Im Entspannungsraum nach dem Strategie-Krimi von Spanien saßen Max Verstappen und Lando Norris abgekämpft nebeneinander. Der Formel-1-Weltmeister von Red Bull konnte die nächste Attacke des McLaren-Hoffnungsträgers abwehren und raste zum Sieg-Hattrick in Barcelona. Verstappen feierte mit einer hochkonzentrierten Vorstellung seinen siebten Saisonerfolg und baute damit die WM-Führung weiter aus.
«Wir waren heute definitiv nicht die Schnellsten da draußen, aber wir haben auch mit der Strategie alles richtig gemacht», sagte Verstappen, der vor der Siegerehrung einen meterlangen Anlauf nahm und sich in der Boxengasse erleichtert seinen Red-Bull-Teammitgliedern in die Arme warf.
69 Punkte mehr hat er nach seinem 61. Karrieresieg als der neue WM-Zweite Norris. «Gut gemacht, Max, das war ein brillant geführtes Rennen», lobte Red-Bull-Teamchef Christian Horner. «Heute drehte sich alles darum, die Reifen richtig zu behandeln», berichtete Verstappen – und machte das einfach glänzend.
Norris ärgert sich über den Start
Nach einem Horrorstart musste sich Norris trotz Pole Position und einer verbissenen Verfolgungsfahrt bis zur Zielflagge mit Position zwei zufriedengeben. 2,2 Sekunden fehlten ihm am Ende auf Verstappen. «Ich hätte gewinnen sollen. Ich habe den Start verpatzt», klagte der frustrierte Norris. «Ich bin enttäuscht, nehme aber eine Menge Positives mit. Dieses eine Negative hat irgendwie alles ruiniert. Ich weiß das.»
Im 1111. Grand Prix der Formel-1-Geschichte schaffte es Lewis Hamilton im Mercedes als Dritter erstmals in diesem Jahr auf das Podium. «Es ist eine große Überraschung, hierher zu kommen und diese Punkte zu holen. Wir sind dabei, Schritte nach vorne zu machen», berichtete Hamilton nach seinem ersten Podestrang seit Mexiko im Herbst 2023.
Haas-Pilot Nico Hülkenberg verpasste auf dem Circuit de Barcelona-Catalunya nach einer Fünf-Sekunden-Strafe, weil er in der Boxengasse zu schnell fuhr, als Elfter erneut knapp die Punkteränge.
Ein Brand bei McLaren sorgt für Chaos
Norris und sein McLaren-Team hatten einen chaotischen Samstag erlebt. Nach einem Feueralarm musste das Motorhome des englischen Traditionsrennstalls geräumt werden, die Feuerwehr rückte an und war stundenlang im Einsatz. Ein Brand, vermutlich im Küchenraum, hatte für viel Aufregung gesorgt. Verletzte blieben offiziellen Angaben zufolge aus.
Norris und sein Teamkollege Oscar Piastri mussten aber umziehen. Norris fand Unterschlupf im Ingenieurs-Büro – und raste dann zu seiner zweiten Karriere-Pole. Seinen zuvor einzigen Startplatz ganz vorn hatte er 2021 in Russland geholt. Norris und McLaren bedankten sich dann am Rennsonntag bei den Einsatzkräften unter anderem mit einem Erinnerungsfoto.
Verstappen und Red Bull büßen Dominanz ein
Verstappen war nach der Qualifikation verstimmt, auch wenn ihm nur der Wimpernschlag-Hauch von 0,020 Sekunden auf den Spitzenmann fehlte. «Ich sage schon seit Wochen, dass wir mehr Performance in den Wagen bringen müssen», klagte er. Red Bull, so schien es nach dem Samstag, hat seinen Vorsprung eingebüßt. McLaren, Mercedes und Ferrari sind wohl fast gleichauf. «Wir haben letztes Jahr ein sehr dominantes Auto gehabt. Das ist natürlich nicht mehr so, wie es einmal war», räumte Verstappen ein.
Statt Oranje dominierte auf den Rängen aber Rot-Gelb. Die Spanier Fernando Alonso (Aston Martin), als Lokalmatador letztmals 2013 in Katalonien siegreich, und Carlos Sainz (Ferrari) wurden von ihrem Heimpublikum frenetisch willkommen geheißen.
Russell mit einem Raketenstart
Für den ersten Wow-Effekt nach dem Erlöschen der Roten Ampeln sorgte George Russell. Während Norris seinen Start mit durchdrehenden Rädern verpatzte und Verstappen seine Position immerhin hielt, machte der Mercedes-Mann gleich drei Plätze gut und zog in der ersten Kurve einfach außen vorbei. «Er hat mich ins Gras gedrückt», beschwerte sich Verstappen über Funk auch noch über den Positionskampf mit Norris.
Der dreimalige Weltmeister brauchte aber nicht lange, um wieder an die Spitze zu rasen. Handle klug, riet ihm der Red-Bull-Kommandostand in Runde drei. Und nur wenige Momente später verdrängte Verstappen Russell wieder von Rang eins. Nach rund einem Viertel der 66 Runden lag der Vorsprung des Niederländers bei fast fünf Sekunden.
Während der ersten Boxenstopp-Welle warf ein verpatzter Stopp mit 5,3 Sekunden Standzeit Russell im Kampf um den möglichen Grand-Prix-Erfolg zurück. Verstappen und Red Bull zeigten indes, wie es geht: Innerhalb von nur 1,9 Sekunden gab es frische Gummis.
Norris kommt ran – Verstappen bleibt aber cool
Die Strategen waren längst gefragt. Der Führende Norris blieb auf der weichsten Mischung erstmal weiter draußen – und verzockte sich damit. Satte zehn Sekunden trennten ihn nach dem ersten Reifenwechsel von Verstappen. Norris verschliss auf seiner Aufholjagd auch die frischen Pneus, weil er nicht schnell genug an Russell und dessen Teamkollege Hamilton vorbeikam. Hülkenberg, von Rang 13 gestartet, kämpfte weiter hinten um wenigstens einen WM-Zähler.
Verstappens Vorsprung auf Norris schrumpfte auf fast vier Sekunden. Der Weltmeister kam nun zum zweiten Mal an die Box. Norris frohlockte: «Das ist unsere Chance.» Kurz danach kamen dem Engländer aber Zweifel. Norris zog mit einem Stopp nach, musste aber fast acht Sekunden auf Verstappen gut machen. Red Bull funkte derweil an seinen Star: «Max, wir müssen Gas geben, Lando schont seine Reifen nicht.» Norris fuhr ein verbissenes Rennen, doch den coolen Verstappen konnte er nicht mehr abfangen.
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