23. November 2024

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Sainz-Sieg nach Krankschreibung – Debakel für Verstappen

Noch vor Kurzem lag Carlos Sainz nach einer Blinddarm-Operation im Bett. In Australien liefert der Ferrari-Pilot eine starke Bewerbungsfahrt ab - und profitiert von einem Desaster für Max Verstappen.

Euphorisiert von seinem neuen Bauchgefühl gab Carlos Sainz seinen Formel-1-Kollegen noch einen ärztlichen Ratschlag mit auf die lange Heimreise. Nach seiner Triumphfahrt im Albert Park von Melbourne nur zwei Wochen nach einer Blinddarmoperation scherzte der 29 Jahre alte Ferarri-Pilot: «Ich werde allen Fahrern empfehlen, ihn diesen Winter herauszunehmen.» 

Dass der Spanier beim rauchenden Frust-Ausfall von Max Verstappen überhaupt zur Stelle sein konnte, war ein Wettlauf gegen die Zeit geworden. Umso mehr genoss Sainz im Konfettiregen nach dem Großen Preis von Australien den üppigen Schluck Champagner. «Ich mag diese Achterbahnfahrt. Das Leben ist einfach manchmal unglaublich», sagte er.

Freude in der Ferrari-Heimat

«Das Wunder von Sainz: Aus dem Krankenhaus zum Triumph», schwärmte die italienische Zeitung «La Stampa». Dass Charles Leclerc im zweiten Wagen von Ferrari den ersten Doppelerfolg der Scuderia seit Bahrain 2022 perfekt machte, krönte den Jubel-Tag in rot und weckte neue Hoffnungen. 

«Ferrari eröffnet die Weltmeisterschaft. Eine rote Wolke zieht – vorerst – am blauen Himmel auf», meinte «La Gazzetta dello Sport» mit Blick auf den Titelkampf und die (bisherige) Vorherrschaft von Red Bull mit seinen überwiegend blau lackierten Autos. «Red Bulls Aura der Unschlagbarkeit geht in Flammen auf und entfacht den Formel-1-Kampf», befand auch der «Guardian» aus England.

Bei seinem dritten Karrieresieg profitierte Sainz vor allem auch vom Bremsdesaster für Weltmeister Verstappen. Der große Favorit schied mit einem rauchenden Red-Bull-Heck nach vier Runden aus, Teamchef Christian Horner blieben nur die Glückwünsche an den Sieger: «Was für eine großartige Leistung von Carlos und dem Ferrari-Team.»

Sainz: Therapie in einer Überdruckkammer

Dass Sainz das dritte Rennen des Jahres gewinnen und die saisonübergreifend neun Grand Prix andauernde Siegesserie Verstappens brechen konnte, hatte aber auch viel mit seinem Eifer zu tun. Sieben Tage habe er nach dem Eingriff in Dschidda, wo ihn Youngster Oliver Bearman vertreten hatte, im Bett verbracht. Dann begann sofort die Arbeit am Comeback samt Austausch mit Medizinern und Sportlern sowie Therapie in einer Überdruckkammer.

Vor dem Flug nach Australien dachte Sainz noch: «Das wird nichts.» Aber wie etwas daraus wurde! «Mein Körper ist immer noch im Abwehrmodus», schilderte der erschöpfte Sainz nach den Jubelminuten vor den Augen von Papa Carlos und Freundin Rebecca. «Ich mache alles langsamer und vorsichtiger.»

Verstappen funkt: «Feuer, Feuer»

Viel Zeit auf dem Asphalt hatte Verstappen nicht. Trotz seiner 35. Karrierepole wurde er bereits nach zwei Runden an der Spitze von Sainz verdrängt. «Die Bremse hat sich nicht mehr gelöst», beschrieb Red-Bull-Motorsportberater Helmut Marko das Problem des immer noch WM-Führenden. «In der Folge ist die Bremse komplett steckengeblieben.»

In der vierten Runde alarmierte Verstappen den Kommandostand: «Da ist Rauch, blauer Rauch, Feuer, Feuer.» Der Red Bull des Niederländers wurde immer langsamer und bis ans Ende des Feldes durchgereicht. Flammen schossen aus dem rechten Hinterrad, als Verstappen seinen Wagen in die Garage steuerte.

Beim Weltmeister klemmt die Bremse

Die Crew löschte zwar sofort das Feuer, doch der Weltmeister musste sein Auto schon nach fünf Runden abstellen. Verständnislos und genervt zog Verstappen seinen Helm aus. Im T-Shirt diskutierte Verstappen anschließend am Kommandostand das Fiasko mit Teamchef Horner. «Sobald die Lichter ausgingen, klemmte die rechte Bremse, so dass das Auto von Anfang an schwer zu fahren war. Es war sehr schwerfällig», erklärte Verstappen nach seinem ersten Ausfall seit Australien 2022. «Wenn die Bremse festsitzt, dann hilft das nicht.»

Sainz nutzte das gnadenlos aus. «Ich habe mich da draußen wirklich gut gefühlt», sagte der 29-Jährige, der sich anfangs allerdings als noch «etwas eingerostet» empfunden hatte und mit zunehmender Dauer immer steifer im Cockpit wurde. Dritter wurde in Australien Lando Norris im McLaren. Und der Brite kündigte nach der Empfehlung seines siegreichen ehemaligen Teamkollegen bereits an: «Ich werde mir den Blinddarm entfernen lassen. Anscheinend tut man es und gewinnt ein Rennen soooooo…. Glückwunsch Carlitos.»

Red Bull glaubt nicht an eine WM-Wende 

Mit seinem Erfolg aus dem Krankenstand dürfte Sainz seinen Marktwert für potenzielle neue Arbeitgeber sicher erhöht haben. «Ich weiß es nicht», meinte er und ergänzte dann doch schnell: «Es schadet aber zu 100 Prozent nicht.» Er muss nach dieser Saison dem bei und mit Mercedes weiter massiv schwächelnden Rekordweltmeister Lewis Hamilton – Aus in Australien wegen eines Motordefekts – Platz machen. 

Ferrari kann den Abschluss des Melbourne-Wochenendes genießen, Red Bull geht nach dem Debakel bei Verstappen auf Ursachensuche. An eine Wende im WM-Kampf glaubt zumindest Motorsportberater Marko noch lange nicht. «Ferrari ist sicher eine Gefahr», räumte er ein. «Das kann man aber mit Max in den Griff bekommen.»

Martin Moravec und Jens Marx, dpa