Andrej Jarmolenko hörte gar nicht mehr auf zu lachen. Der einstige Stürmer von Borussia Dortmund verströmte nach dem 2:1 (2:0) der Ukraine gegen Nordmazedonien bei der Fußball-EM am Donnerstag in Bukarest die reinste Glückseligkeit.
Die Freude und der Stolz mag den einen oder anderen angesichts des Zittersiegs gegen den Fußballzwerg etwas irritiert haben, war allerdings auch eher seiner eigenen Situation geschuldet.
Mit seinem Tor zum 1:0 (29. Minute) zog der 31-Jährige mit seinem Nationalcoach, der ukrainischen Legende Andrej Schewtschenko gleich: Es war das zweite EM-Tor Jarmolenkos nach dessen Traumtor beim 2:3 zum Auftakt gegen die Niederlande. Damit ist der Angreifer von West Ham United zusammen mit Schewtschenko und seinem aktuellen Sturmpartner Roman Jaremtschuk, der das 2:0 schoss (34.), EM-Rekordschütze der Ukraine. Dass er von der UEFA zum besten Spieler der Partie gekürt wurde, erfreute Jarmolenko da schon mehr.
Vom Bankdrücker in den EM-Fokus
Zu erwarten war dies nicht unbedingt. «Ich habe fast ein Jahr lang kaum gespielt und mehr oder weniger nur auf der Bank gesessen und Verletzungen auskuriert», erläuterte Jarmolenko später. Bei der Euro steht er nun zumindest im ukrainischen Team wieder im Mittelpunkt, was auch die Mitspieler erfreut. «Jarmolenko bekommt Flügel bei diesem Turnier. Das ist toll fürs Team», sagte Mittelfeldspieler Sergej Sidortschuk.
In der Premier League war er in der abgelaufenen Saison zunächst nur Ersatzspieler, infizierte sich dann mit Covid-19 und erlitt Anfang des Jahres dann einen Bänderriss im Knie. Anschließend hatte er in London endgültig nur noch eine Statistenrolle. «Hier ist es einfach so, dass die Trainer an mich glauben», tat Jarmolenko nun kund und deutete damit mal wieder Unzufriedenheit über seinen Stellenwert im Club an. Schon in Dortmund war er einst nicht glücklich.
Vor vier Jahren war der Ukrainer auserkoren, den zum FC Barcelona abgewanderten Ousmane Dembélé zu ersetzen. Das misslang. Sechs Tore schoss der damals für 25 Millionen Euro verpflichtete Jarmolenko in nur 26 Partien und zog 2018 schon wieder weiter nach West Ham. «In Dortmund hat mir nicht viel gefallen», ätzte Jarmolenko später.
«Viele haben mich schon abgeschrieben»
Wie auch Italiens Ciro Immobile, der nur vor und nach seiner Station in Dortmund als Torjäger funktionierte, scheint Jarmolenko eine heimelige Wohlfühl-Atmosphäre zu benötigen, um Leistung zu bringen. Nach dem schwierigen Jahr in London bekam er von Schewtschenko das Gefühl, wichtig für die Ukraine zu sein. Angesichts dieses Vertrauens legte sich der Angreifer besonders ins Zeug. «Ich bin extra früher ins Trainingslager gereist», berichtete Jarmolenko. «Viele haben mich schon abgeschrieben. Das hat mich noch mehr motiviert.»
Anders als offensichtlich seine letzten Clubtrainer ist Nationalcoach Schewtschenko hochzufrieden. «Die Offensive funktioniert bestens», urteilte der einstige Top-Stürmer. Zusammen mit Jaremtschuk von KAA Gent harmoniert Jarmolenko gut. Beide Angreifer trafen sowohl im ersten als auch im zweiten Gruppenspiel, was zuvor noch keinem Sturmduo überhaupt bei einer EM-Endrunde gelungen war. Jarmolenko indes ist der Auffälligere von beiden. Leichtfüßig und mit erstklassiger Technik sticht der Routinier sofort ins Auge.
Vor dem abschließenden Gruppenspiel am Montag gegen Österreich wird Jarmolenko nun mehr denn je zum großen Hoffnungsträger. Nach dem guten Auftritt gegen Holland und dem Sieg gegen Nordmazedonien ist die Chance auf das erste EM-Achtelfinale der Ukraine groß. «Ich bin überwältigt von Stolz. Ich freue mich für unser Team und die Fans. Der Sieg ist für sie», jubelte Jarmolenko.
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