Mark Cavendish reckte mit letzter Kraft die Faust nach oben, ließ sich im Blitzlichtgewitter feiern und zeigte auf dem Siegerpodest die magische Zahl.
«Das war mein erster Versuch auf die 34. Ich kann das immer noch nicht glauben», sagte der neue Rekordsieger, der nun auf einer Stufe mit Radsport-Legende Eddy Merckx steht, nach seinem Erfolg in Carcassonne. Es war der vierte Sieg im vierten Massensprint.
Cavendish scheut Merckx-Vergleich
Den direkten Vergleich mit dem heute 76 Jahre alten Merckx hält Cavendish aber für unangebracht. «Ich denke nicht, dass ich je auf einer Stufe mit Merckx sein werde. Er ist der Größte.»
Nach seiner nächsten Meisterleistung im Finale der 219,9 Kilometer langen Etappe musste sich Cavendish im sonnendurchfluteten Zielbereich erst einmal setzen. «Jetzt ist Mark auf einer Stufe mit Eddy Merckx. Das ist ganz speziell, die Marke von so einer Legende zu erreichen», sagte der Däne Michael Mörköv, der als Anfahrer Zweiter hinter dem «King Cav» genannten Sieger wurde.
Mit 101 Punkten Vorsprung ist Cavendish im Kampf um das Grüne Trikot kaum noch einzuholen, er muss es eigentlich nur noch über die Pyrenäen schaffen. Und dann kann der dominierende Routinier in Libourne oder Paris sogar noch alleiniger Rekordhalter werden. «Es ist Geschichte. Man kann sagen, dass Mark der beste Sprinter in der Geschichte des Radsports ist», sagte Mörköv.
«Man muss mit dem Druck umgehen können»
Zuvor hatte der Mann von Deceuninck-Quick-Step schon in Fougères, Châteauroux und Valence gewonnen. Doch so hart wie am Freitag war es davor noch nicht. «Ich bin so tot. Die letzten 20 Kilometer, die Hitze, der Wind», klagte der Brite, der nach der Einstellung der Bestmarke offen über seine Rolle sprach. «Es geht beim Sprint nicht nur um die Beine. Es geht um den Kopf. Man muss mit dem Druck umgehen können.»
Der Belgier Merckx, der die gleiche Anzahl an Tagessiegen zwischen 1969 und 1975 eingefahren hatte, muss die prestigeträchtige Bestmarke nun teilen. Zumindest solange, bis Cavendish mit einem 35. Sieg endgültig vorbeizieht. «Wenn auch nur ein Sieg ein Kind dazu inspirieren kann, mit dem Radsport anzufangen, dann bedeutet das die Welt für mich», stellte Cavendish klar.
Merckx hatte zuvor in der «Gazzetta dello Sport» betont: «Es gibt kein Problem, wenn Cavendish meinen Rekord holt. Ich werde deshalb keinen Schlaf verlieren. Wenn er es schafft, gratuliere ich, denn es ist nicht einfach, 34 Sprints zu gewinnen.» Die Legende des Radsports verwies dabei nochmal dezent auf seine 96 Tage im Gelben Trikot, seine Titel und seine Vielseitigkeit, mit der er verschiedenste Etappen gewonnen hatte.
Kein Tag für Ausreißer
Cavendish, der eine lange Durststrecke hinter sich hat, trumpft 2021 wieder auf wie in jungen Jahren. Der Coup in Carcassonne war bereits sein vierter Tagessieg, alle Massensprints im stark dezimierten Sprinterfeld gingen bislang an den Routinier. Mörköv und der Belgier Jasper Philipsen landeten am Freitag auf den Rängen zwei und drei. Auch ein Radwechsel rund 35 Kilometer vor dem Ziel konnte den Briten nicht ausbremsen.
Anders als am Vortag in Nimes, als Nils Politt für den ersten deutschen Sieg sorgte, ließen die Sprinter-Teams diesmal keine Gruppe zu weit wegziehen. Ein Trio um den Franzosen Pierre Latour führte das Rennen lange an, doch hinten im Peloton wurde das Geschehen jederzeit kontrolliert. Allen voran Deceuninck-Quick-Step tat erneut alles, um eine Massenankunft für Cavendish zu organisieren, nachdem dieser zuvor alle Sprintfinals beherrscht hatte.
Deutsche Fahrer unauffällig
Die Deutschen blieben diesmal unauffällig, nachdem Politt und André Greipel am Donnerstag noch mutig angegriffen hatten. Für Routinier Roger Kluge endete das Rennen vorzeitig. Der 35-Jährige war 65 Kilometer vor dem Ziel in einen Massensturz verwickelt, bei dem mehrere Fahrer eine Böschung hinuntergestürzt waren. Zunächst war unklar, wie schwer sich Kluge verletzt hatte.
Für Titelverteidiger und Gelb-Träger Tadej Pogacar wurde es erwartungsgemäß ein lockerer Tag. Der 22 Jahre alte Slowene verteidigte ohne Probleme seine Gesamtführung und liegt weiter über fünf Minuten vor Rigoberto Uran (Kolumbien) und Jonas Vingegaard (Dänemark).
Nach einem hügeligen Teilstück am Samstag, das Ausreißern und Klassikerfahrern wie Julian Alaphilippe liegen könnte, wird es wohl spätestens am Sonntag wieder ernst im Kampf ums Gelbe Trikot. Auf den 191,3 Kilometern nach Andorra, auf denen auch das 2408 Meter hohe Dach der Tour erklommen wird, müssen Vingegaard und Co. mutig angreifen, um gegen den enteilten Pogacar noch eine Chance zu haben.
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