England schüttelt mal wieder den Kopf. Ein 0:0 gegen den alten Rivalen Schottland, wie kann das sein? Dann auch noch im heimischen Wembley-Stadion!
«Wir sehen schon wieder wie das starre, alte England aus», monierte Ex-Nationalspieler Rio Ferdinand nach dem ideenlosen Auftritt gegen den Außenseiter. Nach gerade mal einer Woche der Fußball-EM gerät der Status des einstigen Mitfavoriten auf der Insel schwer ins Wanken. Die ersten Experten kritisieren Trainer Gareth Southgate, die Medien suchen nach Gründen für den Rückschlag, die Spieler schieben Frust. Und alle stellen sich die gleichen Fragen: War das ein einmaliger Dämpfer? Oder was kommt jetzt?
Heldenhafte Schotten
«Scotland brave-hearted, England half-hearted» (Schottland heldenhaft, England halbherzig), titelte «The Daily Telegraph». Selbst Southgate gab zu, dass seine Mannschaft gegen die tapfer kämpfenden Schotten nicht genug für den Sieg getan habe. Der 50-Jährige bemühte sich aber schnell, den Blick nach vorne zu richten. «Das ist ein Turnier», betonte der Ex-Profi. «Ein Punkt ist immer noch ein wichtiger Schritt auf dem Weg in die nächste Runde. Und das ist unser erstes Ziel.» Nüchtern betrachtet hat Southgate recht: Bei nun vier Punkten können die Three Lions vor ihrem abschließenden Vorrundenspiel gegen Tschechien am Dienstag praktisch für das Achtelfinale planen.
Aber nüchtern betrachten die meisten Fans in England den Dämpfer gegen den Nachbarn sicher nicht. Es dreht sich schon früh im Turnier viel um grundsätzliche Probleme dieser Mannschaft. Torjäger und Kapitän Harry Kane fiel bei der EM bisher vor allem dadurch auf, dass er sowohl beim 1:0-Auftakt gegen Kroatien als auch gegen Schottland jeweils kurz vor Schluss ausgewechselt wurde. «Harry Kane wirkte fehl am Platz, weil das System um ihn herum nicht funktioniert», schrieb «The Guardian». Das ist Problem Nummer zwei: Die hochveranlagte Flügelzange um Phil Foden, Raheem Sterling, Marcus Rashford oder Jack Grealish zündet nicht. Und Jadon Sancho? Der spielte nicht mal.
Sancho darf erneut nicht ran
«Wir haben all diese Spieler. Sancho? Was hat er getan? Irgendwas muss hinter den Kulissen vorgefallen sein», vermutete Ex-Nationalspieler Ferdinand. Im ersten Spiel der Three Lions gegen Kroatien hatte der Angreifer von Borussia Dortmund nicht mal im Kader gestanden. «Ich verstehe das wirklich nicht. Im ersten Spiel saß er nicht mal auf der Bank, im zweiten kam er nicht aufs Feld. Du hast so ein großes Talent da rumsitzen», kritisierte Ferdinand. Gegen die Schotten wechselte Southgate lediglich zweimal, obwohl er bis zu fünfmal hätte tauschen können. Auch das sorgt angesichts der Breite des Kaders für Kopfschütteln.
Aber trotz allen Talents: Gegen die dicht gestaffelten und tief stehenden Gäste fand England im Dauerregen von Wembley nur ganz selten Lösungen. Angefeuert von den eigenen Fans verteidigte Schottland mit Kopf und Herz, und genau diesen Geist wollen die Bravehearts jetzt auch mit in ihr Vorrundenfinale am Dienstag gegen Kroatien nehmen. «Es ist wichtig, dass wir dieses Gefühl der Fans und von uns jetzt halten, dass es nicht umsonst war», sagte Kapitän Andy Robertson. «Wir müssen es nutzen, um ins Achtelfinale zu kommen.»
Dafür brauchen die Schotten einen Sieg gegen den Vizeweltmeister. Unmöglich erscheint das nicht. Die Mannschaft von Trainer Steve Clarke darf am Dienstag erneut im heimischen Hampden Park in Glasgow antreten. Dort werden die eigenen Anhänger noch lauter als in Wembley feiern. Auch die englischen Fans würden am Dienstag gerne wieder jubeln. Das hängt nun von ihrer Mannschaft ab.
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