Das Spiel lief gerade vier Sekunden, da hatte Toni Kroos allen Skeptikern die Wandlung vom Querpass-Toni zum Steilpass-Toni eindrucksvoll vorgeführt und seinem königlichen DFB-Comeback den frühen Glanzpunkt verpasst. Und nur acht Sekunden nach dem Anpfiff lag der Ball erstmals im Tor der Franzosen.
Anstoß Kai Havertz, Finte und Pirouette von Kroos, dessen zentimetergenauen Steilpass in den linken Halbraum Florian Wirtz annahm und nach einem kurzen Dribbling aus 22 Metern unter die Latte schoss.
Das schnellste Tor in der 1009 Länderspiele umfassenden DFB-Historie war das Fundament, auf dem das dominante 2:0 der Fußball-Nationalmannschaft in Lyon entstehen konnte. «Wir hatten einen Superstart, der uns geholfen hat, das Spiel zu öffnen», sagte Wirtz, der Lukas Podolski als DFB-Rekordhalter ablöste. Der Weltmeister von 2014 hatte am 29. Mai 2013 in Miami beim 4:2 gegen Ecuador nach neun Sekunden getroffen.
Vorbereiter Mads Buttgereit
Der königliche Real-Madrid-Grande Kroos (34) und der junge Leverkusener Wirtz (20) – es war bezeichnend, dass die beiden Besten im Stadium auch die Hauptdarsteller bei der brillanten Ouvertüre beim verheißungsvollen Start ins EM-Jahr waren. «Es hat keiner so wirklich verstanden, dass der Ball nach so kurzer Zeit im Netz war», erzählte Wirtz immer noch baff nach dem Spiel. Wirklich keiner? Doch, einer schon. Mads Buttgereit.
Mads wer? Der 38 Jahre alte Däne war im Sommer 2021 auf Initiative des damaligen Bundestrainers Hansi Flick als Standardtrainer zum DFB gekommen. Buttgereit hatte das Überfall-Tor ausgeheckt. Das Copyright schrieb auch Julian Nagelsmann exklusiv seinem Assistenten zu. «Herausragend vorbereitet von Mads», sagte der Chefcoach.
«Tatsächlich haben wir das nicht trainiert. Aber wir sind es auf der Leinwand durchgegangen», verriet Wirtz. Und Kroos scherzte in seiner typisch trockenen Art mit Blick auf die lange Winterpause des Nationalteams: «Die Standardtrainer haben ja genug Zeit gehabt vier Monate, sich was auszudenken.» Es sei «in der Tat so geplant» gewesen.
«Deutlich mehr Steilpass als Querpass»
Dass Kroos der Auslöser war, passte ins Bild eines wie gemalten Länderspiel-Comebacks nach fast 1000 Tagen. Der Rückkehrer mit dem Ruhepuls am Ball auch unter Gegnerdruck war der Impulsgeber, der Taktgeber, der Kopf eines Teams, das plötzlich wieder Struktur und Führung besaß. «Er ist deutlich mehr Steilpass als Querpass. Er ist der Verbindungsspieler, den wir uns vorgestellt haben», sagte Nagelsmann. Er hatte Kroos zur Rückkehr angestoßen.
«Das Entscheidende ist immer, wie man ihn in das Netz packt mit den Spielern drumherum», dozierte Nagelsmann. Kroos kann ein Bessermacher der anderen sein. Und der Weltmeister von 2014 und fünfmalige Champions-League-Sieger strahlte in jeder Aktion – ob offensiv oder defensiv – die Lust aus, die er auf die Heim-EM im Sommer hat.
«Wir können sehr zufrieden sein. Wir haben einen guten Schritt nach vorne gemacht, einen wichtigen Schritt. Es sind langsam die letzten Chancen Richtung EM, sich ein Gefühl zu holen. Das nehmen wir mit», sagte Kroos im ZDF. «Toni macht das Spiel für dich ganz einfach», schwärmte Jamal Musiala. Debütant Deniz Undav sprach aus, was viele nach dem 107. Länderspiel von Kroos in Deutschland denken müssen. «Die Leute können froh sein, dass er sich nochmal umentschieden hat», sagte Undav zum Rücktritt vom DFB-Rücktritt von Kroos.
Premiere wichtiger als Rekord für Wirtz
Davon profitieren auch die «Zauberer», wie Nagelsmann die Jungstars Wirtz und Musiala liebevoll nennt. Ein traumhaftes Zusammenspiel der beiden Jungstars mündete im 2:0 von Kai Havertz. Der «wunderbare Fußballer», wie Sportdirektor Rudi Völler Zauberer Wirtz nannte, übertrug sein berstendes Selbstbewusstsein aus dem Leverkusener Vereinstrikot ins Dress für die Heim-EM.
Mt «purer Freude» erfüllte Wirtz sein Treffer, aber nicht wegen des Rekordes. «Entscheidend ist, dass ich endlich mein erstes Länderspieltor geschossen habe. Und nicht unbedingt, dass ich Geschichte geschrieben habe», sagte er nach seinem 15. DFB-Einsatz. Florian Wirtz, der Spieler des Spiels, rühmte aber vor allem den Spieler des Abends, Toni Kroos: «Wir sind sehr froh, dass er wieder da ist. Das macht es für einen leichter vorne.»
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