24. November 2024

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Kurzflüge bis Klimafonds: «Schwachpunkte» bei Nachhaltigkeit

Als nachhaltigste Fußball-EM der Geschichte wurde das Turnier in Deutschland von den Organisatoren angekündigt. Umweltexperten gehen bei dieser Einschätzung nicht ohne Einschränkungen mit.

Wenn es um alles oder nichts geht, ist es mit der Nachhaltigkeit nicht mehr weit her. Zu ihren K.o.-Spielen bei der Fußball-EM reisen viele Teams mit dem Flugzeug, auch die deutsche Nationalmannschaft für das Achtelfinale am Samstag gegen Dänemark in Dortmund.

Die DFB-Auswahl hat es aus ihrem Teamquartier in Herzogenaurach aber vergleichsweise noch recht weit – dem türkischen Verband waren schon die 180 Kilometer zum entscheidenden Gruppenspiel von Barsinghausen nach Hamburg zu viel. Und das ist die nachhaltigste EM der Geschichte?

Insbesondere mit der Gestaltung des Spielplans hatte die Europäische Fußball-Union UEFA ein Zeichen setzen wollen. Die Austragungsorte und Spiele wurden für die Gruppenphase in drei geografische Cluster sortiert, um den Reiseaufwand für Mannschaften und Fans weitgehend zu reduzieren. «Die Herausforderung bestand darin, Nachhaltigkeit so weit wie möglich zu berücksichtigen, ohne Kompromisse bei der fairen Behandlung der Mannschaften zu machen», erklärte Marcello Alleca, Leiter Männer-Nationalmannschaftswettbewerbe der UEFA, zur Erstellung des Spielplans.

Nach Angaben der UEFA fanden bei der EM 2016 in Frankreich mehr als 75 Prozent aller Transfers der Mannschaften zu Gruppenspielen per Flugzeug statt, in Deutschland waren es 25 Prozent. Maßnahmen wie diese sind gut, so dass die Auswirkungen auf die Umwelt des Turniers im Vergleich zu früheren Turnieren durchaus geringer ausfallen können, wie Thomas Fischer von der Deutschen Umwelthilfe sagte. Er ergänzte aber auch: «Es gibt Schwachpunkte.»

Kein Verständnis für Kurzflüge: «Unsinnig und unnötig»

Denn zum Beispiel hätte bei genauer Betrachtung der Anteil von Flugreisen und ganz grundsätzlich die Zahl der Reisekilometer noch geringer sein können, wenn die Teams gewollt hätten. Die Spanier beispielsweise trugen ihre Gruppenspiele in Berlin, Gelsenkirchen und Düsseldorf aus – ihr Teamquartier bezogen sie aber im Süden in Donaueschingen nicht unweit der Grenze zur Schweiz.

Die Fahrt der türkischen Auswahl mit dem Bus nach Hamburg hätte gute zwei Stunden gedauert – doch stattdessen wurde eine Chartermaschine vom Flughafen Hannover gebucht. Solche Kurzstreckenflüge für Funktionäre und Mannschaften sorgen für Unverständnis bei Fischer: «Hier hätte man mit einem Inlandsflugverbot ein großes Ausrufezeichen setzen können.»

«Das ist völlig unsinnig und unnötig», kritisierte Werner Reh, Verkehrsreferent beim Umweltverband BUND. Die CO2-Bilanz sei 10- bis 20-mal schlechter als eine Fahrt mit der Bahn, ergänzte Reh. Er könne sich nicht erklären, warum die Verantwortlichen für diese kurze Distanz den Flieger gewählt haben.

Deutsche Umwelthilfe: Klimafonds der UEFA «mickrig»

Die UEFA hat für die EM einen sogenannten Klimafonds aufgebaut, mit dem «unvermeidbare Emissionen» ausgeglichen werden sollen. «Die Deutsche Umwelthilfe hält diesen Ansatz für problematisch, denn man muss hinterfragen, welche CO2-Emissionen wirklich unvermeidbar sind», sagte Fischer.

Die Mittel in Höhe von insgesamt sieben Millionen Euro werden laut UEFA an deutsche Amateurvereine für Klimaschutzprojekte ausgeschüttet. Die Projekte reichen von der Installation von LED-Flutlichtanlagen bis zu Stromspeicherbatterien. «Kurzflüge oder Einwegmüll werden nicht weniger klimaschädlich, nur weil Energiesparlampen in der Umkleide eines Amateurvereins angebracht werden», sagte Fischer.

Zudem ist die in den Klimafonds eingezahlte Summe aus seiner Sicht zu niedrig. «So werden für jede Tonne unvermeidbaren CO2 25 Euro in den Klimafonds eingezahlt. Das ist viel zu wenig, da bereits seit Anfang 2024 eine Tonne CO2 mit 45 Euro bepreist ist – in Europa sind es aktuell zwischen 75 und 81 Euro.» Die sieben Millionen Euro für den Klimafonds seien «mickrig» im Vergleich zu dem erwarteten EM-Umsatz. Dieser liegt nach Schätzungen der UEFA bei 2,4 Milliarden Euro.

Merchandising aus Expertensicht nicht umweltfreundlich

Ein weiterer Kritikpunkt der Deutschen Umwelthilfe ist, dass es für Speisen keine Mehrwegverpackungen in den Stadien gibt. Dies sei nicht nachvollziehbar, betonte Fischer. «Was augenscheinlich nicht klappt, ist eine Abfalltrennung und das Recycling von Einwegverpackungen. Egal, was für Tonnen zur Sammlung unterschiedlicher Verpackungen aufgestellt werden, die Trenndisziplin ist gering und vermutlich auch das Unwissen vieler Gäste zu groß. Der Mehrwegeinsatz mit Pfand ist da die eindeutig bessere Lösung.»

Auch das Merchandising der UEFA kritisiert die Deutschen Umwelthilfe. «Über Gartenzwerge, Spielerpuppen bis hin zu Plastikarmbändern oder Handyhüllen wird alles nur Erdenkliche an Produkten aufgefahren. Damit lässt sich zwar viel Geld verdienen, aber umweltfreundlich ist das riesig aufgeblasene Marketing mit teilweise zweifelhaften Produkten jedoch nicht», sagte Fischer. Das EM-Merchandising der UEFA sei Sinnbild einer «ressourcenvergeudeten und klimaschädlichen Überproduktion».

Von Christian Johner, dpa