Während die Florida Panthers noch auf dem Eis mit dem begehrten Stanley Cup ihre rauschende Party-Nacht einläuteten, versuchte Leon Draisaitl mit geröteten Augen in einem Nebenzimmer der Kabine die größte Enttäuschung seiner Karriere zu beschreiben.
Drei Niederlagen zum Auftakt, dann drei Siege und im siebten Spiel der Final-Serie die Chance auf den ersehnten Triumph – nur um dann 1:2 zu verlieren und trotz zahlreicher Chancen brutal aus dem großen Eishockey-Traum aufzuwachen.
«Es ist herzzerreißend. Viel schlechter ging es mir noch nicht, um ehrlich zu sein», sagte der Angreifer der Edmonton Oilers in den Katakomben der Arena nördlich von Miami. «Es tut sehr weh gerade. Du bist einen oder zwei Schüsse entfernt, das Ding zu gewinnen. Jetzt musst du wieder durch 82 Saisonspiele gehen, gut genug spielen, um überhaupt noch mal eine Chance zu bekommen.»
Draisaitl verweigert Kommentar zu Verletzungen und eigener Zukunft
Körperlich angeschlagen und am Ende sichtlich leer hatte auch Draisaitl am Ende nichts mehr im Tank, um die Verlängerung zu erzwingen. Seit Wochen gab es Gerüchte über einen Rippenbruch sowie gebrochene Finger. Kommentieren wollte Draisaitl seinen körperlichen Zustand nicht. «Da müssen wir jetzt nicht drüber reden», sagte er nur – und verweigerte auch einen inhaltlichen Kommentar zu seiner eigenen Zukunft.
Denn während die Panthers ein Jahr nach der Final-Niederlage gegen die Vegas Golden Knights die Erlösung und ihre erste Meisterschaft zelebrierten, schlitterten die Oilers in eine schmerzhafte Sommerpause mit Fragezeichen. Ob Draisaitl in der kommenden Saison erneut beteiligt ist beim Versuch, den sechsten Titel für die Oilers zu gewinnen, ist offen. Der Vertrag des 28 Jahre alten Kölners läuft nach der kommenden Spielzeit aus.
Will Edmonton nicht riskieren, einen der besten Profis der Liga ohne Gegenwert zu verlieren, müssen sich beide Parteien in den kommenden Monaten auf eine Fortsetzung der Zusammenarbeit einigen – oder der Stürmer läuft zukünftig womöglich erstmals in seiner NHL-Karriere in einem anderen Trikot auf. Laut dem gut informierten NHL-Insider Frank Seravalli sollen Draisaitl und sein kongenialer Sturmpartner Connor McDavid (Vertragsende 2026) dem Oilers-Management bereits das Signal gegeben haben, langfristig bleiben zu wollen.
Lob von Uwe Krupp
Vor diesen Gesprächen liegen aber wohl zunächst einige Tage Trauerarbeit. «Ich glaube, es wird einige Zeit weh tun auf jeden Fall. Einfach auf die nächste Saison fokussieren dann», sagte Draisaitl nach dem bitteren Saisonende in Florida, bevor er wieder in die Kabine ging.
«Diese Niederlage im siebten Spiel ist ein Tritt unter die Gürtellinie», sagte der zweimalige Stanley-Cup-Gewinner Uwe Krupp der dpa. Der frühere Bundestrainer lobte Draisaitl für eine «Riesen-Saison. Er hat einen riesigen Anteil am Erfolg der Oilers, ist ein ganz wichtiger Faktor».
Oilers verpassen ein Kapitel Sportgeschichte
Mit einem vierten Sieg hätten die Oilers Sportgeschichte geschrieben und als erst zweites Team der NHL-Geschichte nach drei Pleiten zum Auftakt in die Stanley-Cup-Finals die Serie noch für sich entschieden. Zum bislang einzigen Mal war das den Toronto Maple Leafs vor 82 Jahren gelungen. Auch die Durststrecke kanadischer Teams wäre vorbei gewesen, zuletzt kam der NHL-Meister vor 31 Jahren nicht aus den USA.
Das 0:1 durch Carter Verhaeghe in der 5. Minute konterten die Gäste rasch, Mattias Janmark traf in der 7. Minute zum Ausgleich. Im zweiten Drittel hatten die Oilers den Puck dann häufiger und länger, konnten aus dem Übergewicht aber kaum klare Chancen generieren. Ein Konter mündete schließlich in einen haltbar wirkenden Schuss von Sam Reinhart, der die Arena in Florida zum Beben brachte (36. Minute).
Die Oilers mühten sich, ackerten und hatten in einigen Situationen auch einfach nicht das nötige Glück. Draisaitl, sichtlich angeschlagen und harten Zweikämpfen dem Augenschein nach aus dem Weg gehend, konnte seinem Team nicht entscheidend helfen. Ebenso wie Superstar McDavid, der als erster Finalverlierer seit 21 Jahren mit der Conn Smythe Trophy als wertvollster Spieler der Stanley-Cup-Playoffs ausgezeichnet wurde.
Somit bleibt es dabei, dass sich erst fünf deutsche Profis Stanley-Cup-Sieger nennen können: Krupp (1996/2002), Dennis Seidenberg (2011), Tom Kühnhackl (2016/2017), Philipp Grubauer (2018) und Nico Sturm (2022). Die persönlichen Auszeichnungen als wertvollster Spieler einer Saison und Torschützenkönig hat Draisaitl. Auf den ersehnten Titel muss er noch warten. «Ich traue ihnen wieder den Griff nach dem Stanley Cup zu, gerade mit den Erfahrungen des jetzigen Laufs», sagte Krupp.
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