23. November 2024

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Van der Poels Jagd nach den Monumenten

Mailand-Sanremo, Flandern-Rundfahrt und Paris-Roubaix hat er bereits gewonnen. Nun will der Weltmeister auch in Lüttich triumphieren. Dabei hat er mitunter in Belgien einen schweren Stand.

Mathieu van der Poel gönnte sich vor dem schweren Ritt in den Ardennen ein paar sonnige Tage in Spanien. Neue Kräfte sammeln, bevor der Weltmeister seine Jagd nach den Radsport-Monumenten am Sonntag beim ältesten Frühjahrsklassiker Lüttich-Bastogne-Lüttich fortsetzt.

«Das wird sicherlich schwieriger. Ein gewisser Pogacar ist auch dabei, aber ich freue mich darauf», sagt van der Poel, der in den vergangenen Wochen die Konkurrenz geradezu gedemütigt hat.

Seine dominanten Solo-Siege bei der Flandern-Rundfahrt und vor allem der Kopfsteinpflaster-Tortur Paris-Roubaix waren für Altstar John Degenkolb «das Beeindruckendste», was er in seiner Karriere erlebt hat. Und der frühere Schweizer Klassiker-König Fabian Cancellara prophezeit, dass der MvP genannte Niederländer «Radsport-Geschichte» schreiben wird: «Für seine Nachfolger wird es einmal schwierig, dies zu erreichen.»

Gute Gene

Dabei hat van der Poel relativ spät den Weg zum Straßenrennsport eingeschlagen, seinen ersten großen Erfolg holte er erst mit 24 Jahren beim Amstel Gold Race 2019. Bis dahin war das vielseitige Kraftpaket vor allem im Cross eine große Nummer – und ist es bis heute auch geblieben. Sechs WM-Titel hat er querfeldein bereits eingefahren, natürlich auch in diesem Winter bei den Titelkämpfen im tschechischen Tabor.

Die Cross-Szene ist aber nur noch ein Warm-up für van der Poel, der für Höheres gemacht scheint. Kein Wunder, als Enkel des legendären Raymond Poulidor und Sohn des Klassiker-Spezialisten Adrie van der Poel hat er die Radsport-Gene vererbt bekommen.

Wenn van der Poel mal wieder ein großes Rennen gewonnen hat, betont er gerne, dass «Papy», sein Großvater, bei dem er als Kind jeden Sommer die Ferien verbrachte, sicher stolz gewesen wäre. 2019 starb Poulidor, der in Frankreich Heldenstatus genoss, weil er achtmal in Paris bei der Tour de France auf dem Podium stand, aber nie das Gelbe Trikot trug. Van der Poel benötigte bei seiner Tour-Premiere 2021 gerade einmal zwei Tage, um sich Gelb überzuziehen.

Immer wieder Reibereien

Aber ein Rundfahrer für das Hochgebirge ist van der Poel nicht. Der Niederländer, der gerade erst seinen Vertrag beim Team Alpecin-Deceuninck bis Ende 2028 verlängert hat, kann bei schweren Eintagesrennen über einen langen Zeitraum hohe Wattzahlen treten. So wie in Glasgow bei der WM im vergangenen Jahr, als er sich das Regenbogentrikot holte. Eine große Genugtuung, nachdem er ein Jahr zuvor in Australien die Nacht vor dem WM-Rennen auf dem Polizeirevier verbracht hatte. Van der Poel hatte zwei Mädchen im Hotelflur geschubst, weil sie ständig an seine Tür geklopft hatten. Im Rennen gab er dann entnervt auf.

Van der Poel kann austeilen. Nachdem er im Winter bei einem Crossrennen in Hulst mit Bier und Urin beworfen worden war, bespuckte er bei der nächsten Runde den Übeltäter. Mit der Geldstrafe von 250 Schweizer Franken konnte er gut leben. Gerade die Rivalität mit den Belgiern ist groß, auch bei der Flandern-Rundfahrt kam es wieder zu einer Bierdusche. Bei Paris-Roubaix warf eine Zuschauerin eine Mütze in seine Richtung.

Große Konkurrenz

Seit vielen Jahren ist der Belgier Wout van Aert – erst im Cross, dann auf der Straße – sein großer Gegenspieler. «Wout und ich sind dadurch gewachsen, das wird sicher bis zum Ende unserer Karriere so bleiben», sagt van der Poel. In Lüttich werden sich ihre Wege aber nicht kreuzen, van Aert ist nach seinem schweren Sturz bei Quer durch Flandern mit mehreren Rippenbrüchen derzeit außer Gefecht.

Dafür wird es zum Duell mit dem zweimaligen Tour-Sieger Tadej Pogacar kommen. So wie in Sanremo, als der 29-Jährige den Slowenen selbstlos einholte und dadurch den Weg für seinen sprintstarken Teamkollegen Jasper Philipsen freimachte.

In Sanremo triumphierte van der Poel bereits 2023. Gewinnt er nun in Lüttich, fehlt ihm nur noch die Lombardei-Rundfahrt als letztes von fünf sogenannten Radsport-Monumenten. Dann hätte er das Kunststück geschafft, das vor ihm nur den drei großen Belgiern Eddy Merckx, Roger de Vlaeminck und Rik van Looy glückte. Die Bierdusche der belgischen Anhänger würde er dann wohl über sich ergehen lassen.

Von Stefan Tabeling, dpa