23. November 2024

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Lasagne reicht nicht: O’Sullivan und seine Snooker-Vision

Saudi-Arabien? China? Geht es nach Ronnie O'Sullivan, könnte der Weltverband den WM-Austragungsort sofort ändern. Das Snooker-Genie steht in Sheffield mal wieder im Blickpunkt.

Eine Snooker-WM in Riad oder in Shanghai? Pünktlich zum wichtigsten Turnier des Jahres hat Ronnie O’Sullivan mal wieder Aufsehen erregt und eine kontroverse Debatte angestoßen. Denn geht es nach dem siebenmaligen Titelträger, soll die Weltmeisterschaft künftig nicht mehr in Sheffield stattfinden. «The Rocket», wie O’Sullivan genannt wird, hat genug vom altehrwürdigen Crucible Theatre, wo das Turnier seit 1977 seine Heimat hat. «Hier bekommt man vielleicht einen guten Tee oder eine Lasagne, wenn gekocht wird. Aber das war’s auch», meckerte O’Sullivan.

Hauptkritikpunkte von O’Sullivan sind der begrenzte Platz und die Infrastruktur. Im Crucible Theatre gibt es nur 980 Plätze für Zuschauer. «Das ist ein riesiger Zirkus und man braucht riesigen Platz, um ihn unterzubringen», sagte O’Sullivan, der sich bei seiner Abrechnung in der Boulevardzeitung «The Sun» auch an den Parkplätzen, dem Verkehrssystem und der Logistik in Sheffield abarbeitete. «Das alles willst du nicht», sagte O’Sullivan. Und all diese Umstände gebe es an anderen Standorten, wie beispielsweise in China, nicht.

«Saudi-Arabien wäre großartig»

Dabei steht das Crucible so sinnbildlich für den Snooker-Sport wie der Alexandra Palace von London für Darts oder das Wembley-Stadion für den Fußball. Der 48 Jahre alte Engländer hat schon Gastgeber-Alternativen im Kopf. «Ich denke, Saudi-Arabien wäre großartig. Sie haben die Ressourcen und würden es großartig machen. Wenn man es nach China geben will, müsste man es nach Shanghai bringen. Oder eine andere große Stadt wie Shenzhen oder Guangzhou.» 

China ist seit Jahren fester Bestandteil der Snooker-Tour, viele Top-Profis in der Elite sind aus China. Saudi-Arabien war im März Gastgeber des World Masters of Snooker, das O’Sullivan gewann. Auch in anderen Sportarten wie Golf, Tennis oder der Formel 1 mischt der Wüstenstaat immer stärker mit. Für die Fußball-WM 2034 ist Saudi-Arabien der einzige übrige Bewerber.

Heute der, morgen ein anderer

Es ist nicht das erste Mal, dass der erfolgreichste Snooker-Spieler der jüngeren Vergangenheit für Kontroversen sorgt. Das weiß auch Rolf Kalb, der seit Jahrzehnten Snooker-Turniere für Eurosport kommentiert. «Bei Ronnie O’Sullivan weiß man nie, welchem Ronnie O’Sullivan man heute begegnet. Das ist heute der und kann morgen ein anderer sein. Bei ihm ist es schon so: Wenn er etwas sagt, ist er in diesem Moment davon überzeugt, dass das richtig ist», sagte Kalb der Deutschen Presse-Agentur. «Ob er morgen noch immer derselben Meinung ist, ist ein ganz anderes Thema.»

Für Kalb selbst dürfte es nicht mehr ganz so wichtig sein, ob künftig in Sheffield, Guangzhou oder Riad gespielt wird. Der 64-Jährige bestreitet bei dem am Samstag beginnenden Turnier (bis 6. Mai) seine letzte WM als Kommentator. Dass vor WM-Beginn mal wieder kaum über den belgischen Weltmeister Luca Brecel oder den Jahresbesten Judd Trump aus England gesprochen wird, sondern nur über O’Sullivan – das dürfte Kalb nach all den Jahren nicht mehr wundern.

Keine Lust auf Trophäen

«Im Sport ist es immer so, dass nicht die lieben, braven Jungens geliebt werden, sondern die, die ein bisschen Grenzgänger sind und sich auf einem schmalen Grat bewegen. Das ist bei ihm auf jeden Fall gegeben, das fasziniert die Menschen», beschrieb Kalb. In dieser Saison machte O’Sullivan unter anderem auf sich aufmerksam, als er eine Heißluft-Fritteuse und einen Smoothie-Maker als Erfolgsrezept nannte und stolz verkündete, all seine Pokale zu verschenken. «Trophäen interessieren mich nicht wirklich», sagte der oft als Genie bezeichnete Profi.

Wo der wichtigste Snooker-Pokal der Welt künftig vergeben wird, scheint O’Sullivan auf der Jagd nach seinem achten WM-Titel schon mehr zu interessieren. Aber warum Saudi-Arabien oder China? «Die Hotels sind großartig. Und das Preisgeld wäre astronomisch», sagte O’Sullivan, der bei jenen Märkten offensichtlich nur Vorzüge erkennt. Bei der WM in diesem Jahr werden insgesamt rund 2,8 Millionen Euro ausgeschüttet. Der Sieger erhält rund 585.000 Euro (500.000 Pfund).

Patrick Reichardt und Philip Dethlefs, dpa