22. November 2024

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Das Beste kommt noch: Spanien bereit für die Wembley-Show

Das Selbstbewusstsein ist gestärkt. Reicht es auch für Italien? Spaniens Ballbesitz-Experten werden von ihrem Spiel kaum abrücken. Der Trainer tüftelt.

Luis Enriques Lächeln ist nichts als pure Vorfreude. «Vorbereitung auf das Beste!», kommentierte der 51 Jahre alte Trainer der spanischen Fußball-Nationalmannschaft sein Foto bei Twitter mit Laptop, TV und zuckerfreien Kaugummis mit Ingwergeschmack.

Gegner-Studium im EM-Camp, heiße Phase vor dem Halbfinal-Kracher mit dem spanischen EM-Titelwegbereiter vergangener Jahre: mit Italien. «Es wäre lächerlich zu denken, dass wir oder irgendeiner der Halbfinalisten sich jetzt damit zufrieden geben würden, nur so weit zu kommen», betont Luis Enrique: «Wir alle wollen ins Finale kommen und gewinnen.» Frisch und selbstbewusst müsse Spanien in das Halbfinale gehen. «Wir müssen jetzt die EM gewinnen», forderte Viertelfinal-Held und Elfmeter-Parierer Unai Simón.

Widrigkeiten überstanden

Selbstbewusste Töne einer Mannschaft, die noch vor gut zwei Wochen nach zwei wenig überzeugenden Unentschieden schwer in der Kritik gestanden hatte. Der Trainer wurde hinterfragt, Stürmer Alvaro Morata nach dem Auslassen einiger Top-Chancen nicht nur ausgepfiffen, sondern in sozialen Netzwerken samt Familie sogar bedroht. Der Kapitän konnte anfangs nicht spielen – Corona! Eine hochbrisante Gemengelage, an der sich Luis Enrique aber nicht störte. «Widrigkeiten zu überstehen, macht uns stärker», sagt Mittelfeldspieler Koke.

Der ultimative Stärke-Test steht den Spaniern, die die Qualifikation mit acht Siegen und zwei Remis geschafft hatten und bei der EM nach einem eher durchwachsenen Auftakt mit den beiden Unentschieden gegen Schweden und Polen zumindest beim 5:0 gegen Slowakei und beim 5:3 gegen Vizeweltmeister Kroatien zur gefürchteten roten Furie wurden, nun aber noch bevor.

Überstehen sie auch das Duell mit der seit 32 Spielen ungeschlagenen Squadra Azzurra, scheint der Titeltriumph fast programmiert: Beim EM-Gewinn 2008 setzten sich die Spanier im Viertelfinale im Elfmeterschießen durch, vier Jahre später fertigten sie die Italiener im Finale mit 4:0 ab.

Pablo Sarabia angeschlagen

«Wer auch immer der Gegner ist, wir müssen der Idee unseres Fußballs vertrauen», sagt Mikel Oyarzabal. Italien habe großartige Spieler, Spanien aber auch, betont der Angreifer, der neben Dani Olmo eine Option für die Startformation sein könnte. Denn alles deutet daraufhin, dass Luis Enrique bei seinen kleineren und stets vorgenommenen Veränderungen diesmal notgedrungen auf Pablo Sarabia im Angriff verzichten muss. Der Stürmer von Paris Saint-Germain hat Probleme im Abduktorenbereich.

Ohnehin ist es aber das spanische Kollektiv, das die Ballbesitz-Philosophie von Luis Enrique mit unglaublichen Passquoten umsetzt. 67,2 Prozent Ballbesitz haben die Spanier bisher – der mit Abstand höchste Wert. Italien kommt auf 55,8 Prozent. Die Passgenauigkeit liegt bei 89,4 Prozent (Italien: 88,4).

Da sind Titelträume erlaubt. Das Nationalmannschafts-Projekt sei eigentlich mehr auf die WM ausgerichtet, «aber es ist schon gereift und wir können den Großen in die Augen schauen», sagte Verbandschef Luis Rubiales «Cadana Ser». «Wir haben vom ersten Tag an, als wir hier zusammengekommen sind, großes Vertrauen in die Mannschaft und wir haben es auch gezeigt», sagt Oyarzabal im EM-Camp von Las Rozas de Madrid.

Der Torhüter übt das Jubeln

Keeper Unai Simón übte jedenfalls schon mal für den Jubel mit der Europameisterschafts-Trophäe. Hüpfend hielt Spaniens neuer Torwart-Held und Elfmeter-Entschärfer nach dem Halbfinaleinzug seinen Pokal als «Star of the Match» in den Händen und reckte in der Umkleidekabine des Petrowski-Stadions die Arme nach oben.

Der 24-Jährige, der sich vier Tage zuvor gegen die Kroaten einen dicken Patzer geleistet hatte, mahnte aber auch: «Genauso wie wir die Erinnerung an den Fehler im letzten Spiel auslöschen mussten, ist es an der Zeit, diesen Triumph schnell zu vergessen, weil wir im nächsten Spiel auf einen harten Gegner treffen.»

Von Jens Marx, dpa