Nicht nur die Absage von Anführer Dennis Schröder sorgte vor dem heute beginnenden olympischen Qualifikationsturnier der deutschen Basketballer für Wirbel. Die Rückkehr von Joshiko Saibou zog viel Kritik nach sich.
Der 31 Jahre alte Guard hatte vergangenes Jahr an Demonstrationen gegen die staatlichen Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie teilgenommen. Vor dem Turnierstart äußert sich Saibou über die Kritik an ihm, Forderungen von Teamkollegen zu einer weiteren Distanzierung von Verschwörungstheorien und seiner Zukunft.
Ihre Nominierung für die Olympia-Qualifikation hat für viel Wirbel gesorgt. Wie haben Sie dies verfolgt?
Saibou: Ich habe natürlich mitbekommen, dass es wieder einigen Wirbel gab. Deswegen war es auch wichtig für mich, ein persönliches Video an die Fans zu richten, bevor ich wieder spiele. Danach habe ich allerdings versucht, mich zu 100 Prozent auf Basketball zu konzentrieren.
Es gab öffentliche Kritik an Ihrer Rückkehr ins deutsche Team – auch von Ex-Nationalspielern und damit ehemaligen Mitspielern. Können Sie dies nachvollziehen?
Saibou: Jeder hat das Recht, Kritik zu äußern. Ich hätte mir allerdings gewünscht, davor persönlich mit einigen Menschen zu sprechen. Vor allem mit denjenigen, die ich seit über zehn Jahren kenne. Es sind nämlich auch Sachen über mich geschrieben worden, die nicht stimmen.
Sie haben in einem Video am 16. Juni Menschen um Entschuldigung gebeten, die sich durch Ihre Handlungen und Aussagen «verletzt» gefühlt haben. Ihre damaligen Worte seien «überspitzt formuliert» gewesen. Würden Sie Ihre Teilnahme und Auftritte bei Demonstrationen gegen die staatlichen Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie heute noch einmal wiederholen?
Saibou: Durch meinen überspitzten Ton in dem Video ist die Spaltung unter den Fans noch gewachsen, was absolut nicht mein Ziel war. Deshalb habe ich mich dafür entschuldigt. Im Nachhinein hätte ich es anders gemacht. Deswegen habe ich es auch gelöscht. Ich war auf den Demos, weil ich mit einigen Maßnahmen nicht einverstanden war und das war meine Art, dies zum Ausdruck zu bringen. Ich würde mich selbst belügen, wenn ich mich pauschal von der Demo distanzieren würde, denn dann würde ich mich auch von jedem friedlichen, normalen und besorgten Gesicht distanzieren, das aus dem gleichen Grund wie ich dort war. Aber ich würde heute sehr viel klarer und vor allem früher kommunizieren, wofür ich stehe: Toleranz, Respekt, Offenheit. Und auch ganz klar wogegen: jegliche Diskriminierung. Da das trotzdem anders bei vielen rüberkam, bin ich nach letztem Sommer auch nicht mehr auf die Demos gegangen.
Ihr Teamkollege Johannes Voigtmann hat zu Beginn der Vorbereitung betont, dass die Aufarbeitung durch das Video noch nicht vorbei sein könne. Wie wurde Ihre Haltung im Mannschaftskreis thematisiert?
Saibou: Bei meiner Ankunft habe ich mit einigen Jungs gesprochen und wurde insgesamt sehr gut aufgenommen. Basketball trennt nicht, sondern bringt zusammen. Das habe ich auch hier wieder gemerkt.
Voigtmann erklärte, dass Fragen offen seien «zu Verschwörungstheorien und Gruppierungen», mit denen Sie demonstriert hätten, und er hoffe, dass Sie sich öffentlich weiter distanzieren. Möchten Sie dies tun?
Saibou: Ich habe zu keinem einzigen Zeitpunkt auch nur eine Verschwörungstheorie verbreitet. Weder persönlich noch auf Social Media. Es ist schade, sich für etwas rechtfertigen zu müssen, das man absolut nicht getan hat. Deshalb kann ich nur Folgendes sagen: Ich glaube an keine Verschwörungstheorien und das habe ich auch nie. Zu diskriminierenden Gruppierungen, egal welcher Art, habe ich eine klare Haltung, wie ich bereits in meinem Video letzte Woche gesagt habe: ich stelle mich entschieden dagegen. Das gilt insbesondere auch für derartige Gruppierungen, die auf den Demos waren.
Wie bewerten Sie widerlegte Theorien wie Pizzagate, der zufolge in einer Pizzeria in Washington Kinder als Sklaven gehalten werden und Adrenochrom, das angeblich gefangenen Kindern abgezapft werden soll? Diese hatte Ihre Freundin, die Weitspringerin Alexandra Wester, im vergangenen Jahr über soziale Netzwerke verbreitet.
Saibou: Es gibt eine Million verschiedene, seltsame Theorien auf dieser Welt und ich glaube an keine einzige davon. Alex ist keine Verschwörungstheoretikerin. Sie glaubt nicht an diese Theorien, hat aber die falschen Schlagwörter genutzt. Dafür hat sie sich aber schon per Videonachricht auf Social Media entschuldigt. Beim letztjährigen Interview mit der «FAZ» «Wir haben den Mindestabstand mehr als gefordert eingehalten» erklärt sie genau, was sie eigentlich meinte.
Der Verband hat Sie laut Vizepräsident Armin Andres aufgefordert, bestimmte Videos und Inhalte aus sozialen Netzwerken zu löschen. Wie viele Beiträge haben Sie insgesamt gelöscht?
Saibou: Ich habe ein Video gelöscht. Nämlich das, von dem ich vorhin gesprochen habe.
Durch die Absage von Dennis Schröder kommt Ihnen eine noch wichtigere Rolle bei der Olympia-Qualifikation zu. Was sind Ihre sportlichen Erwartungen für das Turnier in Split?
Saibou: Ich hätte sehr gerne mit Dennis zusammengespielt. Mit ihm fehlt uns ein extrem guter Spieler. So ist es umso wichtiger für uns, alle noch enger zusammenzurücken.
Welche Bedeutung hätte eine Teilnahme an den Sommerspielen in Tokio sportlich für Sie?
Saibou: Ein absoluter Kindheitstraum würde in Erfüllung gehen.
IOC und DOSB sagen, die ganz deutliche Mehrheit der Athleten reise geimpft nach Tokio, auch aus Respekt für die Gastgeber. Wie haben Sie sich in dieser Frage entschieden?
Saibou: Jedem Athleten bleibt selbst überlassen zu entscheiden, ob er sich impfen lassen möchte oder nicht. Meines Erachtens nach ist das eine private Entscheidung, keine öffentliche.
Diese Olympischen Spiele werden auch im Zeichen der Corona-Pandemie stehen. Wie bewerten Sie die extremen Beschränkungen, die das Team im Falle einer Qualifikation in Japan erwarten?
Saibou: Darüber möchte ich mir kein Urteil erlauben. Ich kenne die Situation in Japan nicht und weiß auch nicht, wie die Beschränkungen aussehen. Aber wir würden definitiv das Beste daraus machen.
Sie haben in der vergangenen Saison in Frankreich gespielt und dabei starke Leistungen gezeigt. Hoffen Sie auf eine Rückkehr in die Bundesliga oder wollen Sie angesichts des Wirbels um Ihre Person Ihre Karriere im Ausland fortsetzen?
Saibou: Ich habe mich in Frankreich sehr wohl gefühlt und wurde gut aufgenommen. Das hat nach den vielen Schlagzeilen letztes Jahr erstmal gut getan. Auch wollte ich schon immer mal im Ausland spielen. Trotzdem hat die deutsche Bundesliga einen Platz in meinem Herzen. Ich mag beides und werde sehen, was als nächstes kommt.
ZUR PERSON: Basketball-Profi Joshiko Saibou (31) absolvierte im November 2017 sein erstes Länderspiel. Für Wirbel sorgte der Guard vergangenes Jahr mit seiner Teilnahme an Demonstrationen gegen die staatlichen Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie. Die Telekom Baskets Bonn trennten sich daraufhin von Saibou, in einem folgenden Rechtsstreit einigten sich beide Partien gütlich. Zuletzt spielte er in Frankreich für Champagne Baskets.
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