Als Julian Nagelsmann den edlen schwarz-goldenen Füllfederhalter aus der Hand gab, konnte sich Philipp Lahm einen kecken Spruch nicht verkneifen. Und auch bei Rudi Völler huschte kurz nach seiner Vertragsverlängerung als DFB-Sportdirektor bis ins WM-Jahr 2026 ein Lächeln um die Mundwinkel.
Nach dem Eintrag ins Goldene Buch der Stadt Düsseldorf hätte Bundestrainer Nagelsmann doch gleich noch einen neuen Kontrakt beim DFB unterzeichnen können – so dachte wahrscheinlich nicht nur EM-Direktor Lahm unter der großen Statue des einstigen Kurfürsten Jan Wellem.
Nur Nagelsmann machte bei diesen Gedankenspielen nicht mit. «Ich habe, glaube ich, sehr transparent darüber gesprochen. Da hat sich auch nach dem heutigen Tag nichts geändert», reagierte der 36-Jährige wenige Stunden später nach dem Meeting aller 24 EM-Teams in einem Hotel an der Königsallee ziemlich spröde auf die spannende Frage. «Rudi muss Entscheidungen für sich treffen in seinem Leben, da schreibe ich ihm nichts vor, und genau das Gleiche macht er bei mir auch nicht», sagte der Bundestrainer.
Die feierliche Zeremonie im Rathaus der nordrhein-westfälischen Landeshauptstadt 67 Tage vor dem Anpfiff des Heimturniers wurde zum Schauplatz des nächsten Aktes im spannenden EM-Vorspiel: Bleibt Nagelsmann Bundestrainer? Diese Frage wollte und konnte weder Völler noch DFB-Chef Bernd Neuendorf beantworten. Doch das DFB-Führungsduo wertete zumindest den Verbleib Völlers beim Verband bis zur WM 2026 als wichtiges Zeichen.
«Wir würden uns freuen, wenn wir das hinbekommen, aber wir wollen dem nicht vorgreifen, es ist natürlich eine schwierige Entscheidung auch für Julian Nagelsmann in den nächsten Wochen, aber wir sind natürlich in Gesprächen, ganz klar», sagte Völler nach dem er sich wie der Bundestrainer und auch Neuendorf in dem Düsseldorfer Ehrenbuch verewigt hatte.
DFB-Chef sieht ein Signal
Neuendorf nannte in seinem Statement den Namen Nagelsmann nicht, doch seine Worte waren deutlich. Am liebsten soll mit dem großen Aufschwung nach den März-Siegen der Fußball-Nationalmannschaft in Frankreich (2:0) und gegen die Niederlande (2:1) alles so bleiben, wie es gerade ist. «Ich empfinde, es ist ein Signal in die Landschaft und insgesamt vom DFB, dass wir in dieser Konstellation, wie wir sie jetzt gerade haben, weiter gerne zusammenarbeiten, gerne zusammenarbeiten würden, auch in Richtung des übernächsten Turniers, der Weltmeisterschaft in den USA, Mexiko und Kanada», sagte Neuendorf.
Und Nagelsmann selbst? Der parlierte vor seinem Workshop-Termin bei der UEFA am Nachmittag mit den anderen 23 EM-Trainern erst noch mit geladenen Gästen aus der Düsseldorfer Sport- und Unternehmenswelt – bei Auberginenröllchen und Pilzpflanzerl sowie Heinrich-Heine-Tartelettes zum Dessert. Und lieferte dann den verbalen Nachtisch, der alle weiter im Ungewissen lässt. «Jeder kann seinen Wunsch äußern und seine Meinung austauschen, das haben wir auch getan. Ich freue mich für den DFB, ich freue mich für den deutschen Fußball. Alles andere wird man in den nächsten Wochen sehen», sagte Nagelsmann zu Völlers neuem Vertrag und seiner eigenen Situation.
Völler musste – oder durfte – im engen Rathausflur über seine eigene Zukunftsfrage sprechen, die kurz vor dem Society-Termin geklärt worden war. «Da haben wir jetzt einen Baustein mit Rudi auf jeden Fall schonmal dabei, das ist ganz wichtig. Die Zusammenarbeit stimmt», sagte Neuendorf. Diese Entscheidung hatte sich in den vergangenen Wochen abgezeichnet, Völler mehrfach seine Bereitschaft erklärt, aus der Notlösung nach dem WM-Desaster in Katar eine Dauerlösung zu machen.
Völler weiter Everybody’s Darling
Der Image-Faktor Völler ist für den DFB nicht zu unterschätzen. Davon konnte sich Neuendorf direkt vor dem Düsseldorfer Rathaus überzeugen. Nach einer innigen Begrüßung mit Nagelsmann wurde Völler von Passanten herzlich umlagert. Eine Polizistin eilte rasch noch für ein Selfie herbei. Beim Fan-Gruppenbild mit Nagelsmann und Neuendorf wollten die Touristen unbedingt neben Völler stehen. «Es gibt eben nur einen Rudi Völler, deswegen war die Verlängerung alternativlos», bemühte DFB-Geschäftsführer Andreas Rettig den Fan-Gassenhauer aus dem WM-Jahr 2002 als Erklärung.
«In den zurückliegenden 14 Monaten meiner Tätigkeit habe ich festgestellt, dass mir die verantwortungsvolle Aufgabe beim DFB von Tag zu Tag mehr ans Herz gewachsen ist», sagte Völler. «Ich bin halt auch ein Kind des DFB», fügte er an. «Was anfangs vielleicht aus einem Gefühl der Verpflichtung gegenüber Deutschland, dem Verband und der Nationalmannschaft begann, hat sich längst auch zu einem persönlichen Anliegen entwickelt», versicherte Völler.
Dieses Anliegen soll Völler nun bis zur Amerika-WM in gut zwei Jahren fortführen, unabhängig vom Abschneiden bei der Heim-EM in wenigen Wochen. «Rudi Völler ist mit all seiner Erfahrung für mich und auch für die Trainer und Spieler ein wichtiger Ansprechpartner und Ratgeber», sagte Neuendorf. «Er übt einen positiven Einfluss auf die Nationalmannschaft aus», betonte der Verbandschef.
Völler vermeidet Prognose
Auf den positiven Einfluss Völlers wird beim DFB nun auch in der Personalie Nagelsmann gesetzt. Sicher scheint sich der Sportdirektor aber nicht, dass er nicht doch bald einen neuen Bundestrainer suchen muss. Er habe versucht, bei seinen Antworten zum Thema «ein bisschen zu schlingeln», gestand er – also sich herauszuwinden.
«Natürlich ist es für einen jungen, erfolgreichen Menschen und Top-Trainer schwierig, wenn Du so viele Anfragen hast. Er wird sich die Entscheidung nicht einfach machen, aber wir hoffen, dass es klappen wird», sagte Völler. Die WM 2026 bleibt ein Lockmittel und zumindest für Völler schließt sich in Übersee ein Kreis. 1994 bestritt er beim WM-Turnier in den USA seine letzten Länderspiele.
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