Patrick Konrad breitete im peitschenden Pyrenäen-Regen von Saint-Gaudens seine Arme aus und fasste sich ungläubig an den Kopf.
Mit seinem ersten Tagessieg bei der Tour de France landete der 29 Jahre alte Landesmeister aus Österreich nicht nur den größten Erfolg seiner Karriere, sondern machte auch sein Team Bora-hansgrohe glücklich. «Ich habe eine Etappe gewonnen, ich bin wirklich sprachlos. Dieser Sieg ist für meine Familie, meine Freunde und für alle, die an mich geglaubt haben. Das macht mich wirklich stolz», sagte Konrad. Für den deutschen Rennstall war es nach dem Solo von Nils Politt der zweite Tagessieg bei dieser Tour.
Nach 169 Kilometern von Pas de la Case nach Saint-Gaudens hatte sich Konrad, der am Samstag schon Tageszweiter geworden war, am Dienstag bei widrigen Bedingungen vor Sonny Colbrelli aus Italien und Michael Matthews aus Australien durchgesetzt. Seinem knapp 40 Kilometer langen Solo durch den kontinuierlichen Regen folgte die Erlösung im Ziel, als Konrad sein Meisterstück erst realisierte. «Es war etwas Zeit zu feiern. Ich bin superglücklich und ich kann diesen Moment jetzt voll und ganz genießen», sagte Konrad. Sein Schwager habe ihm vorher mitgegeben, dass «der Fleißige das Glück» ernte.
Auf dem hügeligen und anspruchsvollen Teilstück war unter anderem der Col de Portet-d’Aspet zu überwinden, auf dessen Abfahrt vor 26 Jahren der Italiener Fabio Casartelli tödlich verunglückte. Unmittelbar vor zwei knallharten Pyrenäen-Bergankünften ging diesmal – trotz der Wetterkapriolen – alles gut. Konrad hielt die beiden stärksten Rivalen Colbrelli und David Gaudu aus Frankreich nach einer Attacke etwa 40 Kilometer vor dem Ziel souverän auf Distanz.
Eine Etappe für Ausreißer
«Er fährt ein super Rennen. Er ist heute wirklich einer der Stärksten», lobte der Sportliche Leiter Enrico Poitschke auf den letzten Kilometern in der ARD. Mit dem zweiten Etappensieg sei es jetzt schon «eine fantastische Tour». Die deutschen Radprofis um Emanuel Buchmann blieben erneut unauffällig, Tadej Pogacar verteidigte ganz unaufgeregt das Gelbe Trikot des Gesamtführenden.
Wie vorhergesagt wurde die 16. Etappe etwas für Ausreißer, die sich von Beginn an nach vorne schoben und mutig attackierten. Irgendwann kam eine Gruppe durch, das von Pogacar geführte UAE-Team ließ die Ausreißer ziehen, weil keine Gefahr für das Gelbe Trikot bestand. Innerhalb der Spitzengruppe gab es weitere Attacken, um nicht in ein Sprintfinale mit dem endschnellen Colbrelli zu müssen. Konrads Mut erinnerte dabei an Politt, der seinen Tagessieg in Nimes ebenfalls mit einer Attacke aus einer Fluchtgruppe eingeleitet hatte.
Gelb-Träger Pogacar ohne Probleme
Für Pogacar und Co. wurde es wie erwartet eine Überführungsetappe, bei der es ausschließlich galt, gut und sicher durch den Regen und die Kälte zu kommen. Schon am Mittwoch wird es dann aber endgültig ernst: Auf dem Weg zum extrem schwierigen Schlussanstieg am Col du Portet in Saint-Lary-Soulan geht es über zwei Pässe der ersten Kategorie. Der Gelb-Träger aus Slowenien nannte die 17. Etappe «die schwierigste» der verbleibenden Tour.
Die drei Verfolger Rigoberto Uran (Kolumbien), Richard Carapaz (Ecuador) und Jonas Vingegaard (Dänemark) dürften weitere Attacken setzen, um eine Minimalchance auf den Gesamtsieg wahren zu können. Auch wenn der viermalige Sieger Chris Froome bereits sagte: «Ich würde sagen, wenn Tadej Pogacar auf seinem Rad bleibt, ist es vorbei. Er hat so viel Reife gezeigt.» Für das Trio Uran, Carapaz und Vingegaard sowie Bora-hansgrohe-Profi Wilco Kelderman ist aber auch das Gesamtpodium ein attraktives Ziel.
Schon in den frühen Morgenstunden hatte Lachlan Morton die letzte Etappe seiner ganz persönlichen Tour beendet. Der Australier fuhr, nachdem er für das wichtigste Radrennen der Welt nicht nominiert wurde, alleine eine alternative Rundfahrt, auf der er 5510 Kilometer und 65.500 Höhenmeter überwand. Mit Zelt und Campingkocher im Gepäck bewältigte der 29 Jahre alte Profi nicht nur die 21 Etappen, sondern legte auch die Transfers zwischen den Start- und Zielorten und damit über 2000 Kilometer mehr mit dem Rad zurück. Dabei sammelte Morton über 400.000 Euro an Spenden für den World Bicycle Relief.
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