerkenswerten Karriere erkämpft: 2008, 2012 und 2016. Ovtcharov war auch schon die Nummer 1 der Welt, er spielt für den russischen Club Fakel Orenburg und eroberte 2013 und 2015 den EM-Titel.

Sein Vater kennt ihn so gut – er muss gar nicht in Tokio in der Halle stehen. «Training ist wichtiger», meint Michail Ovtcharov, der an Dimitrij vor allem eines schätzt: «Den Kampfgeist! Er gibt nie auf – auch wenn es im letzten Satz 2:8 steht.»

Mit einem cleveren Kniff hatte er seinem Sohn einst die Speed-Sportart schmackhaft gemacht. «Wenn ich zum Beispiel Cartoons geguckt habe, hat er mir gesagt, dass diese Cartoonfiguren auch Tischtennis spielen können», schildert Dimitrij. «Er hat mich nie zu etwas gedrängt, aber immer mein Eigeninteresse gefördert. Er hat mich mit sehr vielen Ideen und Überraschungen für diesen Sport motiviert.»

Wie Ovtcharov jun. müssen fast alle Olympioniken in Tokio ohne ihre treuen Fans auskommen – von den Eltern ganz zu schweigen. Denn Besucher aus dem Ausland sind bei den Sommerspielen in Nippon außen vor, nicht mal japanische Zuschauer sind wegen der Corona-Krise zugelassen. Großes Glück haben also jene Sportler, die vom Vater oder von der Mutter trainiert werden – und dann auch eine der begehrten Akkreditierungen ergattert haben.

Das Skateboard muss immer mit

Lilly Stoephasius ist 18 Jahre jünger als Ovtcharov. Selbst im Frankreich-Urlaub hatte sie kürzlich ihr Skateboard dabei, und beim spannendsten Abenteuer ihres Lebens setzt der Teenager bald wieder auf den größten Glücksbringer: ihren Vater Oliver. Der 58-Jährige ist für das Küken im deutschen Olympia-Team Trainer und Mentalcoach, Tippgeber und vielleicht auch mal Trostspender. «Auch als ich noch nicht qualifiziert war, habe ich schon immer gesagt, ja, mein Vater muss auf jeden Fall mit», sagt die erst 14 Jahre alte Berlinerin, die in der Skateboard-Disziplin Park startet.

Am 27. Juli düst sie mit ihrem Vater nach Tokio. Beide wohnen in einem Hotel in der Nähe des Olympischen Dorfs. Dort geht es für den Vater dann um die ganz praktischen Dinge. «Ich kann sie beruhigen, wenn sie mal etwas nicht schafft und kurz davor ist, aus der Haut zu fahren», sagt der Vater in einem dpa-Gespräch. «Und Lilly hat keine Kreditkarte, ich kann sie ja nicht mit 1000 Euro durch Tokio schicken.» Er möchte seiner Tochter, die schon ein Dutzend Länder bereist hat, einfach «die Angst vor dem Unbekannten nehmen».

Familienausflug für die Kauls

Für die Kauls wird Tokio sogar zu einem Familienausflug, wenn auch mit viel Arbeit, Stress und Schweiß verbunden. Niklas Kaul, der jüngste Zehnkampf-Weltmeister der Leichtathletik-Geschichte, strebt eine Medaille an. Gemeinsam mit ihrem Ehemann Michael trainiert Stefanie Kaul ihren Sohn schon seit dessen Jugend.

«Das ist schon ein Privileg», sagt sie der dpa. «Aber letztlich geht’s gar nicht um unsere Wünsche, sondern um eine optimale Betreuung. Beide Mehrkämpfe laufen ja diesmal parallel, deshalb kümmern wir uns auch um die Siebenkämpferin Carolin Schäfer», berichtet sie. Oft eingreifen müssen die Eltern wohl nicht. «Niklas ist sehr eigenständig und erwachsen. Er hat seinen eigenen Kopf», erzählt die Mutter über den 23 Jahre alten Sport- und Physikstudenten vom USC Mainz.

Wenn es Redebedarf gibt, dann nur «kurz und knapp und klar. Ich bin für die Ansprachen wichtig, wenn’s mal nicht so gut läuft. Mein Mann ist eher fürs Fachliche zuständig.» Beide wissen genau, dass man «keine persönlichen Befindlichkeiten ins Spiel bringen darf». Und außerdem braucht der Sensationsweltmeister von 2019 in Doha kein intensives Coaching. «Niklas ist hellwach, er kann sich auf den Punkt konzentrieren und guckt nicht ständig nach rechts und links.»

Wrobels Mutter ist sein «bester Freund»

Der Diskuswerfer David Wrobel ist sieben Jahre älter als Zehnkämpfer Kaul – beide geben in Tokio ihr Olympia-Debüt. Ohne seine Mutter Elly wäre Wrobel nie so weit gekommen. Das mal zu sagen, ist ihm wichtig. «Mit ihrer Hilfe habe ich mich in all den Jahren nach oben durchgeboxt, bei Kreismeisterschaften hat sie den Schirm gehalten, wenn es geregnet hat», erzählt der 30-Jährige vom SC Magdeburg und schickt eine Liebeserklärung hinterher: «Sie hat viel Herzblut und Geld investiert, meine Mutter war immer da, wenn ich sie gebraucht habe. Sie ist mein bester Freund.»

Bei der WM in Doha, als Wrobel in der Qualifikation 16. wurde, saßen Elly Wrobel und ihr Lebensgefährte im Stadion und fieberten mit – diesmal geht das nur vor dem Fernseher. «Ich hatte immer das Gefühl, der Sport, das ist sein Leben! Er hat alles dafür gegeben», betont die Mutter. Am Quali-Tag der Diskuswerfer wird Frau Wrobel ganz zeitig aufstehen, um 2.45 Uhr Heimatzeit startet die erste Gruppe. Schon die Nominierung war für sie «wunderschön», schwärmt sie. «Jetzt zahlt sich das alles aus, wofür er sein Leben lang gearbeitet hat.»

Der Reiter Michael Jung hat hingegen den persönlichen Coach an seiner Seite. «Mein Papa kommt mit, auch als Trainer», sagt der dreimalige Olympiasieger. «Der Rest der Familie muss dieses Mal leider zu Hause bleiben und am Fernseher mitfiebern.»

Von Ralf Jarkowski, dpa