Krystal Rivers‘ Diagnose war düster. Dass sie einmal die herausragende Volleyballerin der Bundesliga sein würde, wäre bei ihrer Geburt in Alabama im Mai 1994 wohl niemandem in den Sinn gekommen.
«Das kann man auf jeden Fall ein Wunder nennen», sagte die Sportdirektorin von Allianz MTV Stuttgart, Kim Oszvald-Renkema, der Deutschen Presse-Agentur über Rivers‘ Weg zur Ausnahmekönnerin: «Die Ärzte haben nicht für möglich gehalten, dass sie einmal laufen wird, als sie klein war. Jetzt ist sie eine Athletin, die fast einen Meter hochspringt. Jeder, der ihr zuschaut, staunt erst mal über ihre Explosivität.»
Mit ihrer Wucht und ihrer Klasse kann Rivers den Unterschied ausmachen. So soll sie ihr Stuttgarter Team, das zuletzt zweimal nacheinander Meister wurde, in der laufenden Finalserie gegen den SSC Palmberg Schwerin erneut zum Titel führen. In das zweite Duell am Mittwoch (19.00 Uhr) in eigener Halle gehen die Schwäbinnen allerdings mit einem 0:1-Rückstand in der Serie, in der drei Erfolge für die deutsche Meisterschaft notwendig sind.
Die Ärzte sagten: „Du wirst niemals laufen können. Also entschied ich mich, zu springen“
Rivers möchte über ihre Krankheitsgeschichte momentan nicht reden, hat es aber in der Vergangenheit getan. Und unter dem Titel «Die Ärzte sagten: „Du wirst niemals laufen können. Also entschied ich mich, zu springen“», schreibt die Diagonalangreiferin ein Buch.
Ihre Geschichte ist geprägt von Schmerzen und Tiefschlägen. Mit schweren Geburtsfehlern kam sie auf die Welt. Sie hatte Rückenmarksfehlbildungen. Einige Organe waren nicht so, wie sie sein sollten. Es war nicht klar, ob sie überleben würde. Schon als Baby und Kind verbrachte sie viel Zeit im Krankenhaus.
Sie wurde zahlreiche Male operiert, am Magen, am Rücken, an der Hüfte, um überhaupt laufen zu können. «Wenn ich ehrlich bin, hatte ich nie den einen oder die schlimmsten Tage meines Lebens. Denn mein normales Leben unterscheidet sich von anderen Leben», sagte Rivers einmal dem ZDF: «Ja, ich hatte meine Nöte und harte Zeiten, aber ich denke nie an das Schlimmste. Denn ich bin daran gewachsen».
Die Probleme, die sie seit ihrer Geburt hat, sind aber noch immer nicht alles in ihrer Leidensgeschichte. Auch den Krebs muss sie besiegen. Als sie 2014 mit 19 Jahren auf dem College war, ging es mit einem geschwollenen Lymphknoten an der Hüfte los. «Zuerst hat sich keiner wirklich Sorgen gemacht, aber ich wusste, da stimmt was nicht», sagte die US-Amerikanerin einmal im SWR. «Interessant dabei war, ich hatte damals einen Arzttermin wegen einer Stressreaktion an meinem Bein. Und dann kommt der Arzt rein und sagt zu mir: „Die gute Nachricht: Deinem Bein geht es gut. Die schlechte Nachricht: Du hast Krebs.»
«Sie hat den Club von einem Vizemeister zu einem Meister gemacht»
Rivers überstand die Krankheit und wurde Profisportlerin. Seit 2018 spielt die US-Amerikanerin in der Bundesliga – und ragt heraus. «Sie hat das Niveau von unserem Verein auf ein anderes Level gehoben. Sie hat den Club von einem Vizemeister zu einem Meister gemacht», sagte Renkema. Die Ausnahmestellung unterstrich kürzlich Dresdens Trainer Alexander Waibl, der mit seinem Team im Halbfinale unterlegen war: «Wenn Krystal Rivers gut drauf ist, hat man Pech gehabt. Denn dann ist sie nicht zu stoppen. Sie ist der X-Faktor.»
Beim MTV Stuttgart hat Rivers bereits für die kommende Saison unterschrieben und wird damit in ihre siebte Spielzeit gehen, eine außergewöhnlich lange Laufzeit im Volleyball. Dabei hätte sie in anderen Ländern mehr Geld verdienen können. «Sie hat Angebote gehabt, bei denen sie locker das Fünf- oder Sechsfache hätte verdienen können. Sie hat abgelehnt», sagte Renkema: «Wir haben ihr ein zweites Zuhause geboten. Mit ihrem medizinischen Hintergrund ist sie hier in Deutschland mit den Ärzten sehr gut aufgehoben.»
Gesundheitliche Probleme hat Rivers auch in ihren Jahren in Stuttgart. Sie muss sich akribisch auf die Belastungen des Sports vorbereiten. Sie braucht öfter Pausen, kann nicht jedes Spiel spielen. «Es ist auch ein Wunder, dass sie das durchhält, dass sie das alles investiert, um Profisportlerin zu sein. Das würden nicht alle so hinbekommen», sagte Renkema. «Ihr Wille ist außergewöhnlich. Das habe ich nie im Leben bei einer anderen Spielerin so gesehen.»
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