Das für die Vergabe der Fördermillionen maßgebliche Potenzialanalysesystem (Potas) im Spitzensport stößt bei deutschen Trainern, Funktionären und Athletenvertretern einmal mehr auf Ärger und Unverständnis. «Potas tut dem deutschen Sport absolut nicht gut. Das muss auch nicht mehr überarbeitet werden, bitte einfach abschaffen», sagte der Präsident des Deutschen Basketball Bundes, Ingo Weiss, der Deutschen Presse-Agentur. Der Chef-Bundestrainer im Volleyball, Christian Dünnes, sprach von einer «Scheinobjektivierung».
Mithilfe der Potas-Analyse sollen die Fördergelder des Bundes stärker anhand von Erfolgserwartungen und Medaillenchancen verteilt werden. In die Untersuchung fließen der Erfolg, das Kaderpotenzial und die Struktur der jeweiligen Verbände ein. Der jüngste Bericht lag der Deutschen Presse-Agentur vorab vor und sollte im Laufe des Tages veröffentlicht werden.
Dressurreiten top, Taekwondo hinten
Im Rennen um die Fördermillionen hat das Dressurreiten die besten Chancen. Keine große Überraschung angesichts der Olympiasiege im Einzel- und Teamwettbewerb nicht. Die Hockey-Herren als Silbermedaillengewinner und die erfolgsverwöhnten Kanu-Männer im Kajak liegen auf den Plätzen zwei und drei.
Düster sieht es hingegen für Taekwondo oder Gewichtheben aus. «Dennoch können Athletinnen, Athleten oder auch Teams durchaus Erfolgschancen bei den Olympischen Spielen 2028 haben, welche zum Zeitpunkt der vorliegenden Analyse noch nicht abbildbar sind», heißt es im Bericht.
Unverständnis beim Volleyball-Chef-Bundestrainer
Kritik kam vom Chef-Bundestrainer der Volleyballer, Christian Dünnes. Der 40-Jährige sprach von Schwächen bei der Berechnung des Kaderpotenzials. «Wenn beispielsweise das zweite Team im Beach-Volleyball statt als zweite Medaillenchance als Verringerung der Medaillenchance des Topteams gewertet wird», nannte Dünnes als Beispiel. Kaum bewertet würden außerdem die Qualifikationswege und die internationale Konkurrenzsituation in den einzelnen Sportarten.
Basketball-Boss schimpft: «Einfach abschaffen»
Das Potenzialanalysesystem war schon im Vorjahr heftig in die Kritik geraten, nachdem die prognostizierten Erfolge aus dem letzten Bericht nicht mit der realen Medaillenausbeute übereingestimmt hatten. So war der Deutsche Leichtathletik-Verband am besten bewertet worden und kehrte ohne Edelmetall von der WM vor einem Jahr zurück. Die Basketball-Männer wurden hingegen Weltmeister und die 3×3-Frauen Olympiasiegerinnen, obwohl der Potas-Bericht der Sportart die geringsten Erfolgschancen eingeräumt hatte.
Dieses Mal gab es nur eine Rangliste nach Disziplingruppen, nicht auch nach Sportarten. Die Basketball-Herren sprangen auf Platz 15, die 3×3-Frauen auf Platz 9. «Wieso wird der DBB, der so erfolgreich ist, mit Platz 15 bestraft?», fragte Weiss.
Umstritten ist vor allem das angewandte Attributesystem. Hierbei müssen die Spitzensportverbände zu verschiedenen Aspekten des Sports einen Fragenkatalog ausfüllen. «Die Potas-Kommission war strukturell bisher nicht in der Lage, ein Umsetzungsmonitoring der angeforderten Nachweise, Maßnahmen und Konzeptionen in der Säule der Strukturattribute zu betreiben», teilte Athleten Deutschland mit. Die Grundidee, eine Grundlage für eine potenzialorientierte Förderung zu schaffen, halte man nach wie vor für sinnvoll.
Deutscher Sport im Abschwung
Der DOSB hatte im Vorjahr eine Überarbeitung des Systems versprochen. Umfassende Veränderungen sind auf den ersten Blick allerdings nicht zu erkennen – werden im Bericht aber angekündigt. Es sei geplant, «dass die Verbandsstrukturen zukünftig aus dem Bewertungsverfahren der Potas-Kommission herausgelöst werden», heißt es. Grund sei unter anderem der erforderliche Bürokratieabbau.
Sowohl für den Sommersport als auch für den Wintersport wird die Potas-Rangliste jeweils alle vier Jahre nach Olympia erstellt. Ziel ist eine umfassende Reform des Leistungssports. Denn seit den Spielen 1992 in Barcelona geht es bergab mit den deutschen Erfolgen auf der Weltbühne des Sports. 82 Medaillen sammelten die Sportlerinnen und Sportler damals ein. Zwanzig Jahre später in London waren es nur noch 44, in Paris in diesem Jahr 33.
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