Zum Öffnen des Champagners reichte die Kraft noch. Müde und glücklich stand Lachlan Morton in der Morgendämmerung barfuß auf den Champs-Élysées in Paris und belohnte sich nach seiner herausragenden Leistung mit einem großen Schluck des französischen Edelgetränks.
Der Radprofi war um 5.30 Uhr am Ziel einer unglaublichen Reise. Er hat die Tour de France allein bewältigt. Fünf Tage schneller als das Peloton und mit über 2000 zusätzlichen Kilometern in den Beinen.
«Eine unvorstellbare Leistung»
«Das ist eine unvorstellbare Leistung. So unvorstellbar unbequem. Aber Lachy hat sich in einer Art und Weise gewehrt, wie es wohl nur wenige getan hätten. Schlaf gut, mein Freund. Chapeau», twitterte sein Teamchef Jonathan Vaughters. Sein Rennstall EF Pro Cycling schrieb: «Chapeau, Lachlan. Vielen Dank, dass Du uns auf dieses Abenteuer mitgenommen hast.» Teamchef Vaughters hatte schon zu Beginn von Mortons irrer Tour gescherzt: «Die Therapie hat offenbar nicht geholfen.»
Morton war von seiner Mannschaft nicht für die Tour nominiert worden. Eine Überraschung war das nicht. Der Radsport-Hipster aus Australien reiste trotzdem an und fuhr die Tour. Die alternative Tour, wie er es nannte. Immer auf der Suche nach dem wahren Geist des Rennens. Morton legte nicht nur die 21 Etappen zurück, er bewältigte auch die Transfers zwischen den Start- und Zielorten auf dem Rad. Am Ende standen 5510 Kilometer auf dem Tacho, die kurz vor ihm am 26. Juni in Brest gestarteten Profis kommen auf 3414,4 Kilometer. Morton erklomm 65.500 Höhenmeter, verbrachte 220 Stunden im Sattel.
Nächtigen im Zelt – Abendessen aus der Dose
Über Social Media konnte die ganze Welt zuschauen. Zuschauen, wie er gegen die Naturgewalten kämpfte. Zuschauen, wie er am Ende seiner Kräfte war und Freunde aus aller Welt ihn ein Stück begleiteten und wieder aufbauten. Zuschauen, wie er in sein Zelt kroch, das kaum größer als eine Hundehütte ist.
Morton stoppte in Cafés zum Mittagessen. Sein Abendessen kam meistens aus der Dose, aufgewärmt mit einem kleinen Campingkocher nach mehreren Hundert Kilometern am Ende eines Tages. Einen Großteil der Strecke legte der 29-Jährige in Sandalen zurück. Und selbst die waren so zurechtgeschnitten, dass sie so wenig wie möglich Druckstellen hinterließen. Seine einmalige Reise verband Morton mit einem guten Zweck und sammelte bis Dienstagmittag über 400.000 Euro an Spenden für den «World Bicycle Relief», der Fahrräder an Menschen in Entwicklungsländern spendet.
Morton ist alles andere als ein gewöhnlicher Radprofi. Er trägt meistens Schnurrbart, Tattoos zieren seinen Körper, er genießt gern das Leben. Mit seinem Bikepacking-Abenteuer wollte er nicht nur Spenden sammeln, sondern auf die Spuren des Geistes der wahren Tour gehen. Jener von 1903, als die Teilnehmer bis zu 470 Kilometer pro Tag zurücklegen mussten, durch die Nächte fuhren und auf Feldern schliefen.
«Diese Ära war aufregend. Der Tour-Direktor wollte damals, dass nur ein Fahrer das Ziel erreicht», sagte Morton vor dem Start. «Ich weiß, dass es ein großes Vorhaben ist. Und ich bin nicht mal sicher, ob es überhaupt möglich ist.» Genau das hat er an diesem lauen Morgen in Paris bewiesen.
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