24. November 2024

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Premiere für den Doppel-Ventoux: Denk will Fan-Tabu brechen

An kaum einem Anstieg wurden so viele Geschichten geschrieben wie am Mont Ventoux. Der Berg wird am Mittwoch bei der Tour de France gleich zweimal passiert. Einen deutschen Teamchef bringt das auf eine Idee.

Tom Simpson starb kurz vor dem Gipfel in der trostlosen Mondlandschaft auf tragische Art und Weise, Lance Armstrong und Marco Pantani lieferten sich einst eine Klettershow. Die Tour de France erklimmt den ikonischen Provence-Riesen Mont Ventoux am Mittwoch zum ersten Mal doppelt.

Teamchef Ralph Denk bringt vor der spektakulären Etappe ein Tabu-Thema auf den Tisch. «Man muss irgendwann einen Schritt weiter denken. Fans kommen im Radsport sehr nah ran, aber man hat keinen finanziellen Benefit. Vielleicht sollte man bei Etappen wie die am Mont Ventoux Eintritt verlangen», sagte der Manager des Rennstalls Bora-hansgrohe der dpa.

Eintrittsgelder für Bergetappen?

Sind Abschnitte aufgrund von Corona-Beschränkungen oder aus Sicherheitsgründen nicht gesperrt, kann sich jeder Fan an die Straße stellen und seine Helden kostenlos bejubeln. Es gilt als ungeschriebenes Gesetz, dass daran nicht zu rütteln ist. Denk kam dennoch im Zusammenhang mit dem Ventoux-Doppelpack auf die Idee, künftig Teams von solchen Etappen profitieren zu lassen. «Dort kommen vielleicht 500.000 Zuschauer. Wenn man da zwei oder drei Euro verlangt, ist das eine schöne Summe», sagte Denk. Nach demselben Muster könnten künftig Bergankünfte in Alpe d’Huez, dem Tourmalet oder dem Galibier kostenpflichtig werden. «Vielleicht nicht der ganze Berg, aber auf den letzten fünf Kilometern», meinte Denk.

Der Radsport hat seit Jahrzehnten ein finanzstrukturelles Problem. Die Teams bieten die große Show für das Fernsehen, die TV-Gelder gehen aber an die Rennorganisatoren oder den Weltverband. Das Budget der Mannschaften ist nahezu komplett von Sponsoren gedeckt. «Die Teams kämpfen alle. Wir finanzieren uns zu 95 Prozent aus Sponsoreneinnahmen. Beim FC Bayern sind es 25 Prozent», sagte Denk. Eintrittsgelder für Bergetappen könnten zwischen Organisatoren und Teams aufgeteilt werden.

Für die Etappe am Mittwoch ist dies natürlich noch Zukunftsmusik. Bei Temperaturen von bis zu 30 Grad werden die Fans sicherlich wieder in Massen an die Strecke pilgern. Es ist eben der Ventoux. Dieser eine Riese in dem ansonsten flachen Flecken der Provence. Hier starb Ex-Weltmeister Simpson 1967, vollgepumpt mit nahezu allem, was der Medizinschrank hergab. An der Stelle erinnert ein Gedenkstein an den Briten, nahezu jeder Hobby-Radler lässt eine Trinkflasche oder andere Mitbringsel zu Ehren Simpsons an der Stelle.

Der Berg hat eine besondere Atmosphäre

«Es ist ein sehr historischer Anstieg. Ich kenne ein paar Geschichten, nicht alle», sagte der Gesamtführende Tadej Pogacar. Eine legendäre Highspeed-Jagd wie zwischen Armstrong und Pantani im Jahr 2000 zwischen Pogacar und seinen Konkurrenten ist allerdings nicht zwingend zu erwarten. Zumal die Etappe nicht am Observatorium auf fast 2000 Metern Höhe endet, sondern nach einer rasanten Abfahrt im Tal in Malaucène. Unvergessen ist auch die Jogging-Einlage von Chris Froome 2016, als nach einem Sturz sein Rad defekt war.

Fahrer mit Schwächen in den Bergen dürfte die fast 200 Kilometer lange Etappe unruhig schlafen lassen. «Der Ventoux hat eine besondere Atmosphäre. Aber am Ende ist er gleich steil und schwer wie andere Berge auch. Ich liege am Abend zuvor mit Sicherheit nicht voller Vorfreude im Bett, denn letztlich ist es eine Quälerei», sagte Tony Martin der dpa. Der 36-Jährige hätte 2009 fast einmal auf dem Ventoux gewonnen, musste sich aber auf den letzten Metern dem Spanier Juan Manuel Garate geschlagen geben.

Trotz aller Qual herrscht bei Martin auch ein wenig Vorfreude. Zumal die Fans dank gelockerter Corona-Auflagen wieder an die Strecke dürfen. «Durch die Atmosphäre zählt er sicherlich zu den Top 5 Bergen der Tour», sagte der viermalige Zeitfahr-Weltmeister. «Wenn unten die Zuschauermassen sind und sie im letzten Moment vor dir zur Seite gehen, ist das etwas Besonderes.»

Von Tom Bachmann und Patrick Reichardt, dpa