Manchmal erinnert Chris Paul an Philipp Lahm in dessen besten Jahren. Der NBA-Profi von den Phoenix Suns zählt auch nicht zu den coolen Jungs seines Teams.
Wie der Ehrenspielführer der deutschen Fußball-Nationalmannschaft hat er größere und athletischere Mitspieler um sich. Aber der 36-Jährige ist auch die von seinen Kollegen anerkannte Machtzentrale mit der Chance auf den seit Jahren angestrebten Titel – so wie Lahm vor den Siegen in der Champions League 2013 und bei der WM 2014, auf die er fast die ganze Karriere warten musste. Was Paul und den eineinhalb Jahre älteren Lahm unterscheidet: «Vor einigen Jahren haben mich die Leute schon abgeschrieben.»
«CP3»
Paul, wegen seiner Rückennummer auch «CP3» genannt, sagte diesen Satz im US-Fernsehen ohne große Emotionen nach dem letzten Sieg der Suns im Playoff-Duell mit den Denver Nuggets. Das Team um den frisch zum wertvollsten Spieler der NBA gewählten Serben Nikola Jokic hatten die Suns zuvor aus dem Rennen um den Titel geworfen – vier Siege in vier Partien. Überragender Mann auf dem Feld war: Chris Paul aus North Carolina. 37 Punkte, dazu drei Rebounds und sieben Vorlagen steuerte der Aufbauspieler neben all seiner Ausstrahlung auf dem Platz bei, und das obwohl er zuletzt Probleme an der Schulter hatte. So viele Zähler waren ihm in einem Spiel zuletzt 2018 gelungen.
Paul steht mit den Suns nun in den Finals der Western Conference und hat weiterhin die Chance, erstmals Meister in der besten Basketball-Liga der Welt zu werden und ein dickes, fettes Ausrufezeichen hinter seine Karriere zu setzen. Und das ausgerechnet bei einem Franchise, das vor dieser Saison ein Jahrzehnt lang auf eine Playoff-Teilnahme warten musste und noch nie NBA-Champion war. «CP3 ist der beste Anführer. Wenn du so einen Anführer hast und jeder zuhört, dann ist das das Ergebnis, das du bekommst», würdigte Ex-Profi Shaquille O’Neal Pauls Leistungen.
Auch NBA-Kehrseite kennengelernt
Den Glauben an diese Fähigkeiten des guten Freundes von Superstar LeBron James hatten viele in der Liga zwischenzeitlich aber schon verloren – und Paul brutal vor Augen geführt, wie schnell man in der NBA fallen gelassen werden kann. Nach zwei Jahren mit einigen Verletzungen tauschten die Houston Rockets den Guard im Sommer 2019 ohne Vorwarnung nach Oklahoma City zu den Thunder. Paul erfuhr davon in einem Restaurant beim Essen mit seiner Familie.
Doch die Thunder hatten einen Plan, Paul arrangierte sich schnell mit der Entwicklung und demonstrierte einmal mehr, weshalb er vor allem wegen seiner professionellen Einstellung geschätzt wird. «Er ist ein großartiger Typ und einer der fünf besten Point Guards aller Zeiten», sagte Nationalspieler Dennis Schröder, der in Oklahoma City mit Paul in einem Team spielte. «Ich habe viel von ihm gelernt.»
Seit dieser Saison spielt Paul nun für die Suns. Für Phoenix sprach die relative Nähe zu Los Angeles, dort lebt seine Familie. Vor allem aber sah Paul in den Suns ein Team, das trotz der langen Dürre in den Jahren zuvor bereit war für eine Titel-Chance. Dass es die wirklich gibt, liegt neben Devin Booker zu einem großen Teil an ihm selbst.
Die ganz große Anerkennung seiner Bedeutung für die Mannschaft blieb ihm aber verwehrt. «Ich finde er wurde in der MVP-Diskussion nicht ausreichend gewürdigt», beschwerte sich Charles Barkley erst am Wochenende wieder in seiner Funktion als TV-Experte. Bei der Wahl zum wertvollsten Spieler der Saison kam Paul zuletzt auf Rang fünf. Der Titel, der ihm wirklich wichtig ist, den kann er aber noch gewinnen.
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