Matchwinner Romelu Lukaku grüßte erst seinen kollabierten Clubkollegen, nach Abpfiff sank er dann mit erhobenen Armen auf die Knie.
An einem denkwürdigen Fußball-Tag hat Belgien seine Mitfavoritenrolle bei der EM untermauert und die russische Party am Nationalfeiertag gestoppt. Nur wenige Stunden nach dem dramatischen Kollaps von Dänemarks Christian Eriksen, der inzwischen wieder «wach» und stabil ist, bezwangen die Belgier den Co-Gastgeber mit 3:0 (2:0) und stellten vor 26.264 Zuschauern in St. Petersburg ihre große Klasse unter Beweis. Allen voran Lukaku.
Lukaku mit Doppelpack
«Ich habe vor dem Spiel viele Tränen für Christian Eriksen vergossen. Es war schwer für mich, mich zu konzentrieren», sagte Belgiens Doppeltorschütze (10./88. Minute). «Ich werde ihm auf jeden Fall eine Nachricht schicken, aber er muss nicht sofort antworten. Ich hoffe, es geht ihm gut, für seine zwei Kinder, die ihn brauchen.»
Lukaku und der Dortmunder Thomas Meunier (34.) sorgten fix für klare Verhältnisse und bescherten den Roten Teufeln, die noch auf die verletzten Kevin De Bruyne (Manchester City) und Axel Witsel (BVB) verzichten mussten, den gewünschten Traumstart. «Erster Sieg des Turniers, aber heute Abend ging es um mehr als Fußball», twitterte Belgiens Verteidiger Toby Alderweireld nach der Partie. «Mein Freund @ChrisEriksen8, meine Gedanken sind bei dir und deiner Familie.» Eriksen war einst Alderweirelds Teamkollege bei Tottenham Hotspur.
Nach Entwarnung geht die Show weiter
Als Topspieler Eriksen um 18.43 Uhr im ersten Spiel der Gruppe B zwischen Dänemark und Finnland (0:1) in Kopenhagen zusammengebrochen war, herrschte Unklarheit, wie es mit dem EM-Tag und dem Abendspiel in Russland weitergeht. Erst als es bei dem 29 Jahre alten Profi Entwarnung gab, ging die Show in St. Petersburg ungebremst weiter. Die Rituale und Zeremonien vor dem Spiel, laute Musik aus den Boxen, das Ausbuhen des Gegners beim Einlaufen und beim Knien vor dem Anpfiff: Hätte man die Neuigkeiten aus dem zweiten Spiel der Gruppe nicht mitbekommen, bei Belgien und Russland hätte wenig bis nichts auf die schockierende Szene zuvor hingedeutet.
«Die Spieler erfuhren davon, als sie den Bus betraten, der ins Stadion fuhr. Die Information verbreitete sich schnell. Aber als wir in die Arena kamen, gab es Neuigkeiten, dass der Däne wieder zu sich kam», hieß es vom Pressedienst der russischen Sbornaja. «Jetzt sind die Spieler ausschließlich auf das kommende Match konzentriert.»
Das fing dann – obwohl in Kopenhagen noch gespielt wurde – pünktlich an. Russland begann aggressiv und entschlossen, störte die Belgier früh. Mit lauten «Rossija»-Rufen peitschten die Fans das Team in der gut gefüllten Arena an. Doch es wurde zügig ruhig im Fußball-Tempel. Grund dafür war wieder einmal Ausnahmeerscheinung Lukaku. Der 28-Jährige bestrafte einen herben Patzer von Verteidiger Andrej Semjonow und schoss mit links zur Führung ein. Danach rief er «I love you, Chris» in eine TV-Kamera und grüßte so den Dänen Eriksen, der sein Clubkollege bei Inter Mailand ist. Schon bei der WM 2018 (vier), der EM 2016 (zwei) und der WM 2014 (eins) hatte Lukaku Tore erzielt.
Joker Meunier trifft
Danach entwickelte sich ein munteres Spiel mit Chancen auf beiden Seiten. Ein Kopfball von Russlands Mario Fernandes (11.) hätte fast den Ausgleich gebracht, danach hatten Belgiens Leander Dendoncker (18.) und BVB-Profi Thorgan Hazard (23.) die Chance zu erhöhen. Dies gelang dann aber erst Joker Meunier. Der Verteidiger kam für Timothy Castagne, für den die EM wegen einer Kopfverletzung nun bereits gelaufen ist, ins Spiel und traf sieben Minuten später nach einem Fehler von Russlands Anton Schunin zum 2:0.
Wie in der Qualifikation (3:1 und 4:1 für Belgien) hatte die Elf von Trainer Roberto Martínez einfach zu viel individuelle Qualität für die Russen. Als der anfängliche Druck überstanden war, kontrollierten die Red Devils Ball und Gegner phasenweise locker. Nach der Pause wurden die Russen nochmal etwas besser, aber nie richtig gefährlich. Lukaku erzielte nach Zuspiel von Meunier noch seinen zweiten Treffer und wurde zurecht zum Man of the Match gekürt. Im ZDF-Studio freute sich Belgiens Ex-Nationalcoach Marc Wilmots mit. «Ich bin sehr zufrieden», sagte die Schalke-Legende. «Wir haben den Russen so gut wie keine Möglichkeit gegeben.»
Nach zweimal Viertelfinale (2014, 2016) sowie Rang drei bei der WM 2018 soll im vierten Anlauf nun endlich der ganz große Coup für die goldene Generation der Belgier um Lukaku und den am Samstag eingewechselten Kapitän Eden Hazard gelingen. Der Start dieser Mission ist schon mal geglückt. Auch dank Rekordtorjäger Lukaku.
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