Der Gedanke an ihren olympischen Sehnsuchtsort löst in Camilla Kemp Vorfreude und Angst zugleich aus. «Die kleinsten Fehler machen den Unterschied zwischen Paradies und Hölle» – so beschreibt die erste deutsche Olympia-Surferin Teahupo’o.
Der weltberühmte Surfspot vor Tahiti gilt als einer der gefährlichsten der Welt. «Es kann eine wunderschöne Erfahrung sein. Es kann aber auch todesgefährlich sein», sagt Kemp. Gut vorbereitet und mit viel Mut will sie dort bei ihrer Premiere um die Medaillen surfen. Der 28-Jährigen ist aber auch noch etwas anderes sehr wichtig.
Kemp sieht sich als Botschafterin und Mentorin für das Frauen-Surfen generell und in Deutschland im Speziellen. Dass sie als erste Deutsche das Wellenreiten bei den Sommerspielen repräsentiert, ist für sie Ehre und Gelegenheit zugleich. «Das ist riesig. Es ist für mich eine Chance, ein Vorbild zu sein», sagt sie. «Ich möchte die nächsten Generationen Mädels motivieren, denselben Weg zu gehen.»
Kemp ist als Tochter einer deutschen Mutter und eines niederländischen Vaters in Portugal aufgewachsen. Als blonde Frau habe sie es dort nicht immer leicht gehabt, hat sie mal erzählt. Sie habe zeitweise das Gefühl gehabt, nicht so wirklich dazuzugehören, nicht richtig nach Portugal zu passen. Sie gab jedoch nicht auf, lebte für ihre Surf-Leidenschaft. Kemp ging bei Wind und Wetter zum Strand, trainierte, setzte sich durch.
Erster deutscher Olympia-Surfer sieht Kemp in Vorbildrolle
Surfen, das 2021 in Japan erstmals im Olympia-Programm war, ist weiterhin sehr männlich geprägt. «Wenn man am Strand sitzt, sieht man, dass sehr viel weniger Frauen als Männer im Wasser sind», sagt Kemp. Sie will anderen Surferinnen zeigen, «dass man sich durch Stärke und harte Arbeit durchkämpfen kann und dass es sich auch lohnt». Ihre Sommerspiele-Qualifikation ist ein Beispiel dafür, Olympia die größtmögliche Plattform. «Es ist einfach wichtig, dass wir Frauen einander pushen und einander supporten», sagt Kemp.
Leon Glatzer, der vor drei Jahren der erste deutsche Surfer bei Olympia war, sieht sie schon jetzt in der Vorbildrolle, in der Kemp sein will. «Sie bringt den Traum zu so vielen deutschen Surferinnen und zeigt ihnen, was möglich ist», sagt der 27-Jährige im Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur.
«Als würde sich der Ozean überschlagen»
Für Kemp ist schon allein die Austragung der Olympia-Wettkämpfe von Männern und Frauen in Teahupo’o ein Schritt Richtung Gleichberechtigung im Surfen. «Das hilft die Strukturen zu schaffen, dass wir Frauen auch die Möglichkeiten haben, diese großen Wellen zu surfen», sagt sie.
Vor der Insel in Französisch-Polynesien treffen die kräftigen Wellen auf ein sehr flaches Korallenriff. «Es ist mehr oder weniger so, als würde sich der Ozean überschlagen. Die Welle bildet eine Röhre, und die gilt es zu surfen», sagt Tim Elter, der die deutschen Männer von Ende Juli an bei Olympia vertritt und mit Kemp schon in Teahupo’o trainiert hat. «Wenn man stürzt, ist die Chance recht hoch, dass man aufs Riff geschleudert wird, sich Schnitte holt, im schlimmsten Fall Brüche oder sogar den Tod», ergänzt er in der Surftown MUC bei München. Auch das Surfen im dortigen Surfpark, Krafttraining am Olympiastützpunkt und Apnoe-Übungen sind Teil der Vorbereitung.
Bei der Bewältigung der sportlichen Herausforderung, aber auch im Umgang mit dem ungewohnten Olympia-Trubel unterstützen sich der 20-Jährige und Kemp gegenseitig. «Man weiß, was der andere spürt, hat ähnliche Emotionen und kann sich bei der Vorbereitung helfen», sagt Kemp. «Es ist für mich sehr schön, dass Tim so große Erfahrung hat in solchen Wellen. Das hilft mir und gibt mir Sicherheit.»
Olympia als Lohn für Entbehrungen
Elter beschreibt seine Teamkollegin als fröhliche Sportlerin, aber auch «sehr harte Arbeiterin» und ergänzt mit Blick auf ihre Olympia-Qualifikation: «Sie hat sehr viel Energie, viel Kraft und ihr volles Herz da reingesteckt.»
Auch Kemp selbst berichtet von harten Momenten in einem Leben, das für viele auf den ersten Blick wohl als gelebter Traum erscheint. «Man stellt sich das immer schön vor – Sonne, schöne Wellen – aber es steckt sehr viel mehr dahinter», sagt sie. Viele Monate im Jahr ist sie von Freunden und Familie getrennt, reist um die Welt zu Wettkämpfen und in Trainingslager. Nicht immer ist sie dabei im Team unterwegs. «Es ist wirklich ein sehr, sehr schwieriges Leben und es bringt auch seine Einsamkeit mit sich», sagt sie. Olympia ist nun der Lohn.
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