23. November 2024

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Sané bei EM dabei: Aber kein Ticket für Hummels und Goretzka

Die Nominierungsorgie des DFB geht weiter. Viele Fans lieben die Social-Media-Schnipsel und Stürmer Füllkrug lacht sich ins Fäustchen. Für Mats Hummels und Leon Goretzka gibt es aber kein Happy End.

Leroy Sané blickte auf dem Porträt in der berühmten Frankfurter Kunstsammlung Schirn fast so geheimnisvoll wie Mona Lisa. Von Mats Hummels und Leon Goretzka wird es in diesem Sommer hingegen ganz sicher kein EM-Lächeln geben. Während die kuriose Nominierungsorgie des DFB die meisten Fans in den Social-Medial-Kanälen auch total verzückte, ist das Turnier-Aus für den Dortmunder Abwehrroutinier trotz des Dortmunder Königsklassen-Rauschs wie auch für seinen Münchner Leidensgenossen Goretzka offenkundig beschlossene Sache. 

Früher als seine BVB-Kollegen marschierte Hummels am Dienstag nach einem öffentlichen Training in die Kabine. Kein Wort zu seinen pulverisierten Perspektiven in der Fußball-Nationalmannschaft. Kein Wort zu einem möglichen Karriereende generell. Klar ist aber auch, Hummels und Goretzka wissen schon Bescheid. Bundestrainer Julian Nagelsmann hat längst alle EM-Kandidaten informiert. 

Hummels‘ Kollege Niclas Füllkrug bestätigte indirekt die Ausbootung. «Natürlich hätte er es leistungstechnisch sicherlich auch verdient. Das sind aber mit Sicherheit auch Überlegungen, wo andere Dinge auch eine Rolle spielen. Der Bundestrainer wird da auch seine Idee haben. Darauf müssen wir auch alle vertrauen», sagte der 31-Jährige, der selbst per Radio-News bei 1live am frühen Morgen seine EM-Zusage bekommen hatte über Hummels.

Führich beim Bäcker, Koch im WorldWideWohnzimmer

Die Indizienlast, die gegen den 35-jährigen Hummels und den sechs Jahre jüngeren Goretzka spricht, war erdrückend. Am Dienstag bekam nach Füllkrug und Chris Führich bei einem Bäcker im Nordschwarzwald auch Robin Koch seine offizielle EM-Zusage – und zwar von den Youtube-Entertainern Dennis und Benni Wolter im WorldWideWohnzimmer. 

Der Frankfurter Innenverteidiger ist nach Hummels BVB-Kollege Nico Schlotterbeck und Leverkusens gesetzten Manndecker Jonathan Tah, der dritte zentrale Abwehrmann, Antonio Rüdiger von Real Madrid ist auch sicher dabei und ein weiteres Ticket scheint für Waldemar Anton vom VfB Stuttgart reserviert. 

Hummels ist damit über und nach der klaren Ausbootung von Nagelsmann im März ohnehin nicht mehr gewollt. Nach 78 Länderspielen mit dem WM-Sieg 2014 als Höhepunkt ist die Achterbahn-Karriere nun wohl endgültig gestoppt. Goretzka hatte spätestens mit der Nominierung von Club-Kollege Aleksandar Pavlovic durch RTL-Frontfrau Frauke Ludowig am Montagabend eins und eins zusammenzählen können, dass er als Box-to-Box-Experte nicht gebraucht wird. Auf einem Instagram-Foto präsentierte er sich modisch elegant mit Cap und Sonnenbrille auf dem Sofa. 

Nagelsmanns März-Worte gelten noch

Mit der Absage an die Alphatiere, die noch im Herbst bei Nagelsmanns Dienstantritt als absolute sichere EM-Spieler galten, setzt der Bundestrainer seinen im März eingeläuteten Personalkurs radikal fort. Wer dem 36-Jährigen damals genau zugehört hatte, kann jetzt nicht überrascht sein. «Außer Frage steht: Falls alle gesund bleiben und so weiter performen, werden wir auf jeden Fall nicht zehn Spieler tauschen im Sommer. Eigentlich auch nicht fünf, vielleicht ein, zwei – plus Verletzte», sagte Nagelsmann nach den EM-Mutmachern gegen Frankreich (2:0) und die Niederlande (2:1).

Diese ein, zwei Änderungen sind nun Schlotterbeck und der damals gesperrte Sané und nicht Hummels und Goretzka, denen Nagelsmann schlicht nicht zutraut, den EM-Sommer in Nebenrollen akzeptieren zu können. Der hin und wieder auch zu Muffeligkeit neigende Sané (28) hatte die Botschaft des Bundestrainers erkannt und war trotz Rot-Sperre nach Frankfurt gereist, schlenderte mit Schirmmütze durch die Mixed Zone und machte auf Gut-Wetter. 

In Frankfurt wurde sein Konterfei am Dienstag in der berühmten Galerie Schirn enthüllt. Der nächste PR-Coup der DFB-Serie, die am Donnerstag um 13.00 Uhr mit dem Auftritt von Nagelsmann zur Verkündung des restlichen Kaders mitten in Berlin beim alten und neuen Generalsponsor VW gipfeln soll. 

Das bei den Social-Media-Aktionen auch mal etwas schiefgehen kann, hat der DFB eingepreist. Die Brottüte mit dem Bild von Führich beim Bäcker Seeger in Nagold hatte der gänzlich unbekannte X-User Valentin am Dienstagvormittag gesehen und gepostet, kurz bevor dieses Online gehen sollte. 

DFB-Strategie funktioniert

Im Rauschen der vielen Internet- und Medienbotschaften machte diese Schleife die Aktion sogar noch charmanter. Der normale Fan mischt mit. Besser hätten es sich auch die Marketingstrategen nicht ausdenken können. «Irgendwie holt man die gesamte Gesellschaft mit ins Boot», sagte Füllkrug.

Der Tag hatte mit dem Radio-Jubel des bislang besten Torschützen unter Nagelsmann (vier Tore seit Oktober) schon euphorisch begonnen. «Ich kriege Gänsehaut, wenn ich daran denke», sagte der telefonisch zugeschaltete Füllkrug im Ausblick auf das Turnier in wenigen Wochen. Dass seine Tochter mit der nach ihm gestalteten Playmobilfigur die EM schon nachspielt, passte perfekt in den Plot der menschlichen Nationalspieler, die der DFB auf seiner Nominierungstour verkauft. 

Die ganze Aktion ist – wie Füllkrug verriet – auch eine Retourkutsche gegen die aufgeregte Medienbranche. «Dieses ganze Geleake der vergangenen Jahre. Donnerstags ist Nominierung und montags gibt es dann ja so ein paar Nicht-Fachmagazine, die dann ein paar Kader geleakt haben – die haben wir jetzt mal ein bisschen auf die Schippe genommen und selber geleakt. Das finde ich sehr cool», sagte der Angreifer. 

Auch Havertz ballert

Den Überblick zu bewahren, wer nun schon sicher dabei ist, war nicht ganz einfach. Manch medialer Trittbrettfahrer wollte sich am Dienstag der Nominierungspraxis anschließen und ohne Instagram-Siegel des DFB weitere Namen verkünden. Verbrieft war vorerst noch Kai Havertz. Der Arsenal-Stürmer wurde von den Youtubern Calcio Berlin aus der Baller League zum EM-Spieler ernannt. Er darf wie erwartet im Sommer für Deutschland Tore ballern – im Gegensatz zu Hummels und Goretzka.

Von Arne Richter, Jan Mies und Carsten Lappe, dpa