23. November 2024

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Andreas Brehme und ein Elfmeter für die Ewigkeit

Der 8. Juli 1990 machte aus Elfmeterschütze Andreas Brehme einen WM-Helden für die Ewigkeit. Wie Helmut Rahn, Gerd Müller und Mario Götze krönte er Deutschland zum Weltmeister. Nicht nur das bleibt.

Ein Elfmeter für die Ewigkeit machte Andreas Brehme zur WM-Legende. Der Mann, der Deutschland zum Weltmeister 1990 krönte, starb in der Nacht zum Dienstag in München im Alter von 63 Jahren an einem Herzstillstand.

Durch sein Tor im WM-Endspiel von Rom avancierte der für seine Beidfüßigkeit gerühmte Profi, der lange für den 1. FC Kaiserslautern und auf großer Bühne für den FC Bayern München und Inter Mailand spielte, zu einer bedeutsamen Figur in der Fußball-Historie. Der deutsche Sport verliert nur wenige Wochen nach dem Tod von «Kaiser» Franz Beckenbauer eine weitere Schlüsselfigur aus dem Nationalteam, das vor mehr als drei Jahrzehnten den dritten deutschen WM-Titel geholt hatte.

Der 8. Juli 1990 im Olympiastadion prägte das Image des Defensivspielers wie kein anderer Moment. Das WM-Finale zwischen Deutschland und Argentinien stand kurz vor der Verlängerung, als die DFB-Auswahl einen Foulelfmeter zugesprochen bekam. Weil Lothar Matthäus sich in seinen neuen Schuhen nicht wohlfühlte, trat Brehme gegen Elfmeterkiller Sergio Goycochea an.

«Jaaa, Tor für Deutschland, 1:0 durch Andreas Brehme. Alles wie gehabt, mit rechts flach ins linke Eck. Goycochea wusste alles. Nur halten konnte er ihn nicht», rief Gerd Rubenbauer damals euphorisch bei seinem TV-Kommentar. Wenige Minuten später war Deutschland Weltmeister. Und das Leben von Andreas Brehme, der Wegbegleitern als lebensfroher, bodenständiger und positiver Mensch in Erinnerung bleibt, veränderte sich schlagartig. «Andy war unser WM-Held, aber für mich noch viel mehr – er war mein enger Freund und Begleiter bis zum heutigen Tag», sagte DFB-Sportdirektor Rudi Völler am Dienstag. Unvergessen, wie Brehme 1996 an Völlers Brust nach dem Abstieg mit Lautern weinte. 

Für Brehme war klar: Den Elfer hau‘ ich jetzt rein

Wie die Namen von Helmut Rahn (1954), Gerd Müller (1974) oder Mario Götze (2014) wird der Name von Brehme für ewig mit einem triumphalen Tag des deutschen Fußballs in Erinnerung bleiben. «Für mich war klar: Den Elfer hau‘ ich jetzt rein», erinnerte er gerne an den nervenstarken Augenblick. 

Immer wieder wurde der gebürtige Hamburger auf diesen magischen Moment angesprochen. «Das war nicht nur ein Segen, das war viel mehr», erzählte Brehme anlässlich seines 60. Geburtstags. «Ich habe etliche Anfragen bekommen – das war schon gigantisch.» Brehme wurde in Fernsehsendungen und zu etlichen andere Veranstaltungen eingeladen, und fast immer stellten die Menschen ihm dieselbe Frage: Wie war das denn so, den entscheidenden Elfmeter zu schießen? «Wenn man da steht, wird das Tor immer kleiner, und der Torwart, der wird immer größer», sagte er dann. «Man muss davon überzeugt sein, sonst wäre ich nicht zum Elfmeter hingegangen.»

Der frühere Inter-Profi liebte Italien

Ins Fußballgeschäft, das betonte er vor drei Jahren, zog es ihn nicht mehr zurück. Seinerzeit erzählte Brehme gerne, dass er oft sehr früh aufstehe, «so halb sieben, sieben», und eine Fahrradtour mache. Auch lange nach seinen vier Jahren bei Inter Mailand von 1988 bis 1992 liebte er Italien, verbrachte gerne Zeit in Bardolino am Gardasee. Immer wieder zog es ihn «weg über den Brenner». Brehme hinterlässt neben seiner Lebensgefährtin Susanne Schaefer auch zwei Söhne aus einer früheren Partnerschaft. «Wir haben einen großartigen Menschen und einen treuen Freund verloren», sagte Bayern-Ehrenpräsident Uli Hoeneß.

Sehr berührt hatte Brehme Anfang des Jahres Beckenbauers Tod. Das Verhältnis zwischen dem Siegtorschützen und dem damaligen Teamchef war sehr eng. Brehme bestritt insgesamt drei WM-Endrunden, zwei davon unter Beckenbauer. Auch 1986 stand er mit Deutschland im verlorenen Finale gegen Argentinien. Seine beste Zeit als Vereinsspieler erlebte er in Mailand, wo er an der Seite von Matthäus Meister und UEFA-Cupsieger wurde. Für das Nationalteam bestritt er 86 Länderspiele, erzielte dabei 8 Tore.

Dem Vater für den Profitraum dankbar

Begonnen hatte die große Karriere in der Jugend beim HSV Barmbek-Uhlenhorst. Trainer war über viele Jahre sein Vater Bernd Brehme, im Fußball eine Trainer-Institution in der Hansestadt. «Ein Traum ist in Erfüllung gegangen, ich bin Profi und Nationalspieler geworden», sagte Brehme einmal dem «Kicker». Vor allem seinem Vater Bernd ist er dankbar, «wegen ihm habe ich es so weit geschafft, er war in der Jugend mein Trainer». 

Der Legende nach ließ dieser seinen Sohn mit Medizinbällen schießen und mit Bleiwesten laufen. Das «Hamburger Abendblatt» erinnerte im vergangenen Jahr anlässlich des 100-jährigen Bestehens des Vereins daran, wie der junge Andi in den Halbzeitpausen der Spiele der Herren-Mannschaft, als er als Sechs-, Siebenjähriger aufs leere Tor zulief und aus 16 Metern einschoss. Die Verbundenheit nach Hamburg blieb – auch während seiner Profi-Stationen Saarbrücken, Lautern, Bayern, Inter und Real Saragossa.

Weniger erfolgreich im Trainergeschäft

Weniger erfolgreich verlief Brehmes Karriere als Trainer in Kaiserslautern, Unterhaching und als Assistent von Giovanni Trapattoni beim VfB Stuttgart. Das änderte aber nichts daran, dass ihm sein Platz als einer der Großen der deutschen Fußballgeschichte sicher ist. Auch wegen vieler Sprüche, die ihm zugeschrieben werden. «Haste Scheiße am Fuß, haste Scheiße am Fuß!», lautete eine dieser Aussagen, die jeder Fan kennt.

Die Werbung, die Brehme für die Medizinisch-Psychologische Untersuchung (MPU) – landläufig Idiotentest genannt – machte, erinnerte an einen nicht so lustigen Moment in seinem bewegten Leben. In einem Interview des «Stern» sprach er im November 2022 über einen «schweren Fehler» bei einer Autofahrt mit 1,78 Promille. Der Führerschein war weg, 30.000 Euro Strafe musste er bezahlen. «Es dauert einige Zeit, bis man erkennt, dass eine besoffene Autofahrt nicht bloß ein Lapsus ist, sondern dass man sein Leben hinterfragen und ändern muss», sagte Brehme damals. Er versuchte, anderen zu helfen.

Schmunzeln konnte Brehme über einen Fauxpas, der viral ging. In einem Videoclip sandte er Geburtstagsglückwünsche an einen Fan – und im Hintergrund war am Ende des Filmchen viel nackte Haut seiner Frau zu sehen. Brehme bewies die Lockerheit, die man so sehr an ihm mochte. «Jetzt weiß die ganze Welt, welch eine tolle Frau ich habe! Hätte nicht passieren sollen, aber ich kann über mich selbst lachen. Künftig lasse ich besser Susanne filmen…», sagte Brehme im vergangenen Jahr der «Bild».

Von Christian Kunz, Nils Bastek, Stefan Tabeling und Claas Hennig, dpa