Die begeisternden Bilder Tausender jubelnder Dänen in Amsterdam täuschten ein wenig. Während in den Niederlanden die Corona-Krise für ein paar Stunden weit weg schien, stiegen im russischen St. Petersburg die Infektionszahlen deutlich an.
Am heutigen Sonntag, wenige Tage vor dem ersten EM-Viertelfinale (2. Juli), meldete die Hafenstadt fast 1300 neue Fälle innerhalb eines Tages, es gab erneut mehr als 100 Todesfälle binnen 24 Stunden. Die rasante Verbreitung der Delta-Variante dürfte auch der Europäischen Fußball-Union Sorgen bereiten – in der deutschen Nationalmannschaft ist das Thema längst angekommen.
«Alles andere als Optimal»
«Klar setzt man sich mit der Thematik auseinander, und es ist sicherlich alles andere als optimal, wenn man das Gesamtbild sieht», sagte Robin Gosens mit Blick auf das deutsche Achtelfinale an diesem Dienstag (18.00 Uhr/ARD und Magenta TV) im Londoner Wembley-Stadion vor bis zu 45.000 Zuschauern. Insbesondere Großbritannien hat mit steigenden Infektionszahlen wegen der zuerst in Indien nachgewiesenen Variante zu kämpfen. «Ich finde es dann auch schon grenzwertig, wenn ich ehrlich sein soll», sagte Gosens.
In Wembley werden unter den 45.000 nur 1500 bis 2000 Fans der DFB-Auswahl sein, die Tickets werden nur an Besucher vergeben, die in Großbritannien oder Irland leben. Bundestag-Vizepräsidentin Claudia Roth (Grüne) antwortete auf die Frage, ob das Spiel mit so vielen Zuschauern vertretbar sei: «Nein. Ganz, ganz klares Nein. Ich bin wirklich riesengroßer Fußball-Fan. Aber man kann unter diesen Bedingungen, in dieser angespannten Situation nicht eine Europameisterschaft so durchführen, wie sie durchgeführt wird.»
CSU-Generalsekretär Markus Blume forderte die UEFA auf, ihr Stadionkonzept «noch einmal genau zu prüfen». Niemandem sei geholfen, «Europameister im Inzidenz-Höhenflug zu werden», sagte der CSU-Politiker. In München waren bei den bisherigen drei EM-Spielen zwölf positive Schnelltests gemeldet worden. Das Viertelfinale steigt am kommenden Freitag wenige Stunden nach dem in St. Petersburg.
Situation für Fans schwer zu greifen
Die UEFA müsse Vorbild für Großereignisse sein, sagte Blume. «Dazu gehört auch, die Maskenpflicht in Stadien durchzusetzen». Der 46-Jährige bekräftigte das Angebot, dass München als Ersatz bereit stünde, sollte die Ausrichtung Finalrunde in London wegen der steigenden Zahlen doch nicht möglich sein. «Wir sind in München zu allem bereit.» Eine Verlegung ist wegen der erwarteten Zugeständnisse der Londoner Regierung aber derzeit unwahrscheinlich.
Für die Fans bleibt die Corona-Situation schwer zu greifen. Trotz der Einreisebeschränkungen feierten am Samstag Tausende Menschen aus Dänemark rund um die Amsterdam-Arena den Viertelfinal-Einzug ihrer Mannschaft. Erlaubt war nur ein Aufenthalt von zwölf Stunden. Die Hauptstädte beider Länder trennen aber auch nur gut acht Autostunden. Die Aussichten auf den stimmungsvollen Kurztrip überlagerten wohl die Corona-Sorgen.
«Ich kann unseren Landsleuten gar nicht genug danken», sagte Dänemarks Nationaltrainer Kasper Hjulmand. «Diese besondere Stimmung bedeutet uns unglaublich viel». Die Reise zum Viertelfinale in Baku dürfte für die meisten Fans deutlich komplizierter werden. Dennoch: «So geht es nach Baku», schrieb die Zeitung «Ekstra Bladet» schon am Sonntag auf ihrer Internetseite.
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